Der Ölpreis ist niedrig, gleichzeitig endet der Kriegsboom der russischen Wirtschaft. Hektische Rochaden von Putins Machtapparat lassen ahnen, welche Folgen das hat.
13. Juni 2025, 9:43 Uhr
Das Öl ist der Stoff, der über Russlands Niedergang oder Aufstieg entscheidet. Das Öl ist der Brandbeschleuniger, der Russlands Krieg gegen die Ukraine befeuert. Das Öl ist der Stoff, der Putins Regime stabilisiert. Und der Ölpreis sinkt seit Monaten.
Der Preisverfall wirkt sich unmittelbar auf das Kriegsbudget von Wladimir Putin aus. Die russischen Finanzbeamten haben sich verschätzt. Sie mussten ihre Prognosen für den Erlös aus dem Rohölverkauf 2025 bisher um 24 Prozent nach unten korrigieren. Für Putin ist das eine schlechte Nachricht. In den Jahren seit 2022 konnte er mit hohen Preisen für Öl und Gas seinen Feldzug gegen die Ukraine finanzieren.
Warum also sinkt der Ölpreis auf einmal – und welche Auswirkungen hat das für den russischen Krieg?
Ein Grund liegt im Bruch der saudisch-russischen Allianz für hohe Preise. Nach dem präzedenzlosen Preisverfall in der Pandemie hatten sich Saudi-Arabien und Russland auf Exportkürzungen geeinigt, um die Preise nach oben zu treiben. Noch im vergangenen Jahr kappten viele Opec-Länder gemeinsam mit Russland ihre Produktion. Das spülte Geld in die Kasse, aber zu einem hohen Preis. Die Ölsupermacht Saudi-Arabien verlor stark Anteile am Weltmarkt. Amerikanische und afrikanische Exporteure füllten die Lücken, die die Saudis hinterließen.
Russlands Wirtschaftswachstum knickt ein
Das ärgert die Ölverantwortlichen in Saudi-Arabien gewaltig, sie wollen diese Marktanteile jetzt zurückerobern. Und das geht nur mit einer Preisschlacht: billiger produzieren als die amerikanische Konkurrenz. Die Saudis setzten in der Opec die Erhöhung des vereinbarten Produktionsausstoßes durch. Entsprechend fallen seit Monaten die Preise – kurzfristige Ausreißer nach oben konnten das Gesamtbild bisher nicht ändern.
Hinzu kommt die lahmende Weltwirtschaft. China findet nicht aus seiner hausgemachten Stagnation heraus. Donald Trump rüttelt die Weltwirtschaft regelmäßig mit neuen "Befreiungstagen" und Zollmassakern durch. Das Vertrauen in einen steten Aufschwung ist erschüttert.
Die Folge dieser Krisenanzeichen: Weltweit ist in diesem Jahr weniger Öl nachgefragt worden als in den Jahren davor. Und das trifft Russland, das ohnehin nur noch einen Teil der Welt beliefert, direkt. In Putins Reich selbst geht der Kriegsboom zu Ende. Die überschießenden Einnahmen aus der Produktion von Waffen und Munition sind längst ausgegeben. Das russische Wirtschaftswachstum knickt ein.
Die EU will da nachhelfen. Die Kommission hat angekündigt, sie wolle den Preisdeckel für russisches Öl von 60 auf 45 Dollar absenken. Das heißt, Reedereien dürfen russisches Öl nicht mehr transportieren, wenn es mehr als 45 Dollar pro Fass kostet. Außerdem will die EU weitere 77 Schiffe der russischen Schattenflotte mit Sanktionen belegen. Erstmals plant die EU, Importe von Ölprodukten aus Drittstaaten wie der Türkei oder Indien zu verbieten, wenn diese mit russischem Öl hergestellt wurden.
Auch den Gasimport nimmt die EU ins Visier. Damit die Nord-Stream-Pipelines auf keinen Fall wieder ans Netz gehen, will die EU das Röhrenwerk sanktionieren. Kanzler Friedrich Merz unterstützt das Verbot der Inbetriebnahme. Hier zeichnen sich die Sanktionen ab, die Merz selbst vor einem Monat in Kyjiw angekündigt hat, falls Russland keiner Waffenruhe zustimmt.
Putins Sprecher Dmitri Peskow sagt, das rühre Russland alles gar nicht. Man sei auch bisher mit den Sanktionen klargekommen. Aber die hektischen Rochaden von Putins Finanzplanern lassen ahnen, wie sehr der Druck auf die Regierung steigt. Die laufenden Budgetkorrekturen führen dazu, dass Russland in die letzten verbleibenden Töpfe greifen muss. Der Nationale Wohlstandsfonds wird geplündert. Russland kann sich auch die massive Stützung des Rubels nicht mehr leisten wie bisher.
Am wichtigsten aber für Putin: Viele russische Behörden in der Provinz können Putins Invasoren in der Ukraine nicht mehr den hohen Sold zahlen. Bisher haben sie Vertragssoldaten mit viel Geld in den Krieg gelockt. In den Regionen sinken die Gehälter für Rekruten und Vertragssoldaten, zum Beispiel im Gebiet von Samara um 30 Prozent und im Gebiet von Nischni Nowgorod um 50 Prozent.
Heißt das, dass Putin allmählich die Luft für seine Abnutzungsschlachten ausgeht? Davon ist bisher nicht auszugehen. Aber die Fassade der Normalität in Russland als krasser Gegensatz zum Gemetzel in der Ukraine mit weit über einer Million Toten und Verletzten bröckelt. Russland zahlt für seinen Krieg einen immer höheren Preis.