News des Tages: Stromausfall, Kanada, Foltergefängnisse in Russland

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Die Lage am Abend Mit Spannung erwartet

Die drei Fragezeichen heute:

  1. Blackout in Spanien und Portugal – was, wenn das in Deutschland passiert?

  2. Wahl in Kanada – warum ist das Land immun gegen Populisten?

  3. Putins Foltergefängnisse – was musste die ukrainische Journalistin Viktoriia Roshchyna durchmachen?

29.04.2025, 17.08 Uhr

1. Wieder unter Strom

Vor 15 Jahren schrieb mein Cousin Michael Tietz seinen ersten Roman mit dem Titel »Rattentanz«. Auf 840 Seiten erzählte er die Geschichte, wie am Frühlingsmorgen des 23. Mai der globale Albtraum beginnt: Das weltweite Stromnetz bricht ein. Der Verkehr kommt zum Erliegen, Telefone und Computer stehen still, Kühlschränke verweigern ihren Dienst, Supermarkttüren öffnen sich nicht mehr. Ein Bösewicht hat einen hochwirksamen Computervirus ersonnen und die Gesellschaft binnen Stunden zurück ins Mittelalter katapultiert.

Damals war das Buch Science-Fiction, inzwischen ist es nicht mehr so sicher, dass die Handlung irreal bleiben muss. Nachdem in Portugal und Spanien gestern großflächig der Strom ausgefallen war, ist die Versorgung seit heute fast vollständig wiederhergestellt. Noch ist unklar, welche konkreten Ursachen am Montag gegen 12.30 Uhr zu dem Stromausfall führten, der von der Regierung in Madrid als »historisch« und »noch nie dagewesen« bezeichnet wurde.

Beide Länder setzten Krisensitzungen an, um der Sache auf den Grund zu gehen. Der spanische Netzbetreiber Red Eléctrica Española hat eine Cyberattacke als Ursache schon mal dementiert. »Mit Blick auf die Analysen, die wir bislang vornehmen konnten, können wir einen Cybersicherheitsvorfall in der Infrastruktur des Stromnetzes ausschließen.« Der Nationale Gerichtshof von Spanien will dennoch untersuchen, ob ein Cyberangriff dahintersteckt.

Meine Kollegin Anna Ehlebracht hat mit Herbert Saurugg, Blackout- und Krisenexperte und Präsident der Gesellschaft für Krisenversorge in Österreich, gesprochen. (Lesen Sie hier das Interview. ) Er sagt, es gebe keine Garantie, keine hundertprozentige Sicherheit, dass das nicht auch in Deutschland, Österreich und Mitteleuropa passieren kann, was die Spanier und Portugiesen gerade hinter sich haben. »Meine dringende Empfehlung: Sich auf 14 Tage Eigenversorgung einzustellen.«

Im Buch meines Cousins dauerte der Blackout übrigens die gesamte Handlung an. Der Roman schildert, wie das Gerüst der Gesellschaft kollabiert und sie nach und nach in einen Zustand völliger Anarchie verfällt. Die Figuren müssen lernen, in der neuen, techniklosen Welt zu überleben. Man kann nur hoffen, dass Michaels Fantasie nie Wirklichkeit wird.

2. Kanada stabil

Nach dem Rücktritt von Justin Trudeau hat Kanada gewählt. Die Abstimmung fand unter dem Eindruck eines tödlichen Vorfalls in der Westküstenmetropole Vancouver am Wochenende statt: Bei einem Straßenfest der philippinischen Gemeinde war ein Mann mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren und tötete mindestens elf Menschen.

Auch wenn die Tat laut Polizei kein Terroranschlag war, hatte sie das Zeug, instrumentalisiert zu werden und die Wahlen noch zu beeinflussen. Der konservative Spitzenkandidat Pierre Poilievre trat zeitweise als Trump-Double auf. Der 45-Jährige geißelte angebliche Fake News etablierter Medien, stand für niedrige Steuern und Kürzungen bei Staatsausgaben, verurteilte eine vermeintliche woke Ideologie linksradikaler Kräfte und versprach, Kanada immer an erste Stelle setzen zu wollen – »Canada First«.

Die Kanadier aber wählten die liberale Partei von Premierminister Mark Carney – zum vierten Mal in Folge. Der will sich der aggressiven Politik der USA entschlossen entgegenstellen. In seiner Siegesrede sagte Carney: »Präsident Trump versucht, uns zu brechen, damit Amerika uns besitzen kann, aber das wird niemals passieren«. (Lesen Sie hier den Text unseres Kollegen aus Washington. )

Hintergrund sind wiederholte Drohungen Trumps, Kanada als 51. Bundesstaat zu annektieren. »Wir haben den Schock des amerikanischen Verrats überwunden, aber wir sollten die Lektionen nie vergessen.«

3. Viktoriia Roshchyna, Opfer von Putins Foltersystem

Viktoriia Roshchyna, eine engagierte ukrainische Journalistin, wurde im Sommer 2023 in den von Russland besetzten Gebieten im Donbas festgenommen und später in das berüchtigte Gefängnis »Siso 2« im südrussischen Taganrog gebracht. Über 400 Tage war sie in russischer Haft, bis ihre Leiche im Februar 2025 zusammen mit gefallenen Soldaten an die Ukraine übergeben wurde.

