Holocaust-Gedenken: Yad Vashem richtet ein Bildungszentrum in Deutschland ein

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Es ist ein einzigartiger Export: Das Land der Opfer und Überlebenden geht in das Land der Täter und ihrer Nachfahren. In der Sprache der Fakten: Das Holocaust-Gedenkzentrum Yad Vashem in Jerusalem wird mit Unterstützung der Bundesregierung ein ständiges Holocaust-Bildungszentrum in Deutschland einrichten. Dani Dayan, der Vorsitzende von Yad Vashem, war mit einer Delegation nach Deutschland gereist, um die Schritte dazu zu beraten und dann die Öffentlichkeit zu informieren. Dayan berichtete über den Stand der Vereinbarungen im Vereinsbüro des deutschen Yad-Vashem-Freundeskreises in Berlin.

Danach hat die Gedenkstätte nach mehreren Besuchen, die bis in das Jahr 2023 zurückgehen, und Gesprächen mit dem damaligen Bundeskanzler Scholz sowie anderen Mitgliedern der Ampel-Regierung die Erkenntnisse einer bundesweiten Machbarkeitsstudie umgesetzt und drei mögliche Bundesländer für ein solches Bildungszentrum ausgewählt. Auf der Shortlist stehen Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen. Der Auswahlprozess dürfte bis Mitte 2026 abgeschlossen sein. Gesucht wird nach einem passenden Gebäude in der richtigen Umgebung, so der Vorsitzende, ein neues werde nicht gebaut. In diesen Tagen haben Dayan und seine Delegation sich zu Gesprächen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Friedrich Merz, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und anderen Regierungsmitgliedern getroffen.

„Dieses Zentrum muss Erfolg haben“

Bei der Begegnung mit Medienvertretern ließ Dayan keinen Zweifel daran, welche Faktoren die Institution zu diesem Schritt veranlasst haben: Die letzten Zeugen der Shoah sterben, die Wissensvermittlung kann ab diesem Zeitpunkt nur noch eine sekundäre sein, auch wenn Yad Vashem weltweit die größte Sammlung von Holocaust-Zeugnissen ist und bleibt. „Wir sind an einem dramatischen Punkt unserer Gedenkpraxis. Es gibt keine nette Art, es zu sagen: Deutschland ist das Land der Täter. Israel ist das Land der Opfer und Überlebenden. Und Yad Vashem ist eine Institution für die Opfer. Was wir jetzt vorhaben, ist also eine Herausforderung. Dieses Bildungszentrum muss Erfolg haben.“

Man sollte sich die Sache nicht groß und repräsentativ vorstellen, eher praktisch, wendig und ausgestattet mit neuesten pädagogischen Konzepten. Zwanzig ständige Lehrer oder Coaches. Klassenräume, die nicht so heißen und schon gar nicht so aussehen sollen. Sondern? Wie eine „conversation zone“. In Yad Vashem werden schon seit Langem modernste Methoden angewandt. Seit vierzig Jahren bildet das Gedenkzentrum aus Jerusalem Lehrkräfte in allen sechzehn Bundesländern aus und liefert Werkzeuge für den Unterricht. Auch deutsche Polizeianwärter, Richter, Staatsanwälte, Geistliche, Schüler und Studenten lernen auf diese Weise dazu. Bisher gab es hierzulande nur keinen festen Ort dafür, kein Gravitationszentrum.

Überbietungswettbewerb in Desinformation

In diesen Tagen in Berlin hat Dayan mit Bundeskanzler Merz über die langjährige deutsch-israelische Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Forschung und Gedenken gesprochen. Beide sehen den alarmierenden Anstieg des Antisemitismus, nicht nur in Deutschland. Dayan besuchte auch das Haus der Wannsee-Konferenz, wo 1942 die planmäßige Ermordung der europäischen Juden beschlossen wurde. Es gibt also genug zu vermitteln, und das bei abnehmender Bildung, größerem Desinteresse, stärkerer gesellschaftlicher Polarisierung und öffentlichem Desinformations-Überbietungswettbewerb. Die drei großen Aufgaben des Gedenkzentrums Yad Vashem, so Dayan, sind: Dokumentation und Daten, um Authentizität zu garantieren; Forschung, um Wissen zu produzieren; und Verbreitung, um das Wissen weiterzureichen und kommenden Generationen zugänglich zu machen. Reale Spuren und reale Zeugenschaft seien die einzigen Waffen, mit denen man den Leugnern und Verharmlosern entgegentreten könne. Ein Holocaust-Bildungszentrum in Deutschland sei auch als Antwort auf die Schnipselwelt der Social-Media-Generation zu verstehen. Zusammenhänge und geschichtliche Ursachen seien nicht auf TikTok darstellbar, sie müssten auf andere Weise weitergegeben werden. Dayan betonte, das geplante Holocaust-Bildungszentrum in Deutschland sei keine Reaktion auf die Terrorangriffe der Hamas und die Geiselnahmen am 7. Oktober 2023. Die Pläne seien älter. „Aber wissen Sie, woran jeder von uns am 7. Oktober gedacht hat? An den Holocaust.“

Mit dem Wechsel von der alten zur neuen Bundesregierung ist die Betreuung des geplanten Yad-Vashem-Bildungszentrums in Deutschland in die Hände des Bildungsministeriums übergegangen. Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte, ihre Erfahrung habe sie gelehrt, „dass der Besuch von Gedenkstätten ein integraler Bestandteil des Lehrplans sein sollte, verbunden mit einer angemessenen Vorbereitung und Nachbereitung“. Sie sei dankbar, so die Ministerin, „dass Yad Vashem diesen Schritt in Deutschland gehen möchte“.

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