Windows-Spiele laufen besser auf Linux (wirklich!)

vor 12 Stunden 1

Der Handheld-PC Lenovo Legion Go S ist das erste Gerät nach dem Steam Deck, auf dem man ganz offiziell SteamOS installieren kann. Das haben wir uns natürlich nicht zweimal sagen lassen und das vorinstallierte Windows 11 heruntergeworfen – natürlich nicht, ohne vorher ein paar Benchmarks zu machen. Der Performance-Unterschied zwischen Linux (SteamOS) und Windows ist gewaltig; allerdings muss man die Ergebnisse differenziert betrachten.

(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder.)

Guckt mal hier – hier läuft Cyberpunk 2077 unter Windows mit 28 FPS und hier unter Linux mit 43 FPS auf der gleichen Hardware: Eine Verbesserung von 54 Prozent! "Was habt ihr denn da gemacht?", denkt ihr jetzt vielleicht: "Spiele unter Linux? Laufen die nicht mit so einer lahmen Windows-Emulation?" Ja, nee, so einfach ist das nicht. Ich zeige euch das in diesem Video mal genauer – und zwar anhand des PC-Handhelds Lenovo Legion Go S.

Das wird zurzeit noch ausschließlich mit Windows 11 ausgeliefert. Aber es ist eines der ersten Geräte, das neben dem Steam Deck offiziell SteamOS unterstützt – also Linux. Und was soll ich sagen? Es sind nicht nur die FPS, die besser sind unter SteamOS. Also zumindest Stand heute, und ich rede nur von Handhelds: Windows ist over. Ausnahmen gibt es natürlich auch. Bleibt dran.

Liebe Hackerinnen, liebe Internet-Surfer, herzlich willkommen hier bei …

Oh, sorry, ich muss hier einmal kurz zwischengrätschen. Zwei wichtige Hinweise in eigener Sache: Einmal: Wir haben jetzt eine eigene PeerTube-Instanz. Das Ding heißt peertube.heise.de. Unser Account ist da ct3003 und da seht ihr ab sofort alle Videos, die wir hier produzieren.

Und dann habe ich noch was. Und zwar nächste Woche Freitag, also Freitag, der 13., 15 bis 17 Uhr, machen wir einen Livestream, in dem es um Homeserver gehen wird. Wir werden mit Expertinnen und Experten aus der c't-Redaktion reden, und die werden hoffentlich alle eure Fragen beantworten. Also die könnt ihr live stellen. Die könnt ihr uns aber auch vorab schicken an 3003, damit wir schon ungefähr wissen, worauf wir uns da vorbereiten können. Wir freuen uns drauf.

Der Link zu PeerTube ist natürlich auch unten in der Beschreibung.

Als ich mitbekommen habe, dass es eine offizielle Version von SteamOS – keine Beta – für das Lenovo Legion Go S geben soll, habe ich sofort ein Leihgerät angefordert, weil ich will schon ganz lange ein Video machen, das die Performance von Windows und Linux auf gleicher Hardware ganz konkret vergleicht.

Das Problem war allerdings: Windows ist nicht gleich Windows, und Linux ist erst recht nicht Linux. Schon kleinste Konfigurationsveränderungen, also z. B. ob unter Windows die berüchtigte virtualisierungsbasierte Sicherheitsfunktion aktiviert ist – das kann im schlimmsten Fall bis zu 10% Performance kosten. Und was man bei Linux alles optimieren kann, könnt ihr euch ja vorstellen.

Und da ich davon ausgegangen bin, dass sich die Performance-Unterschiede zwischen den beiden Betriebssystemen eben in genau so einem Bereich abspielen könnten – also im niedrigen zweistelligen Prozentbereich –, wollte ich mir das zumindest vorerst nicht antun, weil ich da auch einfach nicht zu 100% garantieren könnte, dass beide Betriebssysteme maximal optimiert laufen. Und weil das Thema Windows versus Linux emotional ja auch zumindest in unserer Tech-Bubble maximal emotional aufgeladen ist.

Aber jetzt gibt es halt das Legion Go S. Da ist Windows 11 vorinstalliert und vorkonfiguriert. Und da kann man ein offizielles SteamOS-Image runterladen. Das ist auch vorkonfiguriert für das Gerät – hochoffiziell unterstützt von Lenovo und Valve. Das heißt, ich kann beide Betriebssysteme so testen, wie es der Hersteller vorgesehen hat und wie es ein Großteil der Kundschaft auch nutzen würde.

