Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.
Wichtige Updates
Grüne für Sondersitzung nächste Woche
Spahn betont nach Richterwahl Willen zur Stabilität
Klingbeil kritisiert Union nach geplatzter Richterwahl
SPD-Fraktionsspitze attackiert Union
Klöckner schlägt Richterwahl im September vor
SPD will Richterkandidatin vor Unionsfraktion auftreten lassen
Im Streit um die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht will die SPD auf die Union zugehen und ihre Kandidatin vor der CDU/CSU-Fraktion auftreten lassen. Dies geht aus einem Vorabbericht der Bild-Zeitung hervor. Die Juristin würde sich persönlich den Fragen der Abgeordneten stellen, um deren Bedenken auszuräumen, berichtet die Bild vorab. Zuvor war am Freitag die Wahl von drei Verfassungsrichtern durch den Bundestag abgesagt worden, weil die Union befürchtete, ihre Abgeordneten würden der SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf die Mehrheit verweigern.
Nach einem Tagesspiegel-Bericht schaltete sich am Abend Parteivorstand und Bundestagsfraktion der SPD zu einer Videokonferenz Sitzung zusammen. Aus Teilnehmerkreisen hieß es laut Tagesspiegel, Brosius-Gersdorf stehe für ein offenes und klares Gespräch mit der Spitze der Union bereit.
Kanzleramtschef Thorsten Frei zeigt sich optimistisch
Nach der geplatzten Wahl von drei Verfassungsrichtern setzt die Union auf ein baldiges Einvernehmen mit der SPD. „Ich bin sicher, dass die Koalitionsfraktionen über den Sommer eine tragfähige Lösung finden werden“, sagte Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Justizministerin: Absage der Richterwahl verantwortungslos
Durch die abgesagte Richterwahl im Bundestag ist aus Sicht von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) ein Schaden verursacht worden, der vermeidbar gewesen wäre. „Wer gezielt Ämter und Personen beschädigt, gefährdet die Integrität unseres demokratischen Gemeinwesens“, sagte die Ministerin der Rheinischen Post. „Der Vorgang ist beispiellos und verantwortungslos und produziert sehr viele Verlierer.“
Für die Besetzung des Amts eines Richters oder einer Richterin am Bundesverfassungsgericht existiere ein etabliertes Verfahren, das sich über Jahrzehnte bewährt habe. Dieses Verfahren sei jetzt ohne Not beschädigt worden, ebenso wie eine sehr gute Kandidatin und anerkannte Wissenschaftlerin.
Grüne für Sondersitzung nächste Woche
Die Grünen-Fraktion fordert eine Sondersitzung des Bundestages in der kommenden Woche, um die abgesagte Wahl von drei Richtern für das Bundesverfassungsgericht nachzuholen. „Wir erwarten, dass CDU/CSU und SPD in der Lage sind, die notwendige demokratische Mehrheit für ihre eigenen Vorschläge im Deutschen Bundestag sicherzustellen“, heißt es in der Erklärung der Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge.
Die Absetzung der Wahl habe gezeigt, dass die Koalition „in eine schwere Krise“ gestürzt sei. Dass die Wahl nicht auf die lange Bank geschoben wird, sei auch eine Frage des Respekts gegenüber den drei Kandidaten und dem Gericht.
Spahn betont nach Richterwahl Willen zur Stabilität
Unionsfraktionschef Jens Spahn hat nach dem vorläufigen Scheitern der Richterwahl im Bundestag das Interesse der Union an einem stabilen Bündnis mit dem Koalitionspartner SPD hervorgehoben. Man habe in den vergangenen Wochen Stabilität gezeigt, sagte der CDU-Politiker nach Angaben von Teilnehmern in einer Sondersitzung der Unionsfraktion. Spahn wurde mit den Worten zitiert: „Das bleibt der Auftrag.“ Man habe heute gesehen, wie groß die Herausforderung sei, sagte Spahn demnach. Die Union wolle Deutschland gut regieren, der Auftrag gelte unverändert. Man tue „alles dafür, dass das gelingt“.
Parlamentsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) kritisierte nach der Sitzung, SPD und Grüne seien nicht bereit gewesen, den von der Union vorgeschlagenen Kandidaten Günter Spinner und die von der SPD nominierte Juraprofessorin Ann-Katrin Kaufhold ans Bundesverfassungsgericht zu wählen. Mit Blick auf Spinner sprach sie von Blockade: „Es ist für mich ein Unding, dass ein Richter, der von den Richtern des Bundesverfassungsgerichtes vorgeschlagen wird, hier heute nicht gewählt wird.“ Dafür habe es keinen nachvollziehbaren Grund gegeben.
Klingbeil kritisiert Union nach geplatzter Richterwahl
SPD-Chef Lars Klingbeil hat nach der geplatzten Wahl von Verfassungsrichtern Kritik an der Union geäußert. Führung und Verantwortung seien nichts für Sonntagsreden. „Sondern wenn hier strittige Abstimmungen sind, dann muss es Führung und Verantwortung auch geben“, sagte der Bundesfinanzminister in einer Haushaltsrede im Bundestag. Das bedeute auch, dass man manche schwierigen Entscheidungen mittragen müsse. „Das ist der Wert eines Kompromisses.“ Klingbeil sprach von einer „sehr klaren Erwartung“.
Wegen massiven Widerstands in der Unionsfraktion gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf wurden die Abstimmungen über die insgesamt drei Vorschläge für das Bundesverfassungsgericht kurzfristig von der Tagesordnung genommen. In der Unionsfraktion gibt es gegen Brosius-Gersdorf Vorbehalte unter anderem wegen ihrer aus Sicht mancher Abgeordneter zu liberalen Haltung zu Abtreibungen. Hinzu kamen Hinweise eines "Plagiatsjägers" zu ihrer Doktorarbeit.
Klingbeil sagte, die Gleichheit der Geschlechter und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen hätten in Deutschland zu Recht Verfassungsrang. „Das zu schützen ist übrigens Aufgabe von Richterinnen und Richtern, erst recht am Bundesverfassungsgericht.“ Es habe in Deutschland immer Kontroversen zum Paragraphen 218 und zu Fragen der Abtreibung gegeben. Die SPD habe eine klare Position. „Aber wir respektieren andere Meinungen.“ Das Land gehe „kaputt“, wenn politische Debatten immer nach dem Motto geführt würden: Wer nicht zu 100 Prozent der eigenen Meinung sei, sei ein Gegner, so der SPD-Chef.
„Wenn eine Richterin eine kritische Position zu 218 hat, dann ist das mehr als legitim in unserem Land. Das Bundesverfassungsgericht ist eine der wichtigsten Institutionen unseres Landes, und es lebt von Unabhängigkeit und von Vertrauen“, sagte Klingbeil. Es habe im Bundestag immer einen breiten Konsens der demokratischen Mitte gegeben zur Ernennung von Richterinnen und Richtern. „Und das ist heute nicht passiert.“
SPD-Fraktionsspitze attackiert Union
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede stellen sich hinter Frauke Brosius-Gersdorf und kritisieren die Union: „Wir werden gerade Zeuge, wie eine hoch qualifizierte Kandidatin mit makellosem Werdegang und breiter fachlicher Anerkennung Opfer einer Schmutzkampagne wird, die haltlos ist“, teilte Wiese mit. „Das Problem heute ist, dass die Unionsführung die nötige Mehrheit in ihren eigenen Reihen nicht sicherstellen konnte.“
Fraktionsvize Eichwede sagte, die SPD hätte dem Unionsvorschlag, Günter Spinner zum Verfassungsrichter zu wählen, zugestimmt - "auch aus staatspolitischem Pflichtbewusstsein". "Die Union war nicht bereit, diesen gemeinsamen Geist zu tragen.“ Es gebe „eine gefährliche Politisierung der Richterwahlen“, sagte Eichwede. „Konservative und rechte Kräfte haben in den vergangenen Tagen ein Spiel mit dem Feuer entfacht, das nur schwer zu löschen sein wird.“ Die Richterwahl für das höchste deutsche Gericht dürfe „nicht zur Bühne moralpolitischer Kulturkämpfe verkommen.“
Chaos im Bundestag bedeutet für Richter in Karlsruhe: Weiterarbeiten
Dass sich die Wahl und damit auch die Berufung der Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht verzögert, hat Auswirkungen auf die aktuelle Arbeit in Karlsruhe. Die Regel für die Länge der Amtszeit der Richter dort ist klar geregelt: Grundsätzlich endet sie nach zwölf Jahren oder nach der Vollendung des 68. Lebensjahres. Wirklich aufhören dürfen die Richterinnen und Richter aber erst, wenn eine Nachfolge gefunden ist. Die Sitze dürfen nicht vakant sein.
