Eine ultraorthodoxe Abgeordnetengruppe hat aus Protest den Austritt aus Israels Regierung angekündigt. Premier Benjamin Netanjahu bliebe damit eine knappe Mehrheit.
15. Juli 2025, 3:30 Uhr Quelle: DIE ZEIT, Reuters, dpa, spr
Die ultraorthodoxe Partei Vereinigtes Thora-Judentum (UTJ) hat ihren Austritt aus der israelischen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angekündigt. Als Grund für den Austritt nannten die Abgeordneten ihren Unmut über den Umgang mit einem Gesetzesentwurf zur Befreiung von Thora-Studenten vom Militärdienst.
Mit dem Austritt der Abgeordneten hätte Netanjahu nur noch eine Mehrheit von 61 Sitzen im 120 Sitze zählenden Parlament. Wie die Zeitung Times of Israel berichtet, tritt der Austritt allerdings erst nach 48 Stunden in Kraft. Dem Bericht zufolge bleibt Netanjahu somit theoretisch Zeit, die Abgeordneten wieder umzustimmen.
Zuvor hatten ultraorthodoxe Parteien israelischen Medienberichten zufolge bereits gedroht, das Regierungsbündnis zu verlassen. Neben der Partei Vereinigtes Thora-Judentum mit sieben Abgeordneten gehört bislang auch die ultraorthodoxe Schas-Partei mit elf Sitzen zur Regierungskoalition. Sollten beide Parteien die Regierung verlassen, würde Netanjahu die Mehrheit im Parlament verlieren. Medien zufolge wollten die Parteien die Regierung aber nicht stürzen. Es war nicht das erste Mal, dass die streng religiösen Parteien mit einem Ausscheiden aus der Koalition drohten.
Die Regelung sorgt für wiederkehrende Debatten
Die jahrzehntelange Ausnahme für ultraorthodoxe Seminaristen von der allgemeinen Wehrpflicht war im vergangenen Jahr vom Obersten Gerichtshof gekippt worden. Das Gericht hatte entschieden, dass das Verteidigungsministerium diesen Personen keine pauschale Befreiung aus religiösen Gründen mehr gewähren darf und der Staat mit der Einberufung ultraorthodoxer jüdischer Studenten beginnen muss. Das Militär kündigte daraufhin an, jährlich etwa 3.000 Ultraorthodoxe rekrutieren zu wollen.
Angesichts des Kriegs im Gazastreifen und weiterer Einsätze hatte das israelische Militär Anfang Juli dieses Jahres die politisch umstrittene Einberufung von 54.000 ultraorthodoxen jüdischen Seminarstudenten angekündigt. Es sollten zwar wegen religiöser Belange besondere Vorkehrungen getroffen werden, aber die Einberufung sollte laut Militär noch im Juli beginnen.
Seit der Staatsgründung Israels 1948 waren auch ultraorthodoxe Juden zum Studium religiöser Schriften von der allgemeinen Wehrpflicht befreit. Allerdings lebten damals noch sehr wenige Ultraorthodoxe in Israel. Mittlerweile ist deren Bevölkerungsanteil auf 13 Prozent gestiegen. Die Regelung sorgt seit Jahren für heftige Debatten in Israel.
Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Es gibt aber auch ultraorthodoxe Männer und streng religiöse Frauen, die freiwillig dienen. Am Streit über ein Gesetz, das schrittweise mehr streng religiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war 2018 eine Regierungskoalition zerbrochen.