Tennisstar Jannik Sinner hat wegen des Aufruhrs um seine Dopingsperre ans Aufhören gedacht. Das sagte der Italiener in einem Interview des Senders Rai. Auf die Frage, ob es je einen Moment gab, in dem er aufgeben wollte, antwortete der 23-Jährige nach kurzem Zögern: »Ja. Ich erinnere mich, dass ich vor den Australian Open in diesem Jahr keine sehr glückliche Phase hatte.« Anfang Januar war noch offen, ob Sinner wegen seines Dopingbefundes aus dem Frühjahr 2024 womöglich lange gesperrt wird.
Er habe sich in Australien »nicht wohlgefühlt, etwa in der Umkleide oder beim Essen. Die Spieler haben mich anders angeschaut. Das war nicht schön«, sagte Sinner: »Es ist schwer, so zu leben im Tennis. Ich war immer einer, der Späße macht, in die Umkleidekabine geht und mit diesem und jenem Spieler spricht. Aber jetzt war es anders, es hat sich nicht gut angefühlt.«
Dopingmittel im Körper, Deal mit der Wada
Der Grund für den besonderen Umgang der anderen Tennisprofis mit Sinner war kein unerheblicher. Bei dem Südtiroler waren im März 2024 Spuren des Dopingmittels Clostebol entdeckt worden. Er behauptete, dass die Substanz über die Hände eines Masseurs unwissentlich in seinen Körper gelangt sei. Das klang abenteuerlich und ließ Sinner wie das Opfer unglücklicher Umstände wirken statt wie jemand, der betrügt.
Die für Dopingverfahren zuständige Agentur Itia glaubte dem Tennisprofi; sie verzichtete auf eine Sperre. Dagegen ging die Welt-Anti-Dopingagentur Wada vor und rief den Sportgerichtshof Cas an. Doch bis der Fall geklärt werden konnte, durfte Sinner weiterspielen – auch bei besagten Australian Open. Sinner gewann das Turnier.
Kritik von Djokovic und Williams
Um eine lange Dopingsperre kam Sinner schließlich herum. Die Verhandlung wurde nach einer außergerichtlichen Einigung abgesagt. Die Wada und Sinner schlossen einen Deal, wonach Sinner für drei Monate aussetzen musste und dann wieder spielen durfte. Ein Deal, der undurchsichtig war und in der Tenniswelt für teils großen Unmut sorgte.
Grand-Slam-Rekordchampion Novak Djokovic kritisierte den Antidopingkampf im Tennis und nannte die Bestrafungen darin »uneinheitlich« und »sehr unfair«. »Die Mehrheit der Spieler hat das Gefühl, dass es zu Bevorzugung kommt. Es scheint, als könne man das Ergebnis fast beeinflussen, wenn man ein Topspieler ist und Zugang zu den besten Anwälten hat«, sagte Djokovic. Und die frühere Weltklassespielerin Serena Williams sagte: »Wenn ich das getan hätte, hätte ich 20 Jahre Sperre bekommen.«
Sinner, Weltranglistenerster bei den Männern, sagte nun, dass er keinen Promi-Bonus bekommen habe. »Es gab keine unterschiedlichen Vorgehen. Auch wenn in meinem Fall Kritik aufkam, dass ich anders behandelt worden sei. Aber ich hatte viele Anhörungen. Und vielleicht haben sie mich danach sogar noch mehr kontrolliert«, sagte Sinner.