
Ben Healy fährt auf der zehnten Etappe ins Gelbe Trikot
Foto:Sarah Meyssonnier / REUTERS
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Quatorze Juillet: Frankreich feiert sich an diesem 14. Juli einmal mehr selbst, und wie kann das angemessener passieren als mit einer Tour-Etappe? Am Montag ist normalerweise der erste Ruhetag der Rundfahrt, aber nicht, wenn der Nationalfeiertag ansteht. 38 Franzosen sind im Fahrerfeld 2025 gemeldet, von jedem dieser 38 erwartet die Grande Nation an diesem Tag einen besonderen Auftritt: den Etappensieg am Quatorze Juillet. Aber es bleibt dabei: Frankreich geht bei dieser Tour de France bislang leer aus. Aber dessen ungeachtet: Abertausende säumten die Straßen bei den Anstiegen am Montag und hatten teilweise ihre Position schon Tage zuvor bezogen. Die Tour de France an solchen Tagen ist im Sport mit wenig anderem zu vergleichen. Vive la France, Vive le Tour!

Der strahlende Tagessieger Simon Yates
Foto: Sarah Meyssonnier / REUTERSDie 10. Etappe: Die 163 Kilometer durchs Massif Central von Ennezat zum Puy de Sancy mit acht (!) Bergwertungen war die erwartete Plackerei, nach der sich die Fahrer den auf Dienstag verschobenen Ruhetag wahrlich verdient haben. John Degenkolb, der in diesem Jahr fehlende Tour-Routinier aus Deutschland, hat gesagt: »Die Fahrer werden diesen Ruhetag auf Knien herbeisehnen.« Der Ire Ben Healy wird diesem Tag eher auf Knien danken, er fuhr in einer Ausreißergruppe so viel Vorsprung heraus, dass er das Gelbe Trikot von Topfavorit Tadej Pogačar übernahm. Die Etappe gewann sein Mitausreißer Simon Yates, der Sieger des Giro d'Italia. 2025 ist sein Jahr.
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Aus 29 mach 16 mach 11 mach 5: Früh hatte sich eine große Ausreißergruppe mit 29 Fahrern platziert, sie prägte die gesamte Etappe. Angesichts des hügeligen Verlaufs wurde die Gruppe immer kleiner, 15 Kilometer vor Schluss waren noch fünf Fahrer übrig geblieben – mit dem Vorsprung von mehr als fünf Minuten auf die Favoriten. Da war klar: Ben Healy, der in dieser Gruppe war, wird der neue Träger des Gelben Trikots. Der erste Ire in Gelb seit Stephen Roche 1987. Mit 29 Sekunden Vorsprung liegt er jetzt im Gesamtklassement vor Pogačar. Die beiden Topfahrer Pogačar und Jonas Vingegaard belauerten sich und kamen zusammen ins Ziel.
Rien ne va plus: Die Stürze der Vortage fordern ihren Tribut. Am Sonntag musste Pogačars Edelhelfer Joao Almeida, der Vorjahresvierte im Gesamtklassement und Gewinner der Tour de Suisse, aufgeben, nachdem er sich am Freitag bei einem Sturz einen Rippenbruch zugezogen hatte. Auch Georg Zimmermann steckte am Montag noch vor Etappenstart auf. Am Sonntagabend wurde er nach seinem schweren Sturz von seinem Team Intermarché noch als Held des Tages gefeiert, weil er danach wieder aufs Rad stieg und mit Verspätung ins Ziel rollte.
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Die weitaus größere Heldentat für einen Sportler ist allerdings einzusehen, wenn es nicht mehr weitergeht. In der Nacht entwickelte Zimmermann Symptome einer Gehirnerschütterung, danach ließ man beim Team und bei ihm selbst Vernunft einkehren. Das mythische Abfeiern, sich mit Schmerzen weiterzukämpfen, ist Teil der Sport-Folklore. Es wird höchste Zeit, es zu entsorgen.

Die Tour beim Start in Ennezat
Foto: Jasper Jacobs / Belga / IMAGODas Wasser reichen: Der Begriff vom Wasserträger gehört zum Profiradsport dazu, jene Teammitglieder, die nur eine Aufgabe während der Rundfahrt haben: den eigenen Kapitän zu unterstützen, eigene Ambitionen dafür komplett zurückzustellen. Der Deutsche Nils Politt aus dem UAE-Team von Pogačar ist ein Paradebeispiel für diesen unverzichtbaren Fahrertyp, Politt, wegen seiner unablässigen Arbeit von ARD-Experte Fabian Wegmann »der Traktor« getauft. Der Montag war ein Tag, der die Wasserträger ehrte: Die Etappe führte durch den Ort Volvic. Die Durchfahrt durch das Städtchen wurde von der Tour-Regie aber nur kurz gezeigt, der Wassersponsor der Tour ist schließlich ein anderer, nämlich Vittel.

