Präsidentschaftswahl in Rumänien: Gewinnt ein Rechtsextremist die Wiederholungswahl in Rumänien?

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Die Wiederholungswahl in Rumänien gilt als Schicksalswahl. Warum sind rechtsextreme Parteien so erfolgreich? Wie groß ist der Einfluss aus dem Ausland? Ein Überblick

2. Mai 2025, 5:55 Uhr

 Die Präsidentschaftswahl muss nach einem Gerichtsurteil wiederholt werden.
Ein Wahllokal in Popești im November in Rumänien: Die Präsidentschaftswahl muss nach einem Gerichtsurteil wiederholt werden. © Daniel Mihailescu/​AFP/​Getty Images

Im Herbst hat der Rechtsextremist Călin Georgescu die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien gewonnen – vermeintlich. Denn Georgescu hatte, so stellte das oberste Gericht des Landes fest, Finanzquellen verschleiert und Unterstützung aus Russland erhalten. Bei der Wahlwiederholung am 4. Mai darf er nicht mehr antreten, doch das rechtsextreme Lager hat weiter Chancen auf ein starkes Ergebnis. Antworten auf die wichtigsten Fragen

Alle Fragen im Überblick:

Was passierte bei der Wahl in Rumänien im Herbst 2024?

Aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 24. November 2024 war der rechtsextreme Kandidat Călin Georgescu laut dem zentralen Wahlbüro mit 23 Prozent der Stimmen als Sieger hervorgegangen. Der 62-jährige Agrarwissenschaftler und Tiermediziner war früher Mitglied der rechtsextremen Allianz für die Union der Rumänen (AUR), ist aber inzwischen parteilos. Er ist bekannt für antiwestliche Positionen, seine Nähe zur orthodoxen Kirche und zu Russland. Wegen Verherrlichung faschistischer Kriegsverbrechen wird gegen ihn ermittelt.

Geplant gewesen war, dass Georgescu am 8. Dezember in die Stichwahl gegen die zweitplatzierte Elena Lasconi von der liberalkonservativen USR gehen sollte. Zuvor ordnete das Verfassungsgericht jedoch eine Neuauszählung an, erkannte dann das Ergebnis zunächst an – um es am 6. Dezember für ungültig zu erklären. Als Grund nannte das Gericht den bestätigten Verdacht auf ausländische Einmischung durch einen "aggressiven russischen hybriden Angriff".

Parallel zur Präsidentschaftswahl fand die Parlamentswahl statt: Die sozialdemokratische PSD wurde stärkste Kraft, doch rechtsextreme Parteien legten stark zu. Die AUR verdoppelte ihr Ergebnis auf 18 Prozent und wurde zweitstärkste Partei. Insgesamt erreichten weit rechtsstehende Parteien rund ein Drittel der Stimmen.

Welche Rolle spielte TikTok im Wahlkampf?

Im Präsidentschaftswahlkampf 2024 wurde Georgescu über TikTok mithilfe koordinierter Konten, Empfehlungsalgorithmen und bezahlter Werbung stark gefördert. Mehr als 27.000 Fakeaccounts, betrieben von einem türkischen Spezialanbieter, wurden zur Wahlmanipulation eingesetzt. Verbreitet wurden darauf Inhalte, die Georgescu als "Retter Rumäniens" darstellten. TikTok bestätigte dies in einem internen Bericht und löschte die Accounts. Zudem blockierte der Dienst zwischen September und Dezember 2024 fast 45 Millionen Likes und 27 Millionen Follow-Anfragen solcher Accounts. Die Auftraggeber hinter den Fake-Konten sind noch unklar.

Die EU-Kommission hat wegen der Vorgänge ein Verfahren gegen TikTok eingeleitet. Bezahlte politische Werbung ist laut TikTok-Richtlinien verboten, und der sogenannte Digital Service Act der EU verpflichtet soziale Netzwerke zur Bekämpfung solcher Kampagnen.

Was geschah nach der Annullierung der Wahl?

Gegen die Annullierung des Wahlergebnisses legte Georgescu beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde ein. Er berief sich auf das Recht auf ein faires Verfahren und freie Wahlen. Der Gerichtshof wies den Antrag im Januar einstimmig ab.

