Ein Forschungsteam aus den USA ist überzeugt, dass neue Daten von zwei Weltraumteleskopen die hartnäckige Diskrepanz bei grundlegenden Messungen der Expansionsgeschwindigkeit des Universums auflösen. Ermittelt hat die Gruppe um die Astronomin Wendy Freedman von der Universität Chicago damit jetzt einen Wert von 70,4 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec für die sogenannte Hubble-Konstante – bei einer Ungenauigkeit von 3 Prozent in beide Richtungen. Das bringe den für das nahe Universum ermittelten Wert in statistische Übereinstimmung mit jenen 67 km/sec/Mpc (bei 0,7 Prozent Ungenauigkeit), die mit dem Weltraumteleskop Planck für die Anfänge des Kosmos ermittelt wurden, erklärt das Team.
Arbeit an der Auflösung der Diskrepanz
Der jetzt von Freedmans Team ermittelte Wert (blau), der des DESI-Teams (Rot) und der Goldstandard von Planck
(Bild: Freedman et.al)
Mit der Arbeit will Freedman einmal mehr die sogenannte Hubble-Spannung auflösen, die die Astronomie seit Jahren vor ein Rätsel stellt. Dabei geht es darum, dass bei immer neuen Messungen Werte für die Expansionsgeschwindigkeit des Kosmos bei vergleichsweise nahen Galaxien ermittelt werden, die nicht zu jener aus der Frühzeit des Kosmos passen. Erst im Januar hat ein Forschungsteam erklärt, dass eine neue Messung aus der "Hubble-Spannung" gar eine "Hubble-Krise" gemacht hat, so groß war die dabei ermittelte Diskrepanz. Freedman sieht das anders. Seit Jahren ist sie überzeugt, dass immer präzisere Messungen die Abweichung irgendwann auflösen werden. Das werde in den kommenden Jahren passieren, meint sie jetzt.
Freedman und ihr Team haben die Zahl der Galaxien verdoppelt, die für die Kalibrierung der Vermessung von Supernovae benutzt werden. Nur darüber lassen sich derart große Distanzen beziehungsweise deren Veränderung durch die Expansion des Universums messen. Ausgewertet wurden dafür Messungen der Weltraumteleskops Hubble und James Webb. Trotzdem ist die Diskrepanz zwischen dem neuen Wert und dem als Goldstandard geltenden Wert des Weltraumteleskops Planck immer noch groß. Außerdem ist der jetzt im Astrophysical Journal vorgestellte Wert etwas größer als einer, den Freedman vor vier Jahren ermittelt hat. Schon damals hat sie ein Ende der Hubble-Spannung in Aussicht gestellt. Jetzt ist auch bei ihr die Diskrepanz etwas größer.
Die Hubble-Konstante (H0) ist eine fundamentale Größe der Kosmologie. Der Wert weist aus, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Objekt in einer Entfernung von einem Megaparsec (3,26 Millionen Lichtjahre) allein aufgrund der Expansion des Universums von uns entfernt (die Andromeda-Galaxie ist beispielsweise etwa 0,89 Megaparsec von uns entfernt). Erstmals wurde die Konstante von dem US-Astronomen Edwin Hubble berechnet, dessen Namen sie inzwischen trägt. Obwohl die Messungen in den vergangenen Jahren immer genauer wurden, lieferten sie keinen einheitlichen Wert. Stattdessen hat sich jene mysteriöse Diskrepanz herausgeschält, die zu einer der derzeit spannendsten Fragen der Kosmologie geworden ist.
(mho)