Und ja, das finde ich, ist ein wirklich gerechter Versuchsaufbau mit angenehm wenigen Stellschrauben. Ja, und da kann dann eigentlich niemand sagen, dass irgendeine Seite bevorzugt wurde von uns.

Also nochmal genau die Hardware, die ich verwendet habe: Das Legion Go S, das zurzeit – während ich hier an dem Video arbeite – nur mit vorinstalliertem Windows 11 und nur mit AMD Ryzen Z2 Go erhältlich ist. Das Teil hat eine Vierkern-CPU und GPU integriert und basiert noch auf der älteren Zen-3+-Architektur. In der günstigsten Version für 560 Euro gibt es 512 GB Flash-Speicher und 16 GB Arbeitsspeicher.

Ich habe allerdings die Version mit einem Terabyte Flash und 32 GB RAM getestet. Die kostet zurzeit 699 Euro, ist aber ansonsten identisch mit der günstigen Variante. Also das hoffe ich jedenfalls, denn die Produktverwirrung bei Lenovo ist nicht niedrig, sag ich mal. Ich bin bei der Recherche auf dieser Seite hier gelandet mit allen unterschiedlichen Legion-Go-S-Varianten. Also ist ja schwierig. Es soll das Teil bald auch unter gleichem Namen, aber offenbar in Schwarz mit Ryzen Z1 Extreme geben. Der basiert auf Zen 4. Die CPU hat zum Beispiel acht Kerne statt vier und ist auf jeden Fall schneller. Und das ist auch die Variante, die es dann auch nicht nur mit Windows, sondern auch mit vorinstalliertem SteamOS geben soll.

So, jetzt aber endlich: anfassen das Teil! Also wie gesagt, es ist ja Windows vorinstalliert. Und auch wenn Lenovo da den hauseigenen Launcher "Lenovo Space" nutzt, poppt da ständig so ein Windows-Kram auf. Und das ist halt auf so einem 8-Zoll-Display absolut grottig zu bedienen. Das wirkt nicht so, als wäre das so gedacht, sondern als würde man irgendwie kurz mal was ausprobieren wollen, was nicht als echtes Produkt gedacht ist.

Also gilt jetzt nicht nur fürs Legion Go, sondern das gilt meines Erachtens für alle Windows-Handhelds. Ja, und das muss man auch wirklich deutlich so sagen. Also guck mal hier – da poppt hier irgendein Fenster auf, dann muss man da in die viel zu kleine Taskleiste rein, um das zuzumachen. Und manchmal geht das dann nicht. Da muss man dann in den noch kleineren Task-Manager. Also ich finde es wirklich schlimm.

Das ist aber natürlich mein persönliches Empfinden. Und Lenovo Space macht Windows auf dem Handheld auf jeden Fall besser nutzbar als ohne diesen Launcher. Aber hey – alleine dass diese Bedienungs-Overlays manchmal einfach mehrere Sekunden brauchen, bis da was angezeigt wird – also das ist doch wirklich nicht schön.

Naja, aber die Spiele laufen unter Windows jedenfalls. Und ich habe bei drei Spielen Benchmarks gemacht: Cyberpunk 2077, Black Myth: Wukong und Shadow of the Tomb Raider. Und das ist jetzt nicht so cherrygepickt oder so, sondern das sind halt drei Spiele, die einen eingebauten Benchmark haben. Cyberpunk und Wukong sind einigermaßen aktuell. Shadow of the Tomb Raider ist älter, aber das habe ich mal mit reingenommen, weil das einfach so ein Benchmark-Klassiker ist, wo es an vielen Stellen Vergleichswerte gibt. Der läuft ja zum Beispiel auch auf ARM-Macs nativ.

Ja, und nachdem ich die Windows-Benchmarks im Kasten hatte, habe ich bei Valve das SteamOS-Image runtergeladen und Windows platt gemacht. Und ja – es ist sofort eine Wohltat. Also alleine, dass man dann nicht mehr mit der viel zu kleinen Taskleiste rumhantieren muss, um manchmal irgendwie Spiele zu schließen oder so, und dass alle Tastendrücke instant erfasst werden – also dass da sofort diese Overlays reinpoppen, wenn ich da zum Beispiel die Helligkeit einstellen will – das ist wirklich herrlich.

An ein paar Stellen sieht man noch, dass die Legion-Go-S-Unterstützung noch ziemlich neu ist. Wenn man die Lautstärke ändert, steht da zum Beispiel irgendwas von "Family" und kryptische Zahlen – das wird wohl das Sound-Interface sein. Und die Leistungs-Presets sind nicht auf Deutsch und auch kleingeschrieben. Nein, okay, das sind wirklich kosmetische Sachen, aber ich bin ja Perfektionist.