Ende Februar leitete die rumänische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Georgescu ein. Ihm wurden unter anderem Falschangaben zur Wahlkampffinanzierung, Anstiftung zu verfassungsfeindlichen Handlungen und die Förderung faschistischen Gedankenguts vorgeworfen. Zugleich wurden Wohnungen und Häuser seiner Anhänger durchsucht. Dabei stellten die Ermittler Waffen, Sprengstoff, rechtsextreme Propagandamittel und Bargeld im Wert von 3,2 Millionen Euro sicher. 16 Personen kamen in Haft, Georgescu wurde unter Auflagen freigelassen. Kurz darauf wies Rumänien zwei russische Diplomaten wegen mutmaßlicher Einmischung zugunsten Georgescus aus.

Im März reichte Georgescu erneut seine Kandidatur mit 324.000 Unterstützungserklärungen ein, die Wahlrechtskommission erklärte sie jedoch für ungültig. Darauffolgende Proteste seiner Anhänger in Bukarest eskalierten. Auch die rechtsextreme und prorussische Politikerin Diana Șoșoacă von der rechtsextremen Partei S.O.S Romania wurde von der Wahl ausgeschlossen. Sie kündigte an, in Berufung zu gehen. Präsident Klaus Johannis blieb nach der Wahlannullierung zunächst im Amt, trat aber am 12. Februar nach Druck durch die Opposition zurück. Übergangspräsident ist seither Senatschef Ilie Bolojan.

Wer tritt bei der Wiederholungswahl in Rumänien an?

Nach dem Ausschluss Georgescus von der Wahl stellte die rechtsextreme AUR ihren Vorsitzenden George Simion als Spitzenkandidaten auf. Simion werden gute Chancen eingeräumt – auch wegen der Unterstützung aus dem breiteren Rechtsaußen-Lager: Anamaria Gavrilă von der rechtsextremen Jungen Volkspartei (POT) zog ihre Kandidatur zurück, um Simions Chancen auf das höchste Staatsamt zu erhöhen.

Die proeuropäische Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (PSD), Liberalen (PNL) und dem Ungarnverband UDMR setzt auf den ehemaligen Senatspräsidenten Crin Antonescu als gemeinsamen Kandidaten. Laut aktuellen Umfragen könnte Simion die erste Runde der Wahl gewinnen. In einer möglichen Stichwahl hätten demnach jedoch proeuropäische Kandidaten wie der parteilose Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan, der Kandidat der Regierungskoalition, Crin Antonescu, oder Ex-Regierungschef Victor Ponta bessere Siegchancen. Allerdings gelten die Umfragen als begrenzt aussagefähig – wie bereits bei der Wahl im Herbst deutlich wurde.

Crin Antonescu, Präsidentschaftskandidat der Regierungskoalition, begrüßt seine Anhänger in Bukarest. © Inquam Photos/​George Calin/​Reuters

Wie ist die Stimmung in Rumänien vor der Wiederholungswahl?

"Die aufeinanderfolgenden Krisen – die Pandemie, der Krieg an der Grenze, die Wirtschaftskrise, die die Lebenshaltungskosten in die Höhe trieb und die Ungleichheit verschärfte –, haben großen Einfluss auf die politische Stimmung in Rumänien", sagt Adina Marincea, Rechtsextremismusforscherin am Elie-Wiesel-Zentrum in Bukarest. Ein Klima der Angst, Unsicherheit und Polarisierung habe sich ausgebreitet, das von rechtsextremen Parteien instrumentalisiert werde, die sich als "Retter der Menschen" inszenierten.

Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung haben vor allem junge Menschen große Zukunftsängste: 60 Prozent der 14- bis 29-Jährigen fürchten Arbeitslosigkeit, Krieg und schlechte Gesundheitsversorgung. Mehr als 70 Prozent bezeichnen Korruption als das Hauptproblem des Landes. Ein Drittel denkt an Auswanderung. Ein weiteres Drittel gibt an, bereit zu sein, bürgerliche Freiheiten zugunsten eines besseren Lebensstandards aufzugeben.

Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ergab, dass die Wahrnehmung Rumäniens als "verkommener Staat" im vergangenen Jahr signifikant zugenommen habe. Die Parlamentswahl 2024 habe der politischen Elite, der nach wie vor mit Feindseligkeit begegnet werde, keine Legitimität verliehen.

Warum erstarkt der Rechtsextremismus in Rumänien?

Seit dem Einzug der AUR ins rumänische Parlament Ende 2020 haben rechtsextreme und populistische Parteien deutlich an Einfluss gewonnen. Laut Extremismusforscherin Marincea ist ihr Wahlerfolg Ausdruck eines weit verbreiteten Misstrauens gegenüber der politischen Klasse, das durch die Coronapandemie und die damit verbundenen staatlichen Maßnahmen verstärkt worden ist. Rechtsextreme Politiker hätten dies erfolgreich genutzt und ihre Kritik mit Verschwörungserzählungen und populistischen "Anti-System"-Botschaften kombiniert.

