Urteil gegen Malta: Die Staatsbürgerschaft darf in der EU nicht käuflich sein

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Die Vergabe der Staatsbürgerschaft ist in der Europäischen Union grundsätzlich Sache der Nationalstaaten. Umso schwerer wiegt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Malta, das kleinste Mitgliedsland der EU: Einen maltesischen Pass als Belohnung für Geldzahlungen an den Staat zu vergeben, komme einer „Kommerzialisierung“ der Staatsbürgerschaft gleich und verstoße gegen EU-Recht, urteilte das Gericht am Mittwoch in Luxemburg. Eingereicht hatte die Klage gegen Malta die EU-Kommission, ein Sprecher der Behörde sagte nach dem Urteil: „Die EU-Bürgerschaft steht nicht zum Verkauf.“

In der EU-Kommission und im Europaparlament gibt es seit Längerem schon Widerstand gegen die sogenannten Goldenen Pässe. Die Kritiker warnen davor, Wirtschaftskriminelle und ganz konkret russische Oligarchen könnten sich damit Zugang zur EU verschaffen. Wer den Pass eines EU-Staates hat, kann alle damit verbundenen Freiheiten auch in den anderen 26 Staaten nutzen – also ungehindert reisen, Bankkonten eröffnen und Geschäfte treiben. Deshalb geht es auch die EU etwas an, an wen ihre Mitglieder Pässe verteilen. Die Luxemburger Richterinnen und Richter kamen zu dem Schluss, Malta verstoße gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und gefährde das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten.

Malta forderte Interessenten zu Investitionen auf

„Citizenship by investment“, Staatsbürgerschaft durch Investition, heißt das maltesische Programm. Vom Staat beauftragte Agenturen bewerben die Vorzüge sehr offensiv: „Erhöhen Sie Ihren Lebensstil mit exklusiven Geschäftsmöglichkeiten, europäischen Bankgeschäften, einer erstklassigen Gesundheitsversorgung und einer erstklassigen Ausbildung für Ihre Familie“, ist auf einer Internetseite zu lesen. „Es ist Ihr Schlüssel zum Erhalt von Wohlstand, zum Schutz Ihres Vermögens und zur Wahrung Ihrer persönlichen Freiheit in einer unsicheren Welt.“

Die Praxis, Pässe gegen Geld zu vergeben, gab es in mehreren europäischen Ländern, Malta trotzte jedoch aller Kritik aus Brüssel.

Wer als Ausländer einen zwölfmonatigen „Aufenthalt“ auf Malta – die Kriterien dafür sind nicht besonders streng – nachweisen kann, muss für einen zusätzlichen maltesischen Pass eine „Direktinvestition“ (an den Staat, nicht mehr erstattbar) in Höhe von 750 000 Euro zahlen. Nach dreijährigem „Aufenthalt“ reichen 600 000 Euro. Für jedes abhängige Familienmitglied sind weitere 50 000 Euro fällig. Gefordert wird auch eine Immobilieninvestition: Entweder man kauft eine Immobilie im Wert von mindestens 700 000 Euro, oder man mietet eine für mindestens 16 000 Euro pro Jahr. Hinzu kommen eine Spende in Höhe von 10 000 Euro an eine karitative Einrichtung sowie diverse staatliche Gebühren.

5000 Menschen haben sich eingekauft, darunter manche von zweifelhaftem Ruf

Das Programm wurde im Jahr 2014 eingeführt und 2020 erweitert. Der maltesische Staat hat auf diesem Weg nach eigenen Angaben mehr als 5000 Menschen eingebürgert, viele aus Russland, China und dem Nahen Osten. Die Einnahmen für den Staat beliefen sich auf 1,4 Milliarden Euro.

Die maltesische Regierung verwies bei der Anhörung in Luxemburg darauf, die Bewerber würden einer strengen Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Bürgerinnen und Bürger aus Russland und Belarus seien seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ganz von dem Programm ausgeschlossen. Allerdings zeigt eine aktuelle Recherche der Financial Times (FT), von welch zweifelhaften Menschen das Malta-Programm bislang genutzt wurde.

Sieben Personen, die sich die maltesische Staatsbürgerschaft erkauft hatten, waren demnach später von Sanktionen der EU, der USA oder der Ukraine wegen einer Verwicklung in den russischen Krieg gegen die Ukraine betroffen. Genannt wird etwa der Geschäftsmann Albert Awdoljan, Besitzer eines maltesischen Passes seit 2014, von der EU auf die Sanktionsliste gesetzt am 24. Februar dieses Jahres.

Kritik an der Malteserin Roberta Metsola, der Präsidentin des Europaparlaments

Awdoljan habe bedeutende Beteiligungen im Sektor der russischen Energieinfrastruktur, insbesondere in den Bereichen Kohle und Gas, so ist auf der Sanktionsliste der EU zu lesen. Diese Wirtschaftszweige seien eine wichtige Einnahmequelle für die russische Regierung. Außerdem sei er durch seine geschäftlichen Interessen eng mit dem staatlichen Rostec-Konzern verbunden, der für das russische Militär strategisch bedeutend ist. Awdoljan, dessen vier Kinder und Ehefrau ebenfalls maltesische Pässe besäßen, könne trotz der Sanktionen weiterhin nach Malta reisen, schreibt die FT.

Die Regierung von Malta teilte am Dienstag mit, sie werde das entsprechende Gesetz ändern. Allerdings werde den 5000 Menschen, die seit 2014 von der Regel profitierten, der Pass nicht entzogen. Der Sozialdemokrat Joseph Muscat, der die Regelung während seiner Amtszeit als Premierminister eingeführt hatte, bezeichnete das Urteil als „politische Entscheidung“.

Muscat kritisierte insbesondere seine konservative Landsfrau Roberta Metsola, Präsidentin des Europaparlaments: Sie habe in Brüssel gegen die Interessen des eigenen Landes agitiert. Metsola kritisiert schon länger, es sei „rücksichtslos und fragwürdig, die Wirtschaft des Landes an das System des schnellen Geldes zu koppeln“. Dieses Programm reiße „riesige Löcher in die Sicherheit Maltas und der EU“.

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