Der Landesvorstand der SPD Baden-Württemberg hat am Montagabend seine Kandidaten für den Bundesvorstand nominiert. Die amtierende Parteichefin Saskia Esken ist nicht darunter. Das erfuhr die Süddeutsche Zeitung von mehreren beteiligten Personen. Demnach hat Esken nicht an der digitalen Vorstandsschalte teilgenommen und hatte im Vorfeld auch nicht darum gebeten, von ihrem Landesverband nominiert zu werden.
„Wir machen als SPD Baden-Württemberg mit unserem Personalvorschlägen ein gutes Angebot, um Teil der Erneuerung der SPD zu sein“, sagte Landeschef Andreas Stoch der SZ. In der Sitzung hatte er zuvor erklärt, dass es zwar eine Debatte zur Personalie Esken gebe, gleichzeitig aber betont, dass man sich dazu als Landesvorstand nicht verhalten müsse. Das Gremium treffe heute keine Entscheidung für oder gegen Saskia Esken, soll Stoch weiter gesagt haben, da sie sich schlicht noch nicht erklärt habe, ob sie überhaupt wieder für den Bundesvorsitz kandieren wolle. Das ist auch ohne formale Unterstützung des Landesverbands möglich; das Parteipräsidium müsste sie dann für eine Wiederwahl vorschlagen.
Statt Esken nominierte das Gremium am Montagabend ein weiteres Mal Stoch, der dem Bundesvorstand bereits seit 2019 angehört, sowie die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast und die Mannheimer Abgeordnete und Verkehrspolitikerin Isabel Cademartori. Die Wahl fiel einstimmig aus. Noch bis Dienstagabend um 23.59 Uhr läuft bei der SPD das Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag mit der Union.
Baden-Württemberg ist keine echte SPD-Hochburg
Baden-Württemberg gehört nicht unbedingt zu den Hochburgen der Sozialdemokratie. Bei der Landtagswahl 2021 kam der Landesverband auf bescheidene elf Prozent; bei der jüngsten Bundestagswahl lag man mit 14,2 Prozent der Zweitstimmen sogar noch unter dem ohnehin schon historisch schlechten Bundesergebnis von 16,4 Prozent.
Es ist also nicht so, dass die Südwest-SPD automatisch Anspruch auf einen herausragenden Parteiposten wie den Bundesvorsitz hätte. Aber dank des Mitgliederentscheids von 2019 stellt sie mit Saskia Esken die aktuelle Co-Bundesvorsitzende, ein durchaus einflussreicher Posten, wie die Koalitionsverhandlungen mit der Union gerade erst wieder gezeigt haben. Und da hätte es natürlich eine gewisse Logik, wenn der Landesvorstand sie an diesem Montagabend wieder als Mitglied für den Bundesvorstand vorgeschlagen und unterstützt hätte – wie zuletzt 2021 und 2023 praktiziert. Dieses Votum blieb diesmal aber aus – und dafür gibt offenbar eine Reihe von Gründen.
Da ist zum einen Saskia Esken selbst, die sich, wie es aus dem Landesvorstand heißt, gegenüber ihrem Landesverband nicht zu ihren Ambitionen erklärt haben soll. Auch öffentlich hat sie bislang nicht zu erkennen gegeben, ob sie überhaupt Parteivorsitzende bleiben will. Deshalb steht sie nun auch nicht auf der Stuttgarter Vorschlagsliste für den Bundesvorstand.
Da ist zum anderen ein verbreiteter Verdruss auch in ihrem Heimatverband über der Öffentlichkeitswirksamkeit von Saskia Esken. Die im linken Flügel verortete Abgeordnete aus Calw war noch nie der Liebling einer breiten Funktionärsriege im eher konservativen Landesverband. Aber wie sie der Generalsekretär der Südwest-SPD, Sascha Binder, kürzlich in einem Interview mit der Badischen Zeitung und dem Südkurier angezählt hat, war schon bemerkenswert. Er gebe Saskia Esken recht, dass vier der sieben Kabinettsposten für die SPD an Frauen gehen sollten. „Aber dann geht es danach, wer sind die vier Besten? Und darunter sehe ich Saskia Esken nicht“, so Binder in dem Interview.
Und da ist, das klang in Binders Worten an, die Angst, dass die Personalie Esken bei den anstehenden Personalentscheidungen den Blick auf andere Talente aus dem Südwesten versperren könnte. Denn längst geht es nicht mehr allein um die Frage, ob Esken Parteivorsitzende bleiben kann. Sondern auch darum, ob sie stattdessen in ein Ministeramt wechseln könnte. Führende Köpfe in ihrem Landesverband würden lieber Katja Mast im Kabinett sehen.
Das Problem sei, dass es für Esken „keine wirklich schöne Offramp“ gebe, sagt einer ihrer Kritiker im Landesverband. Es gebe eben keinen passenden Posten, der ihr den Verzicht auf Parteivorsitz und Ministeramt erleichtern könnte. Andererseits hat Esken auch im Landesvorstand Fürsprecher, die finden, dass man die Vorsitzende nicht einfach so fallen lassen könne. „Das Wohl oder Wehe einer Partei hängt sicher nicht an der Performance einer, sagen wir, Bundesentwicklungshilfeministerin“, sagt ein Teilnehmer der Sitzung am Montag. Letztlich müsse die Personalie in Berlin entschieden werden. Und notfalls könne der Landesverband Esken auch für den Bundesvorstand nachnominieren, wie 2019 geschehen.