"Wie auch Călin Georgescu setzte die AUR auf eine Mischung aus Social-Media- und Offline-Kampagnen, vor allem in ländlichen Gebieten und kleineren Städten, manchmal mit Unterstützung rechtsextremer Basisorganisationen wie der Orthodoxen Bruderschaft", sagt Marincea. Teile der rumänisch-orthodoxen Kirche hätten den Aufstieg dieser Gruppen unterstützt, obwohl die Kirche offiziell eine distanzierte Haltung einnahm. In ländlichen Regionen hätten Priester rechtsextreme Politiker in ihre Kirchen eingeladen und für sie geworben. Der Orthodoxismus, ein religiöser Fundamentalismus, der auf die Legionärsbewegung der Zwischenkriegszeit zurückgeht, sei im europäischen Vergleich eine Besonderheit der rumänischen extremen Rechten.

"Im Parlament begannen die AUR-Führer, den rechtsextremen Diskurs zu normalisieren, rehabilitierten faschistische Führer und Kriegsverbrecher und verbreiteten anti-ungarische, fremdenfeindliche, ultrakonservative, LGBT-feindliche und teils antisemitische Ansichten", sagt Marincea. Diese Rhetorik erinnere an die rechtsextreme PRM-Partei der Nullerjahre, sei aber stärker im faschistischen historischen Erbe verwurzelt. Auch andere politische Akteure hätten diese Strategien übernommen, vor allem nach Georgescus vermeintlichem Wahlsieg 2024.

Anamaria Gavrilă (links), Vorsitzende der Jungen Volkspartei (POT), Călin Georgescu (Mitte), ehemaliger Präsidentschaftskandidat, und George Simion (rechts), Vorsitzender der Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR), während einer Unterstützerkundgebung für Georgescu in Bukarest © Daniel Mihailescu/​AFP/​Getty Images

Im Vergleich zu westlichen Rechtsextremen setze die rumänische Rechte weniger stark auf eine Anti-Einwanderungspolitik – was auch mit den geringeren Einwanderungsraten zu tun habe. Antisemitismus sei hingegen ein starkes Fundament rechtsextremer Bewegungen in Rumänien, sagt Marincea. "Sie beanspruchen das faschistische, 'legionäre' historische Erbe, das zutiefst antisemitisch war." 

Obwohl während des Holocaust in Rumänien bis zu 380.000 Jüdinnen und Juden sowie 11.000 Roma ermordet wurden, kam die Aufarbeitung in dem Land nur langsam in Gang. Offiziell anerkannt wurden die Opferzahlen erst im Jahr 2004, eine breite Aufklärung darüber fehlt noch immer. In einer Umfrage leugneten 15 Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Rumänien den Holocaust.

Eine Machtübernahme in Rumänien durch einen Rechtsextremen könnte sich auch gravierend auf die europäische Integration und die Positionierung des Landes innerhalb der Nato auswirken. Auch bei der militärischen Unterstützung der Ukraine könnte es dann einen Kurswechsel geben. Der rumänische Präsident beeinflusst die Außen- und Verteidigungspolitik und kontrolliert die Geheimdienste.

Welche Verbindungen gibt es zwischen rumänischen Rechtsextremen und ausländischen Akteuren?

Heftige Kritik an der Annullierung des Wahlergebnisses vom vergangenen Jahr kam aus den USA. Präsidentenberater und Techmilliardär Elon Musk hatte Georgescu auf seiner Plattform X offen unterstützt. US-Vizepräsident JD Vance warf den rumänischen Behörden bei einem Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor, Angst vor dem eigenen Volk zu haben, und äußerte Besorgnis über den "Zustand der Demokratie in Europa".

Die aktivste Einmischung kam jedoch aus Russland. Im März wurden in Rumänien sechs Personen festgenommen, die einen Putsch gegen die Regierung geplant haben sollen. Laut Staatsanwaltschaft verhandelten sie mit ausländischen Vertretern über einen Nato-Austritt und den Sturz der Regierung. Der rumänische Inlandsgeheimdienst SRI berichtete, dass die Verdächtigen Unterstützung von russischen Botschaftsbeamten gesucht hätten. Zwei der Verdächtigen reisten demnach im Januar nach Moskau und standen in Kontakt mit Personen, die ihre Pläne unterstützten.                

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