Ihr Körper wies zahlreiche Folterspuren auf; Teile wie Augäpfel und Gehirn fehlten, vermutlich um die Todesursache zu verschleiern. Roshchyna war eine der wenigen Reporterinnen, die trotz großer Gefahr aus den besetzten Gebieten berichtete und die Verbrechen der Besatzer dokumentierte. Sie galt als zielstrebig, unabhängig und vorsichtig, schützte ihre Quellen und arbeitete oft allein.

Schon 2022 wurde sie kurzzeitig festgenommen und gedemütigt, ließ sich aber nicht einschüchtern. Ihre letzte Recherche führte sie nach Enerhodar und Melitopol, wo sie offenbar gefoltert wurde. Erst Monate nach ihrem Verschwinden informierten russische Behörden ihre Familie über ihre Gefangenschaft. Ein geplanter Gefangenenaustausch scheiterte, die Umstände ihres Todes blieben ungeklärt.

Nach dem Tod Roshchynas im September 2024 startete das Recherchenetzwerk »Forbidden Stories« mit zwölf internationalen Partnern eine mehrmonatige Recherche. Ein Team um meine Kollegin Ann-Dorit Boy versuchte für den SPIEGEL, Viktoriias Verschwinden und die Umstände ihres Todes aufzuklären, vor allem aber setzten sie das letzte Projekt der Reporterin fort und sammelten Informationen über die russischen Foltergefängnisse.

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Porsches operatives Ergebnis bricht um über 40 Prozent ein: Schwaches Chinageschäft, US-Zölle und interner Umbau: Porsche büßt bei Umsatz und operativem Ergebnis deutlich ein. Das Unternehmen senkte nun auch die Jahresprognose.

  • Kreml lehnt ukrainischen Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe ab: Mit einer kurzen Pause will der Kreml den Krieg in der Ukraine unterbrechen – pünktlich zur jährlichen Militärparade in Moskau. Kyjiw schlug vor, sie auf 30 Tage zu verlängern. Doch davon will Russland vorerst nichts wissen.

  • Hälfte der Deutschen hält AfD für ähnlich bedrohlich wie NSDAP: Eine neue Studie warnt vor einem »erinnerungskulturellen Kipppunkt«: Antisemitische, rechtspopulistische und geschichtsrevisionistische sind demnach wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

  • Trump sieht sich in seiner zweiten Amtszeit deutlich mächtiger: Jüngst hat Donald Trump »The Atlantic« als gescheitertes Medium und den Chefredakteur als »Widerling« verunglimpft. Jetzt gab er dem Magazin überraschend ein Interview. Es ging auch um sein Selbstverständnis als US-Präsident.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

 »Mit den passenden Gesetzen kriegt man das schnell in den Griff«

Digitale Zahlung in einem Restaurant: »Mit den passenden Gesetzen kriegt man das schnell in den Griff«

Foto: Hispanolistic / Getty Images

Schwarz-rote Pläne fürs digitale Bezahlen – Draußen auch Kärtchen: Nur Barzahlung möglich – gerade in der Gastronomie lauert dabei die Gefahr von Steuerhinterziehung. Laut Koalitionsvertrag sollen Kunden in Zukunft deshalb mindestens eine digitale Zahlungsoption haben. Kann das klappen? 

Was heute weniger wichtig ist

Brat-Awards: Die Sängerin Charli xcx , 32, wollte den »brat summer forever« hinter sich lassen. »Brat«, zu Deutsch »Göre«, war nicht nur ein musikalischer Erfolg, sondern auch ein popkulturelles Phänomen. Doch irgendwann seien die Menschen von zu viel Erfolg übersättigt und wollten, dass eine Künstlerin auch wieder verschwindet, so die Angst von Charli xcx. Doch ihre Fans sprechen ihr Mut zu, weiterzumachen. »Irgendwie will ich, dass es weitergeht«.

Mini-Hohlspiegel

Von der Website der »Berliner Zeitung«

Von der Website der »Berliner Zeitung«

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Thomas Plaßmann

Duke Ellington, Ella Fitzgerald, 1959

Duke Ellington, Ella Fitzgerald, 1959

Foto: Everett Collection / IMAGO

Heute würde der wahre Musikgigant Duke Ellington seinen 126. Geburtstag feiern – und am vergangenen Freitag hätte eine der größten Sängerinnen des vergangenen Jahrhunderts ihren 108. Geburtstag gehabt: Ella Fitzgerald. Hören Sie doch zum Abend Ella mit Dukes Komposition »In a sentimental mood«, begleitet nur vom Gitarristen Barney Kessel. Kunst in Reinform – oder wie ein Kommentator unter dem YouTube-Video  schrieb: SHE HAD THE MOST PERFECT VOICE EVER!!

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Einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Janko Tietz, Ressortleiter Nachrichten

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