Der Traktor Nils Politt bei der Arbeit
Foto: Luca Bettini / Photo News / IMAGOLand und Leute: Das Zentralmassiv mag unwirtlich wirken, aber wer die Region im Schatten des mächtigen Vulkankegels Puy de Dome kennt, weiß es besser. Eine perfektere Gegend zum Wandern gibt es in Frankreich nicht. Und zum Kuren auch nicht, wie schon Majestix, Kurgast in »Asterix und der Avernerschild«, bezeugte. Hauptort der Region ist Clermont-Ferrand, Sitz des Reifenherstellers und langjährigen Formel-1-Sponsors Michelin, dazu passend wurden der Rennfahrer Patrick Depailler und Lolo Ferrari in dieser Stadt geboren. Viermal wurden in der Formel 1 bei Clermont-Ferrand sogar Formel1-Rennen ausgetragen: Mit Siegen von Jim Clark, Jackie Stewart und 1970 Jochen Rindt, zwei Monate später starb der Österreicher in Monza. Ein Stück des damaligen Kurses war heute Teil der Etappe.

Die Strecke führte auch über den ehemaligen Formel-1-Kurs von Clermont-Ferrand
Foto: Marco Bertorello / AFPDie fabelhafte Welt des Ben Healy: Aus der Region der heutigen Etappe stammen Audrey Tautou, die fabelhafte Amelie, und Rufus, der in diesem Film, der wie ein Bonbon ist, den Vater von Amelie Poulin spielt. Der Film, der dem Toursieg von Federico Bahamontes eine kleine Hommage widmet. Der Film mit dem Satz: »Das Glück ist wie die Tour de France. Man wartet und wartet, und auf einmal rast es vorbei.« So wahr.
Was macht Antwerpes? Die Auvergne ist eine klassische Käseregion. Der Cantal, der Saint-Nectaire, der Bleu d'Auvergne – und was macht Michael Antwerpes, anerkanntermaßen der Käse-Experte der ARD? Statt sich in Clermont-Ferrand durch die Käsetheke durchzuprobieren, hält er sich an das rein Sportliche. Schwere Produktenttäuschung.

Der Franzose Lenny Martinez fuhr heute ins Bergtrikot
Foto: Luca Bettini / Belga / IMAGODer Mann in den Bergen: Einen Etappensieger konnten die Franzosen wieder nicht vermelden, Grund zum Feiern gab es dennoch: Lenny Martinez sicherte sich das Bergtrikot. Bei acht Bergwertungen war es clever, sich die heutige Etappe für einen Ausreißversuch aufzusparen. So sammelte er so viele Wunschpunkte, dass er am Abend das Trikot mit den vielen roten Punkten überstreifen konnte.
Bon Appetit: Wir sind in den Bergen, wer dort früher überleben wollte, musste deftig essen. Oder, wie es in der Auvergne heißt: »Um zu vermeiden, dass Ihnen kalt wird, müssen Sie sich gut ernähren.« Kartoffeln sind hier angesagt, in jeder Darreichungsform. Als Aligot, ein Kartoffelbrei mit Käse, als Truffade, in Scheiben geschnittene Kartoffeln aus der Pfanne mit Wurst, Käse und Schinken, als Beilage für die grünen Linsen aus Le Puy, als Potée d'Auvergne, ein Eintopf, in das man alles hereinwirft, was man ernten kann. Die Kuttelwurst klingt, ohne sie je persönlich probiert zu haben, allein vom Namen her schon so, als sei sie eher etwas für Hartgesottene.
Erkenntnis der Etappe: Für die abwechslungsreiche Etappe mit ihrem ständigen Auf und Ab gibt es mindestens drei Michelin-Sterne. Für die Performance der Topfahrer immerhin noch zwei.
So gehts weiter: Am Dienstag hängt an der Tour de France das Schild »Aujourdhui fermé«, heute geschlossen. Der erste Ruhetag steht an. Am Mittwoch wird gesprintet, von Toulouse nach Toulouse, also tous to Toulouse. Ab Donnerstag türmen sich die Pyrenäen auf, es beginnt mit der Etappe hinauf nach Lourdes-Hautacam, und die Sprinter können in Lourdes nur noch eine Kerze anzünden, dass sie das Hochgebirge überstehen.