Für viele Deutsche ist Erfolg im Spitzensport vorwiegend mit Wettkampfplatzierungen und Bestleistungen verknüpft. Von der Sportförderung in Deutschland erwarten sie aber auch gesellschaftliche Strahleffekte. Das ist das Ergebnis einer Studie des Sinus-Instituts im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) und des Interessenverbands Athleten Deutschland.
»Es ist eine wegweisende Studie, sie liefert uns einen Datenschatz«, sagte der DOSB-Vorstand für Leistungssport, Olaf Tabor: »Medaillen sind wichtig, aber sie sind nicht nur das Einzige, worum es im Leistungssport geht.« Die Studie sei eine Folge des Arbeitsprozesses an einer Leistungssportreform: »Damals kam auf, dass es eine Zieldebatte geben sollte.« Die Studie soll nun eine Diskussionsgrundlage darstellen.
Laut der repräsentativen Umfrage unter mehr als 1500 Menschen wurden vor allem drei Aspekte von den Befragten als Erfolg im Spitzensport definiert: das Erreichen persönlicher Bestleistungen (92 Prozent der Befragten sagten, dass diese Antwortmöglichkeit voll und ganz oder eher zutreffe), Erfolg in Wettbewerben und Meisterschaften (92 Prozent) sowie die Teilnahme an Wettbewerben und Meisterschaften (91 Prozent). (Hier können Sie die gesamte Studie durchlesen. )
»Die Gesellschaft verknüpft vielfältige Erwartungen mit dem Leistungssport«
Bei der Frage, was die Deutschen von der deutschen Sportförderung erwarten, kommen jedoch andere Aspekte ins Spiel, der Breitensport gerät mehr in den Blickpunkt. Dort stehen die Sicherstellung von ethischem Verhalten im Sport (94 Prozent Zustimmung), die Stärkung der Kinder- und Jugendarbeit in den Vereinen (94 Prozent) und die Förderung des Zusammenhalts in der Gesellschaft (91 Prozent) auf den ersten drei Plätzen.
»Die Gesellschaft verknüpft vielfältige Erwartungen mit dem Leistungssport«, teilt Maximilian Klein von Athleten Deutschland mit: Zentral sei die Frage, »welche sportlichen und gesellschaftlichen Ziele mit der staatlichen Leistungssportförderung verfolgt werden sollen – und wie sie tatsächlich erreicht werden können.«
88 Prozent der Befragten behaupteten, dass sie sich gut mit dem Leistungssport auskennen oder zumindest mehr oder sich weniger etwas unter dem Begriff vorstellen können. 58 Prozent offenbarten Interesse am Thema. Sie schreiben dem Sport generell vielfältige gesellschaftliche Funktionen zu, wie etwa Zusammenhalt oder Wertevermittlung.
Interessant: Offenbar wissen die Deutschen nicht allzu viel über die Struktur der Mittelvergabe im Spitzensport. Nur drei Prozent der Befragten sagten, dass sie sich gut damit auskennen, 42 Prozent antworteten, dass sie mehr oder weniger wissen, worum es sich handele. Mehr als der Hälfte aller Befragten sagte der Begriff nichts. Trotz dieser Unkenntnis halten 74 Prozent der Befragten die Förderung für wichtig.
Einkommensschwache sehen Steuerfinanzierung kritischer
Der deutsche Sport kämpft ständig um mehr Mittel. Für die politische Lobbyarbeit hatte der DOSB zuletzt Volker Bouffier eingestellt. Der ehemalige CDU-Ministerpräsidenten sollte für die Belange des Sports in der neuen Regierung werben, insbesondere für die Unterstützung einer Olympia-Bewerbung und die Beachtung der Sportstättensanierung bei der Vergabe der Mittel aus der gewaltigen 500-Milliarden-Neuverschuldung.
Die Studie untersuchte auch, wie unterschiedliche Milieus auf den deutschen Spitzensport schauen. Tendenziell interessieren sich eher jüngere Menschen dafür, die Studie belegt zudem Unterstützung vor allem in leistungsorientierten und einkommensstarken Milieus. Einkommensschwache stehen dem Spitzensport eher kritischer gegenüber, insbesondere in der Frage der Finanzierung über Steuermittel. Für Klein von den Athleten Deutschland müssen die Mehrwerte der Förderung »für möglichst viele Gesellschaftsgruppen sichtbar und erlebbar sein«, damit »der Leistungssport langfristig Rückhalt findet«.
Die Frage, wie man deutsche Spitzensportler und Verbände am effektivsten finanzieren kann, beschäftigt DOSB und Politik schon lange. Im vergangenen Jahr war die Umsetzung einer über Jahre mühevoll ausgearbeiteten Reform der Spitzensportförderung am Zusammenbruch der Ampel gescheitert. Der Gesetzentwurf sah damals die Einführung einer Agentur vor, die die Mittelvergabe steuern sollte. Die neue Bundesregierung ist in dieser Frage bisher nicht weitergekommen.
»Es geht um einen international erfolgreichen Leistungssport, von dem der organisierte Sport und unsere Gesellschaft gemeinsam profitieren«
Olaf Tabor, DOSB-Vorstand für Leistungssport
Doch auch der DOSB steht unter Rechtfertigungsdruck: Trotz einer Steigerung der staatlichen Zuwendungen sank die Medaillenausbeute stetig. 2016 betrug das Budget rund 167 Millionen Euro, 2024 waren es 280, für 2025 ist eine Aufstockung auf 331 Millionen geplant. Entgegengesetzt läuft es bei den Medaillen: In Rio 2016 waren es noch 44, in Tokio 37 und zuletzt bei den Spielen in Paris nur 33.
Vor diesem Hintergrund ist sicherlich auch die Lesart der Studienergebnisse durch DOSB-Verantwortliche und Athleten Deutschland zu betrachten. Diese waren bemüht, den Mehrwert des Spitzensports für die Gesellschaft (und damit die Rechtfertigung für die Finanzierung) nicht nur anhand der Medaillenausbeute zu bewerten, sondern auch an den anderen in der Studie genannten Effekten. »Es geht um einen international erfolgreichen Leistungssport, von dem der organisierte Sport und unsere Gesellschaft gemeinsam profitieren«, sagte auch DOSB-Vorstand Tabor.