Im Wahlkampf versprach die Union eine „Asylwende“. Wie sie jenes Versprechen einhalten will, wird sich in den kommenden Tagen zeigen, sobald die neue Regierung im Amt ist. Kurz vor der Amtsübergabe an Alexander Dobrindt (CSU) hat nun aber die Noch-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zumindest in einem Punkt dem Vorhaben einen Dämpfer verpasst: Es geht dabei um die Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union, beispielsweise nach Ruanda. Das Bundesinnenministerium hat dieses Verfahren umfangreich und rechtlich prüfen lassen und am Sonntag seinen Abschlussbericht vorgestellt.
Demnach halte man diese Verlagerung zwar für grundsätzlich denkbar, sieht aber sehr hohe rechtliche Hürden und praktische Schwierigkeiten. „Kooperationen mit Drittstaaten können ein weiterer Baustein sein, um irreguläre Migration zu begrenzen“, wird die scheidende Innenministerin Faeser in einer Pressemitteilung zitiert. „Die Erfahrungen in Großbritannien zeigen aber auch, dass solche Versuche auch immense Kosten verursachen und auf ganzer Linie scheitern können. Das muss in eine realistische Betrachtung einfließen.“
Im Koalitionsvertrag ist das Drittstaatenmodell nicht ausdrücklich vorgesehen
Über das Mittel der Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten nach dem Vorbild Großbritanniens war in der Diskussion um die Begrenzung der Migration aus humanitären und juristischen Gründen immer wieder gestritten worden. Die Union hatte dieses Vorgehen forciert – im Koalitionsvertrag ist es aber nicht ausdrücklich vorgesehen.
Dem Prüfbericht zufolge wäre die Verlagerung der Verfahren zwar grundsätzlich möglich, aber nur bei teils wesentlichen Änderungen des deutschen und des EU-Rechts. „Zugleich bestehen gewisse rechtliche Risiken, und die Steuerungswirkung dieser Modelle erscheint ungewiss“, heißt es auf den 37 Seiten des Berichts. „Darüber hinaus ergeben sich teils erhebliche praktische Herausforderungen und Hürden.“
Der Bericht verweist auf das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das ein sicheres Drittstaatenkonzept vorsieht. Um dieses anwenden zu können, muss allerdings ein sogenanntes Verbindungselement zwischen Asylantragsteller und dem Drittstaat vorliegen, gemeint ist damit etwa eine familiäre Verbindung oder ein vorheriger Aufenthalt in dem Land. Dieses Verbindungselement ist völkerrechtlich und in den EU-Verträgen nicht zwingend vorgegeben, kann also im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch den Rat und das Europäische Parlament auf Vorschlag der EU-Kommission geändert werden.
Doch selbst wenn die Union damit Erfolg hätte, dass dieses Verbindungselement gestrichen wird, blieben weiterhin hohe rechtliche Anforderungen an einen Drittstaat, heißt es in dem Bericht. Ein weiteres Problem dürfte für den künftigen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt werden, überhaupt Drittstaaten von solch einer Zusammenarbeit zu überzeugen. Bislang sieht der Abschlussbericht nur eine kleine Anzahl von infrage kommenden Staaten, die die notwendigen Bedingungen weitestgehend erfüllen oder diese innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens erreichen könnten – doch selbst unter diesen Staaten gebe es derzeit keine Hinweise darauf, dass sie bereit wären, über eine entsprechende Kooperation zu verhandeln.
Was die scheidende Bundesinnenministerin von der Notwendigkeit der Verlagerung von Asylverfahren hält, kann man aus einer weiteren am Wochenende veröffentlichten Zahl ablesen: Das Bundesinnenministerium erwartet für dieses Jahr die geringsten Asylzahlen seit mehr als einem Jahrzehnt.