Jahrhundertealte DNA wirft neues Licht auf das Leben der Grönlandhunde

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Seit Jahrhunderten sind Grönlandhunde, die Qimmit, unverzichtbar im arktischen Alltag. Sie ziehen Schlitten über gefrorene Fjorde, transportieren Lasten, begleiten Jäger und sind so einer der wichtigsten Helfer der Inuit – bis jetzt. Denn die Zahl der Qimmit schrumpft rapide.

Motorschlitten machen die Hunde überflüssig, der Klimawandel verändert die Landschaft und innerhalb der Bevölkerung vollzieht sich ein kultureller Wandel, weg von der traditionellen Lebensweise. Gab es Anfang der 2000er Jahre noch rund 25.000 Hunde, sind es heute mit rund 13.000 nur noch etwa halb so viele.

Ein internationales Forschungsteam aus Grönland, den USA und Dänemark hat mit einer umfassenden Genomanalyse die Geschichte der Grönlandhunde untersucht. Ihr Ziel: die genetische Vielfalt der Tiere zu erfassen, ihre Abstammung zu rekonstruieren und auch Hinweise über die Herkunft der arktischen Bevölkerung zu gewinnen. Denn weil die Hunde über Jahrhunderte eng mit den Inuit lebten, spiegelt sich in ihrem Erbgut auch die Geschichte ihrer menschlichen Begleiter wider.

 Die Gene der Tiere ermöglichen einen Blick in die Vergangenheit

Grönlandhund im Schnee: Die Gene der Tiere ermöglichen einen Blick in die Vergangenheit

Foto: ddp

Für die im Fachjournal »Science« veröffentlichte Studie  verglichen Forschende um die Paleogenetikerin Tatiana Feuerborn das Erbgut von 92 Qimmit-Hunden mit dem von knapp 2000 Hunden anderer Rassen weltweit. Das Genom der Schlittenhunde stammt aus verschiedenen Gegenden Grönlands und unterschiedlichen Epochen. Einige Proben sind mehr als 800 Jahre alt, andere stammen aus der Kolonialzeit.

Import und Kreuzung mit anderen Rassen verboten

Die Geschichte des Qimmit macht ihn besonders spannend für Forschungen, denn trotz des gemeinsamen Ursprungs mit anderen arktischen Hunderassen – wie Huskys oder Malamutes – gibt es einen entscheidenden Unterschied. Anders als andere Rassen arbeiteten Grönlandhunde seit Jahrhunderten ununterbrochen in der gleichen Region, erläutern die Forschenden. Während andere einheimische Hunderassen ersetzt, stark mit anderen Hunden vermischt oder von Arbeitshunden zu Haustieren umgewandelt wurden, seien die Qimmit in ihrer traditionellen Rolle als Schlittenhunde in Grönland geblieben. Dazu tragen bis heute strenge Gesetze bei: Der Import und die Kreuzung mit anderen Hunderassen ist seit 1904 verboten.

Die neuen genetischen Analysen zeigen, dass die Qimmit in zwei Wellen mit den Inuit nach Grönland kamen. Die erste Welle begann vermutlich vor rund 1200 Jahren und damit früher als bisher angenommen. »Das wirft auch ein neues Licht auf die Bewegungen und den Zeitpunkt der Ankunft der Inuit in Grönland«, erklärt das Team um Tatiana Feuerborn.

Danach haben sich die regionalen Hundepopulationen – wie auch die menschlichen Gemeinschaften in Grönland – genetisch und räumlich voneinander abgeschottet. Andere Studien an menschlichen Genomen zeigten eine klare Populationsstruktur bei der Inuit-Abstammung, mit genetischen Unterschieden zwischen den Tunu (Osten), Kitaa (Westen) und Avanersuaq (Norden), so die Forschenden. »Diese Muster sind auch in den Ergebnissen unserer Hunde-Analyse ersichtlich.«

Wohl kaum Kreuzungen mit Wölfen

Aber wie konnten trotz der Isolation, Krankheiten und Hunger in den eher kleinen Gruppen Probleme durch Inzucht vermieden werden? Entgegen vieler Legenden scheinen Einkreuzungen von Wölfen in die Linie der Qimmit kaum eine Rolle gespielt zu haben. Die wenigen Wolfsgene stammen offenbar von sehr frühen Kreuzungen, lange bevor die Inuit mit ihren Hunden in Grönland eintrafen.

Vielmehr scheinen die besonderen Anpassungen an die harten arktischen Bedingungen den Hunden geholfen zu haben, trotz geringer genetischer Vielfalt gesund zu bleiben: »Unerwarteterweise hat offenbar die starke künstliche und natürliche Selektion, der die Qimmit ausgesetzt waren, dazu beigetragen, dass sich trotzdem eine gesunde Hundepopulation entwickelt hat«, sagen die Forschenden.

Doch mit dem anhaltenden Rückgang der Population wächst die Sorge. Eine weitere Verkleinerung des Genpools könnte langfristig das Risiko für Inzucht und damit verbundene Gesundheitsprobleme erhöhen. Die Forschenden hoffen daher, dass ihre Studie nicht nur neues Wissen liefert, sondern auch das Bewusstsein für die kulturelle und biologische Bedeutung der Grönlandhunde stärkt – und so dazu beiträgt, ihren Fortbestand als Teil des arktischen Erbes zu sichern.

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