Ein richtiger Bug ist mir aber auch aufgefallen: Legt sich das Legion Go S innerhalb eines Spiels schlafen und schaltet man es wieder an, dann ist manchmal der Sound kaputt. Also der knackst dann. Da hilft dann nur ein Reboot und dann geht das wieder. Das ist aber möglicherweise kein Legion-Go-Problem, sondern allgemein eins der aktuellen SteamOS-Versionen. Das ist mir auf jeden Fall aufgefallen.

So, aber nun endlich zu den Benchmarks unter Linux:

Bei Cyberpunk: 54 % mehr durchschnittliche Frames, bei den Mindest-FPS sogar 57 % mehr. Das ist also wirklich mit bloßem Auge problemlos zu erkennen.

Bei Shadow of the Tomb Raider sind es 41 % mehr und bei Black Myth: Wukong 24 % mehr durchschnittliche FPS. Ach so, ja – die Auflösung lag bei Wukong und bei Cyberpunk bei 1920 × 1200, bei Shadow of the Tomb Raider bei 1920 × 1080. Ja, und was soll ich sagen? Windows kann nach Hause gehen – also zumindest auf Handheld. Also der Unterschied ist so heftig, dass einige Kollegen von mir das gar nicht glauben konnten.

Das hat sehr wahrscheinlich mehrere Gründe. Also einmal ziehen sicherlich die vielen Hintergrundprozesse bei Windows 11 Performance – also so was wie der Defender, also der Windows-eigene Malware-Schutz. Bei SteamOS ist ja gar kein richtiger Desktop aktiv. Den kann man manuell starten, wenn man will. Aber normalerweise gibt es keinen Desktop – und deshalb auch keine, was weiß ich, Datei-Indizierung für die Suche oder solche Sachen, die Performance kosten können.

Ja, und dann ist da noch das, was viele Leute als Emulation bezeichnen – hatte ich am Anfang des Videos gesagt – nämlich Proton, eine Software, die DirectX-Grafikbefehle, wie sie von Windows-Spielen verwendet werden, zur Vulkan-3D-Schnittstelle übersetzt. Das ist aber keine Hardware-Emulation oder so, sondern nur eine Kompatibilitätsschicht, die eben Grafikbefehle übersetzt.

Nun ist es so, dass Vulkan eine sehr moderne Grafik-API ist mit wenig Ballast, und die AMD-Open-Source-Treiber sind sehr, sehr gut auf Vulkan optimiert. Ja, und das sind nur zwei Gründe, die man jetzt dafür verantwortlich machen könnte, warum das besser funktioniert unter Linux.

Und auch noch mal ganz wichtig: Linux läuft zwar hier auf dem Lenovo Legion Go S besser als Windows bei den von mir getesteten Spielen. Und ja, wahrscheinlich gilt das auch für einige Desktop-PCs mit AMD-Grafikkarte. Habt ihr Nvidia-Hardware, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass da Spiele unter Linux besser laufen als unter Windows – also egal unter welcher Distribution. Ich will das nicht komplett anzweifeln und habe auch vor, das intensiver zu testen, aber im Moment gehe ich davon aus, dass Windows in den allermeisten Fällen mit Nvidia-Grafikkarten mehr FPS erreicht als unter Linux.

Und noch, noch, noch wichtiger: Es gibt einige sehr populäre Spiele, die nicht unter Linux laufen. Und zwar hat das meist mit Anti-Cheat-Software zu tun, die sehr systemnah läuft und für die es eben noch keine Linux-Varianten gibt. Zum Beispiel laufen nicht: Fortnite, Destiny 2 und Valorant. Wenn ihr die spielen wollt – keine Chance unter Linux. Das muss man also immer mitbedenken, wenn man von Spielen unter Linux spricht. Faustregel: AMD-GPU gut – und Multiplayer-Shooter mit Anti-Cheat schlecht.

So, aber eigentlich ist das ja auch ein bisschen ein Test vom Legion Go S. Aber ich muss sagen, ich fand das Windows-versus-Linux-Thema erst mal interessanter. Aber ich erzähle euch natürlich gerne noch, wie mir das Handheld so ganz allgemein gefällt.

Also das hier sind die Specs, und ihr seht schon: 8-Zoll-Display. Und das ist halt mehr als das 7-Zoll-Display des LCD-Steam-Decks und mehr als das 7,4-Zoll-Display des OLED-Steam-Decks. Und das ist schon wirklich ein deutlicher Unterschied. So beim Spielen macht mir auch ein bisschen mehr Spaß mit dem größeren Display.

