Klingbeil wird Finanzminister und Vizekanzler: Warum ausgerechnet Scholz sein Vorbild werden könnte

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Als Vorbild könnte Lars Klingbeil ausgerechnet Olaf Scholz (SPD) dienen. Vor ziemlich genau sieben Jahren wurde Scholz Finanzminister und Vizekanzler unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Scholz berief seinen Vertrauten Wolfgang Schmidt zum Staatssekretär, ließ sich von ihm ein „Vizekanzleramt“ in der Wilhelmstraße organisieren. Keine vier Jahre später war er Kanzler.

Am kommenden Dienstag, nach der geplanten Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler, wird der Bundespräsident Klingbeil zum Finanzminister und Stellvertreter des Bundeskanzlers ernennen. Der SPD-Chef wird seinen Amtseid im Bundestag ablegen, danach sein Büro im Bundesfinanzministerium (BMF) beziehen. Die Planungen für Klingbeils „Vizekanzleramt“ laufen längst.

Böhning soll Staatssekretär werden

So soll Klingbeils Vertrauter Björn Böhning beamteter Staatssekretär im BMF werden, wie der Tagesspiegel aus SPD-Kreisen erfuhr. Böhning soll für die Regierungskoordination zuständig sein, inoffiziell damit das künftige „Vizekanzleramt“ leiten. Er habe für Klingbeil bereits den Organisationserlass verhandelt, der die Machtverteilung in der künftigen Bundesregierung regelt, heißt es in SPD-Kreisen.

Der 46-jährige Böhning war einst Juso-Chef, später Chef der Berliner Senatskanzlei und Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium. Seit 2022 ist er Geschäftsführer in dem Film-Lobbyverband Produzentenallianz.

Die eigentliche Aufgabe des „Vizekanzleramtes“ ist die Koordination der sozialdemokratisch geführten Ministerien, mit den Ländern, mit der Union. Inoffiziell dürfte es Klingbeil darum gehen, sich bestmöglich als SPD-Kanzlerkandidat für die nächste Bundestagswahl 2029 in Position zu bringen.

Klingbeil als „großer Schweiger“

Wie genau Klingbeil sein Ministerium formen wird, konnten selbst gut informierte Sozialdemokraten am Mittwoch noch nicht abschätzen. Klingbeil rede in dieser Phase wenig, trete als „großer Schweiger“ auf. So wird im BMF gerätselt, ob das Haus künftig wie früher einmal erneut vier beamtete Staatssekretäre haben wird. Derzeit sind es nur drei.

Der unter anderem für den Haushalt zuständige Staatssekretär Steffen Meyer dürfe wohl im Amt bleiben, wird in der SPD gemutmaßt, die beiden anderen wohl eher nicht. Zwei Vertraute Klingbeils, die für ihn als „Sherpas“ während der Koalitionsverhandlungen gearbeitet haben, dürften wohl in das Finanzressort wechseln.

Die Ministerliste macht Klingbeil

In den Parteigremien, die am Mittwochmorgen wegen des Mitgliedervotums über die große Koalition zusammengekommen waren, hatte sich Klingbeil Prokura geben lassen. Er wird die Kabinettsliste komponieren, also nicht: er und seine Co-Vorsitzende Saskia Esken.

Klingbeil sagte, er stehe für Gespräche bereit, er werde auch noch mit allen SPD-Ministerpräsidenten reden, sich mit Esken und Generalsekretär Matthias Miersch abstimmen. Klingbeil sei wie üblich unaufdringlich und „nett“ gewesen, sagt einer, der die Sitzung mitverfolgte. Er habe aber eine klare Botschaft gehabt: Die Liste mache ich.

Saskia Esken sagte nur ein paar Worte

Die Parteivorstandssitzung am Mittwochmorgen sei schnell über die Bühne gegangen, hieß es anschließend aus Teilnehmerkreisen. SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan verkündete demnach das Ergebnis des Mitgliedervotums, Klingbeil seine Entscheidung, Finanzminister und Vizekanzler zu werden. Am kommenden Montag sollen die Minister vorgestellt werden. In der SPD gibt es Zweifel, ob die Partei dem Druck bis dahin standhalten kann.

SPD-Co-Chefin Saskia Esken sagte ein paar Worte. Sie habe sich ungewöhnlich kurz und knapp gehalten, hieß es. Zu ihren eigenen Ambitionen äußerte sie sich nicht. Sie habe explizit Klingbeils Entscheidung gelobt, ins Kabinett einzutreten, hieß es anschließend aus Teilnehmerkreisen.

Das ging einher mit Mutmaßungen, sie habe einen „Deal“ mit Klingbeil, etwa zur Übernahme eines Ministeriums. In der Sitzung habe es noch ein paar Wortmeldungen gegeben, etwa von Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, Verteidigungsminister Boris Pistorius, Arbeitsminister Hubertus Heil. Das war’s.

Die Entscheidung über die SPD-Ministerriege stehe weiter aus, hieß es noch am Mittwochabend in führenden SPD-Kreisen. Klingbeil gebe sich sehr bedeckt. Die Entscheidung von CDU-Chef Friedrich Merz, gleich zwei Ministerposten und einen Staatsministerposten mit Managern zu besetzen, erhöhe den Druck auf Klingbeil, ebenfalls eine externe Person zu berufen, heißt es in der SPD. Allerdings stellen Externe oft ein Risiko dar.

Kampf um Fraktionsvorsitz

Sollte Merz’ Entscheidung für zwei Schleswig-Holsteiner im Kabinett (Karin Prien für Bildung und Familie, Johann Wadephul für Auswärtiges) dazu führen, dass Klingbeil neben sich doch noch zwei Niedersachsen nominiert? Außer dem als „gesetzt“ geltenden Pistorius (Verteidigung) doch noch Hubertus Heil? In der SPD wurde das am Mittwoch für eher unwahrscheinlich befunden.

Mit dem Wechsel ins Kabinett muss Klingbeil den SPD-Fraktionsvorsitz, den er erst am 26. Februar übernommen hatte, wieder abgeben. Er könnte hier für seinen Vertrauten, Generalsekretär Miersch, einen Platz sehen. In der SPD wurde am Mittwoch über eine Wahl zwischen Miersch und Heil spekuliert, mit Vorteil für Miersch.

Miersch hatte am Mittwoch das Ergebnis des Mitgliederentscheids der Öffentlichkeit präsentiert. Er lobte die hohe Zustimmung von 84,6 Prozent als „große Rückendeckung von der Basis für das Eintreten in die Bundesregierung“.

Die geringe Beteiligung von nur 56 Prozent versuchte er zu vernebeln. So verglich er sie nicht etwa mit den beiden letzten Mitgliedervoten 2013 und 2018 (Beteiligung von jeweils gut 78 Prozent), sondern mit der Abstimmung zum Parteivorsitz 2019.

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