Ein Team der Tokyo University of Science hat eine vom menschlichen Auge inspirierte, künstliche Synapse entwickelt, die Farben mit einer Präzision von 10 Nanometern unterscheiden kann und dabei ohne externe Stromversorgung auskommt. Die Energie für die Signalverarbeitung wird direkt aus dem Licht gewonnen, das ohnehin für die Farberkennung genutzt wird.
Maschinelles Sehen stellt Entwickler von Edge-Computing-Anwendungen vor große Herausforderungen: Die Verarbeitung umfangreicher Bilddaten erfordert erhebliche Rechen- und Speicherkapazitäten sowie eine konstante Stromversorgung. Dies begrenzt den Einsatz in Bereichen wie autonomen Fahrzeugen, Drohnen oder Smartphones, wo Energieeffizienz entscheidend ist. Im Gegensatz zu herkömmlichen maschinellen Sehsystemen, die jedes Detail erfassen und verarbeiten müssen, filtert das menschliche Gehirn Informationen selektiv und ermöglicht so eine effizientere visuelle Verarbeitung bei minimalem Energieverbrauch.
Wie die Tokyo University of Science mitteilt, hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Takashi Ikuno nun einen vielversprechenden Ansatz entwickelt. In ihrer kürzlich in "Scientific Reports" veröffentlichten Studie beschreiben die Wissenschaftler eine selbstversorgende, optoelektronische Synapse, die Farben mit einer Präzision unterscheiden kann, die der des menschlichen Auges nahekommt.
Das entwickelte Gerät kombiniert zwei unterschiedlich farbempfindliche Farbstoffsolarzellen (DSCs) in einer neuartigen Konfiguration. Die Besonderheit des Systems liegt in seiner bipolaren Reaktion auf verschiedene Lichtfarben: Blaues Licht erzeugt eine positive Spannung, während rotes Licht zu einer negativen Spannung führt. Grünes Licht, das im mittleren Wellenlängenbereich liegt, führt zu einer Spannung nahe Null. Diese Eigenschaft ermöglicht es dem Gerät, ohne zusätzliche Filter oder Sensoren zwischen verschiedenen Farben zu unterscheiden.
"Wir glauben, dass diese Technologie zur Realisierung von energiesparenden maschinellen Sehsystemen mit Farbunterscheidungsfähigkeiten beitragen wird, die denen des menschlichen Auges nahekommen, mit Anwendungen in optischen Sensoren für selbstfahrende Autos, energiesparenden biometrischen Sensoren für medizinische Zwecke und tragbaren Erkennungsgeräten", erklärt Ikuno.
Logische Operationen mit einem einzigen Gerät
Die Forschenden demonstrierten, dass ihre künstliche Synapse verschiedene logische Operationen wie AND, OR und sogar das komplexere XOR ausführen kann – Funktionen, die normalerweise mehrere konventionelle Geräte erfordern würden. Das funktioniert, da das System sowohl auf Lichtintensität als auch auf Wellenlängenänderungen reagieren kann.
In einem praktischen Anwendungsbeispiel verwendeten die Wissenschaftler ihre Entwicklung in einem Physical Reservoir Computing (PRC)-System, um verschiedene menschliche Bewegungen zu klassifizieren, die in Rot, Grün und Blau aufgezeichnet wurden.
Das System kann Bewegungen anhand farbcodierter Bilddaten erkennen. Die Farbstoffsolarzellen erzeugen je nach Lichtfarbe spezifische Spannungssignale, die von einem künstlichen neuronalen Netzwerk zur Bewegungserkennung ausgewertet werden.
(Bild: Ikuno et al.)
Das System erreichte eine Genauigkeit von 82 Prozent bei der Klassifizierung von 18 verschiedenen Kombinationen aus Farben und Bewegungen – und das mit nur einem einzigen Gerät anstelle der mehreren Photodioden, die in herkömmlichen Systemen erforderlich wären.
Funktionsweise auf Basis von Farbstoffsolarzellen
Das Team nutzte die einzigartigen Eigenschaften von Farbstoffsolarzellen, die mit zwei verschiedenen Farbstoffen (SQ2 und D131) sensibilisiert wurden. Diese Farbstoffe absorbieren Licht unterschiedlicher Wellenlängen und erzeugen dadurch unterschiedliche Photospannungen. Die Ausgangsspannung des Geräts ergibt sich aus der Summe dieser individuellen Spannungen, wobei die Polarität von der dominierenden Wellenlänge abhängt.
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass ihr Gerät synapsenähnliche Eigenschaften aufweist, die für die Verarbeitung zeitbasierter Daten entscheidend sind. Bei Tests mit aufeinanderfolgenden Lichtimpulsen zeigte das System einen bemerkenswert breiten "Paired-Pulse Facilitation (PPF)"-Index, der von -3776 bis 8075 reichte – deutlich größer als bei herkömmlichen künstlichen Synapsen, die typischerweise Werte zwischen 100 und 200 erreichen. Der Index beschreibt die verstärkte Antwort einer Synapse auf zwei schnell aufeinanderfolgende Reize, wobei die negativen Werte auf eine Hemmung und die positiven Werte auf eine Bestärkung hinweisen.
Diese Eigenschaft ermöglichte es dem Gerät laut den Forschern, bis zu sechs Bit Eingabemuster zu unterscheiden, was die Klassifizierungsfähigkeit standardmäßiger Farbstoffsolarzellen übertrifft und es für komplexere Erkennungsaufgaben geeignet macht.
(mack)