Außerdem haben die Steam Decks ja nur 1280 × 800 Auflösung, was halt auch bei der Hardware nicht verkehrt ist. Bei Lenovo könnt ihr wahlweise auch 1920 × 1200 nutzen. Und das merkt man schon auch, dass das schärfer aussieht. Das würde ich aber nur bei Indie-Spielen machen, die auch in der höheren Auflösung stabile – sagen wir mal – 60 oder sogar 120 FPS schaffen.

Ja, genau, das Legion Go S kann 120 Hertz. Und das ist tatsächlich auch mit bloßem Auge deutlich zu erkennen – zum Beispiel bei Dead Cells. Das wirkt schon echt smoother als auf dem Steam Deck mit 60 FPS. Aber ja, man muss halt ein Spiel finden, das 120 Hertz auch schafft auf der Hardware. Und das sind leider nicht so richtig viele, würde ich jetzt mal sagen.

Generell ist die Hardware schon ein bisschen stärker als das Steam Deck. Also beim Lenovo Go S mit Z2-Go-APU habe ich zum Beispiel bei Cyberpunk in der Steam-Deck-Auflösung 1280 × 800 durchschnittlich 62 FPS gemessen. Das Steam Deck schafft nur so ungefähr 46 FPS. Das bald kommende Modell mit Z1 Extreme dürfte aber noch eine ganze Ecke schneller sein.

Es gibt aber auf jeden Fall auch noch leistungsstärkere Handhelds. Aber ja, die laufen bislang alle mit Windows – was ich, wie gesagt, nicht empfehlen würde. Bei den Asus-ROG-Ally-Geräten ist SteamOS auch schon installierbar – also relativ offiziell –, wird aber auf der SteamOS-Store-Seite noch nicht erwähnt. Dauert also wohl noch ein bisschen, bis das als wirklich richtig offiziell gilt.

Ja, und die Hardware des Legion Go S, die ist sonst nice. Also die wirkt wertig. Das Ding liegt gut in der Hand. Ich finde allerdings den Knubbel hier beim Steam Deck irgendwie angenehmer. Ich habe da das Gefühl, dass ich das stabiler in der Hand halten kann. Beim Legion Go S habe ich das Gefühl, dass das schneller wegrutschen kann – eben weil dieser Knubbel nicht da ist. Das wäre aber auch wirklich das Einzige.

Also auch so speziellere Sachen wie meine heiß geliebte Emulationsplattform RetroDeck funktionieren wirklich super auf dem Legion Go S. Also man hat auch nicht wirklich das Gefühl, dass die SteamOS-Anpassung an das Legion Go S irgendwie halbherzig gemacht wurde. Das hat alles wirklich Hand und Fuß. Kann man also durchaus empfehlen, wenn ihr das Geld ausgeben wollt.

Das günstigste Steam Deck mit LC-Display gibt es ja inzwischen für 419 Euro. Das ist wirklich viel Gaming-PC fürs Geld.

Also ganz klar – mal mit eigenen Augen gesehen zu haben, dass Linux-Gaming inzwischen in vielen Fällen signifikant besser funktioniert als unter Windows – das halte ich für einen richtigen Paradigmenwechsel. Weil jahrelang war es immer so: Ja, wenn ihr spielen wollt, ist Linux nicht das Richtige – und das geht zwar irgendwie. Dass es jetzt unter bestimmten Umständen deutlich besser ist – also finde ich krass.

Wie gesagt: Das ist aber auch nur eine Momentaufnahme auf dieser speziellen Hardware. Aber wenn die Optimierung so weitergeht, dann wird in Zukunft auf vielen Gaming-PCs – also mit AMD-Grafikkarte – Linux laufen. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Und ich glaube auch, dass PC-Gaming-Hardware noch eine glorreiche Zukunft bevorsteht. Das ist einfach eine ultra vielseitige Produktkategorie. Ich kann mir zum Teil in der U-Bahn Cyberpunk spielen, aber zu Hause auch einfach per USB-C-Monitor, Tastatur, Maus anschließen, meine Steuererklärung machen oder auf meinem großen Fernseher Cyberpunk weiterspielen.

Ja, wie seht ihr das? Seid ihr schon umgestiegen auf Linux oder bleibt ihr bei Windows, weil ihr ohne Fortnite nicht könnt? Gerne in die Kommentare schreiben – und auch gerne, welche Videos ihr euch zum Themenkomplex Linux-Gaming noch so wünscht. Tschüss!


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(jkj)

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