Klingbeils Verbündeter, Schröders Freund : Miersch soll SPD-Fraktionschef werden

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Schon vor etlichen Jahren galt Matthias Miersch als künftiger SPD-Fraktionsvorsitzender, später wurde er als möglicher Umweltminister gehandelt. Am Ende kamen andere Parteifreunde zum Zuge. Im vorigen Oktober wechselte Miersch auf den Posten des SPD-Generalsekretärs. Nun soll er schon in wenigen Stunden SPD-Fraktionschef werden, wie es am Sonntag unter SPD-Abgeordneten hieß.

Miersch, 56, Rechtsanwalt und promovierter Jurist aus Hannover, seit bald 20 Jahren im Bundestag, würde damit auf Lars Klingbeil, 47, folgen. Der SPD-Co-Chef will Finanzminister und Vizekanzler werden, gibt den Fraktionsvorsitz nach nur zehn Wochen wieder ab.

Klingbeils Vertrauter

Mit Miersch platziert Klingbeil einen engen Vertrauten an der Spitze der Fraktion. Wenn es so etwas wie Freundschaft in der Politik geben sollte, dürfte es für das Verhältnis zwischen Klingbeil und Miersch gelten. Beide Männer stammen aus Niedersachsen. Klingbeil gehört dem konservativen „Seeheimer Kreis“ in der SPD-Fraktion an, Miersch der Parlamentarischen Linken.

Eine offizielle Bestätigung seitens der SPD gab es am Sonntag nicht. Ein Indiz für den Aufstieg Mierschs ist der Verzicht, den der geschäftsführende Arbeitsminister Hubertus Heil, 52, auf den Fraktionsvorsitz erklärte. Er sei von verschiedenen Seiten aus Partei und Fraktion ermuntert worden, für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren, schrieb Heil schrieb in einer Erklärung, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Er habe sich aber entschieden, nicht zu kandidieren. Der Fraktionschef brauche „die ausdrückliche Unterstützung der Parteispitze“. Auf gut Deutsch heißt das: Klingbeil und Co-SPD-Chefin Saskia Esken, 63, vertrauen Heil nicht. So ist das wohl. Heil ist, wie Klingbeil, Miersch und der vermutlich bleibende Verteidigungsminister Boris Pistorius, 65, Niedersachse, und wird nun die erste Reihe der Politik verlassen.

Plötzlicher Nachfolger Kevin Kühnerts

Miersch hatte im Oktober 2024 den plötzlich zurückgetretenen Generalsekretär Kevin Kühnert abgelöst, der sich eigentlich aus der Politik zurückziehen wollte, in jüngster Zeit aber öffentlich wieder präsenter ist. Gerade einmal einen Monat im Amt zerfiel die Ampel-Koalition. Miersch musste den Wahlkampf beschleunigen. Die erneute und von ihm mit verstolperte Nominierung von Kanzler Olaf Scholz, 66, fiel in diese Zeit, drei Monate später die krachende Wahlniederlage von 16,4 Prozent.

Wertschätzung in der Union

Miersch selbst verteidigte bei der Wahl am 23. Februar seinen Wahlkreis Hannover Land II, diesmal recht knapp vor dem CDU-Kandidaten Tilman Kuban. Miersch holte 31,8 Prozent, Kuban 30 Prozent. An den Koalitionsverhandlungen nahm Miersch teil, knüpfte Kontakte in die Union, etwa zum designierten Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU). In der Union wird positiv über den SPD-Linken Miersch geredet.

In der SPD-Fraktion, deren stellvertretender Vorsitzender Miersch lange war, gilt er als beliebt. Miersch ist extrem erfahren und bestens vernetzt ist – in der Partei, Fraktion, bei Ministerpräsidenten und Landesverbänden. Er genießt den Ruf, inhaltlich breit aufgestellt zu sein. Lange bearbeitete er die Themen Umwelt, Klimaschutz, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Intellektuelle Ausstrahlung

Miersch hat eine intellektuelle Ausstrahlung, gilt für manche als wenig nahbar. Die Kunst zur Zuspitzung, eigentlich das Kerngeschäft eines Generalsekretärs, ist seine Sache nicht. Vielleicht steht ihm hier der politische Verstand im Weg.

Die SPD-Fraktion zu führen – das wird ein Knochenjob. Partei wie Fraktion haben den Wunsch, in und neben der Regierung Merz/Klingbeil erkennbar zu sein.

Harter Konkurrent und Kollege

Vor allem aber wird es Miersch mit einem Amtskollegen an der Spitze der Unionsfraktion zu tun haben, der ebenfalls auf ein eigenes Profil von Fraktion und seiner selbst achten wird: Jens Spahn, 44, jünger als Miersch, länger im Bundestag – vor allem aber ausgestattet mit dem unbedingten Willen zur Macht, womöglich zur Kanzlerschaft.

Dass Miersch nicht immer rhetorisch galant agiert, war neulich im Willy-Brandt-Haus zu beobachten, während er am Mittwoch das Ergebnis des Mitgliedervotums präsentierte. Zweimal wurde er nach der Rolle von Co-SPD-Chefin Esken bei der Erstellung der SPD-Ministerliste gefragt, zweimal lavierte er. Die miserable Beteiligung am SPD-Mitgliedervotum (56 Prozent diesmal nach jeweils über 78 Prozent 2013 und 2018) versuchte er zu vernebeln.

Besuch auf Schröders Party

In den Fokus der Öffentlichkeit dürfte nun noch einmal Mierschs freundschaftliches Verhältnis zu Ex-Kanzler Gerhard Schröder geraten. Die beiden Männer kennen sich seit Mierschs Studium, beide sind Rechtsanwälte, beide stammen aus Hannover. Vor gut einem Jahr nahm Miersch an einer privaten Party zu Gerhard Schröders 80. Geburtstag teil. Leicht lächelnd und schweigend, auch auf Reporterfragen, verließ Matthias Miersch im April 2024 das „Borchardt“. Schröder gilt spätestens seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als Persona non grata.

Die SPD hatte ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder angestrengt, allerdings erfolglos. Schröder hält vehement an seiner Freundschaft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin fest.

Im vorigen Jahr veranstaltete Miersch, Chef des SPD-Bezirks Hannover, eine nicht-öffentliche Feier für Schröder zu dessen 60-jähriger Parteimitgliedschaft, hielt da ein Grußwort. „So steht es in den Statuten“, verteidigte er die Ehrung. Miersch distanzierte sich von Schröders Putin-Nähe, und verteidigte dessen Leistungen als Kanzler.

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