Auf die Arbeitsfähigkeit des Gerichts kann das Chaos im Bundestag bei der Richterwahl ebenfalls Auswirkungen haben. Das Bundesverfassungsgericht wird in dieser Phase wohl keine größeren und sehr komplizierten Verfahren anstoßen, die lange dauern. In dieser Zeit soll es im Idealfall keine Wechsel auf den Richterposten geben.
Klöckner schlägt Richterwahl im September vor
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner wirbt dafür, die verschobene Wahl der Verfassungsrichter in der nächsten regulären Sitzungswoche nachzuholen – also im September. Es bleibe die Verantwortung des Parlaments, zu einer Entscheidung zu kommen, sagte die CDU-Politikerin. „Die Fraktionen sind jetzt aufgerufen, sich darüber zu verständigen, mit welchem Vorschlag sie dann in die Wahl gehen möchten.“
Sollte es einen neuen Personalvorschlag geben, müsse zunächst der Richterwahlausschuss erneut entscheiden. „Und ich appelliere an alle Fraktionen jetzt, diesen Tag heute auch zum Innehalten zu nutzen“, sagte Klöckner. In der Diskussion sei öffentliche Zurückhaltung nötig. Die Wahl von Richterinnen und Richtern für das oberste Gericht sei Aufgabe des Parlaments. „Und ein Parlament sollte sich diese Aufgabe nicht aus der Hand nehmen lassen.“
Frust in der SPD-Fraktion
Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh spricht nach der Sondersitzung seiner Fraktion von einem „gravierenden Vorgang“. Die Richterwahl sei mit der Union ausgiebig vorbesprochen worden, aber es sei fraglich, „ob die Absprachen halten“. Die SPD müsse der Union klarmachen, dass es so nicht weitergehen könne.
SPD-Mann Wiese: „Kein guter Tag für die Demokratie“
Jetzt debattiert der Bundestag über seine Geschäftsordnung. Das erste Wort hat Dirk Wiese, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD. Dieser drückt sein Bedauern über den Verlauf dieses Vormittags aus. Es bedrücke ihn zutiefst, dass Entscheidungen über die Besetzung des höchsten deutschen Gerichts politisiert würden. Er fühle sich an die Situation in den USA erinnert, sagt er. Es sei „kein guter Tag für die Demokratie“. Für seine Rede bekommt Wiese viel Applaus, vor allem aus der SPD, aber auch von Grünen und den Linken. Die Unionsfraktion bleibt während und nach der Rede still.
Sein Kollege von der Union, Steffen Bilger, rechtfertigt den Entschluss der Union. Es gebe Zweifel über die fachliche Expertise der Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Kandidaten für das Verfassungsgericht müssten aber über jeden Zweifel erhaben sein. Daher wolle man die Abstimmung von der Tagesordnung nehmen.
Union und SPD nehmen Richterwahl von der Tagesordnung
Der Bundestag stimmt mehrheitlich für den Antrag von Union und SPD, damit ist die Richterwahl offiziell von der Tagesordnung. Im Plenum geht es weiter mit Haushaltsberatungen, Arbeitsministerin Bärbel Bas stellt ihren Etat vor. Hinter den Kulissen gehen aber die Debatten darüber weiter, was da heute im Bundestag passiert ist. Dass sich Union und SPD nicht auf die Wahl von Verfassungsrichtern einigen konnten, ist für die Regierung und die Regierungsfraktionen eine schwere Belastungsprobe – und das am letzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause.
Plagiatsprüfer Weber: „Es geht hier nicht um ein Plagiat“
Der Plagiatsprüfer Stefan Weber erhebt keinen Plagiatsvorwurf gegen die Verfassungsgerichtskandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. „Es geht hier nicht um ein Plagiat, sondern um mögliche unethische Autorenschaft“, sagte Weber der Süddeutschen Zeitung. Der umstrittene „Plagiatsjäger“ Weber hat bereits eine Reihe von Vorwürfen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens erhoben, er ist dafür bekannt, strenge Maßstäbe anzulegen, Hochschulen folgten seinen Vorwürfen in vielen Fällen nicht.
Die wörtlichen Übereinstimmungen in der Dissertation von Brosius-Gersdorf und in der Habilitationsschrift ihres Mannes Hubertus Gersdorf könnten nach seinen Worten beide zusammen formuliert haben, sie hätten dies allerdings kennzeichnen sollen. „Das sind Textparallelen, die auf eine mögliche, verborgene Zusammenarbeit hinweisen“, sagte Weber. Auf die Frage, ob er eine Aberkennung des Doktorgrades für gerechtfertigt halte, sagte Weber: „Die Frage wird sein, wie viel findet man.“ Er habe erst vorgestern zusammen mit einem Mitarbeiter mit der Prüfung der Doktorarbeit begonnen. Er hatte seinen Verdacht am Donnerstagabend auf der Plattform X veröffentlicht.
Der Plagiatsprüfer aus Salzburg bestätigte, dass die Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf 1997 veröffentlicht wurde, die Habilitationsschrift ihres Mannes erst 2000, drei Jahre später. Beide hätten jedoch teilweise zur gleichen Zeit an den Publikationen gearbeitet, die spätere Veröffentlichung der Arbeit ihres Mannes sei deshalb kein Beweis dafür, dass nur er Formulierungen von ihr übernommen haben kann und nicht umgekehrt. Weber bietet kommerziell die Prüfung wissenschaftlicher Arbeiten an. Nach eigenen Angaben hat er den Prüfbericht zu Brosius-Gersdorf allerdings „ehrenamtlich“ erstellt.
Bundesrat stimmt Wachstumspaket zu
Während im Bundestag an diesem Freitag nichts nach Plan läuft und über das weitere Prozedere beraten wird, hat der Bundesrat erwartungsgemäß dem sogenannten Wachstumspaket, also milliardenschweren Steuerentlastungen für Unternehmen zugestimmt.
Die Länder verlangten dafür einen finanziellen Ausgleich, vor allem für die teils hoch verschuldeten Kommunen. Der Bund übernimmt die Steuerausfälle der Kommunen vollständig - befristet bis 2029. Weil die Bundesregierung nicht einfach Geld an die Länder überweisen darf, passiert das über die Verteilung der Mehrwertsteuer-Einnahmen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte im Bundesrat, es sei dringend nötig, wieder für Wachstum zu sorgen. Davon profitierten finanziell alle staatliche Ebenen. „Wir müssen Deutschland für private Investitionen möglichst schnell wieder attraktiver machen.“
Merz bietet Ländern und Kommunen enge Zusammenarbeit an
Bundeskanzler Friedrich Merz hat Ländern und Kommunen eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit angeboten. „Denn wir tragen die Verantwortung für eine gute Zukunft in Deutschland und Europa gemeinsam“, sagte der CDU-Vorsitzende in seiner Antrittsrede im Bundesrat. „Wir im Bund brauchen und wollen Sie in den Ländern genauso wie die Kommunen als kraftvolle Partner.“
Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) erwiderte, die Länderkammer trage laut Grundgesetz eine große Verantwortung. „Wir sind bereit, dieser Verantwortung gerecht zu werden.“