Handelskrieg: Wo sich die US-Zölle besonders stark auswirken könnten

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Die USA planen 30 Prozent Zölle auf EU-Waren. Wie betroffen sind einzelne EU-Länder, und was bedeutet das für die Verhandlungen? Antworten auf die wichtigsten Fragen

14. Juli 2025, 14:20 Uhr Quelle: DIE ZEIT, AFP, Reuters, dpa,

 Lässt wegen der Einfuhrzölle die Nachfrage in den Vereinigten Staaten nach, dann könnten sich die Container im Hafen von Frankfurt am Main noch höher stapeln.
Lässt wegen der Einfuhrzölle die Nachfrage in den Vereinigten Staaten nach, dann könnten sich die Container im Hafen von Frankfurt am Main noch höher stapeln. © Florian Wiegand/​Getty Images

Die Hoffnung der EU-Staaten auf ein Handelsabkommen mit den USA haben sich am Wochenende einstweilen zerschlagen. Präsident Donald Trump kündigte in einem Brief an die EU-Kommission Einfuhrzölle auf EU-Waren in Höhe von 30 Prozent bereits ab August an. Er wolle damit das jahrelange Handelsdefizit "korrigieren", schrieb Trump.

In der EU wird noch über einen geeigneten Umgang mit den Maßnahmen verhandelt. Die Kommission stoppte ein Paket mit Gegenzöllen, die Staats- und Regierungschefs zeigten sich optimistisch für weitere Gespräche mit den USA. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sieht es aus, als würden Exporte in die USA bereits in zwei Wochen vor deutlichen Hindernissen stehen. In welchen Ländern könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen besonders spürbar sein? Und wie wirkt sich das auf mögliche Verhandlungen der EU mit den USA aus?

Alle Fragen im Überblick:

Wie ist die Handelssituation der EU mit den USA derzeit?

Die meisten der EU-Staaten führen mehr Produkte in die Vereinigten Staaten ein, als sie von dort importieren. Laut der im Februar veröffentlichten Jahresstatistik des Bureau of Economic Analysis (BEA), das dem US-Handelsministerium unterstellt ist, beläuft sich der EU-Handelsüberschuss auf 235,6 Milliarden Dollar (201,5 Milliarden Euro) und ist damit der zweitgrößte nach China. 

Nur vereinzelte EU-Länder verzeichneten laut Eurostat im vergangenen Jahr ein Handelsdefizit mit den USA: Das waren die Niederlande, Spanien, Polen, Slowenien, Zypern sowie Luxemburg und Malta.

Die US-Regierung und Präsident Donald Trump hatten den Handelsüberschuss wiederholt kritisiert und höhere Zölle angekündigt. Diese liegen bislang bei zehn Prozent auf alle Einfuhren. Darüber hinaus werden bereits Sonderzölle von 25 Prozent für Pkw und Kraftfahrzeugteile sowie für 50 Prozent für Stahl und Aluminium erhoben. Auch für Kupfereinfuhren waren bereits Einfuhrzölle in Höhe von 50 Prozent angekündigt. 

Nach der Mitteilung vom Wochenende soll der allgemeine Zollsatz ab August auf 30 Prozent ansteigen.

Wie stark wäre Deutschland von den US-Zöllen betroffen?

Deutschland dürfte von der Erhöhung der US-amerikanischen Einfuhrzölle besonders stark betroffen sein. Die Bundesrepublik verzeichnete zuletzt einen Überschuss von 84,8 Milliarden Dollar im Handel mit den USA.  Insbesondere die Autokonzerne, die Stahl- und Chemieunternehmen sowie die Maschinenbau-Industrie exportierten ihre Produkte in die Vereinigten Staaten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dringt deshalb darauf, diesen Branchen bei Verhandlungen mit Trump Priorität einzuräumen.

Manche Unternehmen könnten besonders stark betroffen sein. Der Autobauer Mercedes-Benz etwa erzielt 23 Prozent durch sein USA-Geschäft. Einen Teil davon macht die Produktion von SUV-Wagen in den Vereinigten Staaten aus, die von dort aus auch exportiert werden. 

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bezeichnete die angekündigten Zölle als Alarmsignal für die Industrie auf beiden Seiten des Atlantiks. Ähnlich äußerten sich die DIHK und der Maschinenbauverband VDMA.

Welche EU-Länder müssen noch mit großen Einbußen rechnen?

Ein EU-Land verzeichnet ein noch höheres Handelsdefizit mit den USA als Deutschland: In Irland liegt der Exportüberschuss bei 86,7 Milliarden Dollar. Das hängt vor allem mit dem niedrigen Steuersatz von 15 Prozent zusammen, wegen dem US-Konzerne wie Apple, Google und Meta ihre Europazentralen dort angesiedelt haben. 

Zudem sind zahlreiche Pharmaunternehmen in Irland ansässig. Auch US-Konzerne wie Pfizer, Eli Lilly und Johnson & Johnson melden ihre Patente vielfach in Irland an, um Steuern zu sparen, und verkaufen die Medikamente und Impfstoffe anschließend auf dem US-Markt, wo sie besonders hohe Preise erzielen können. 

Insgesamt machen pharmazeutische Produkte laut der EU-Statistikbehörde Eurostat 22,5 Prozent der gesamten EU-Exporte in die USA aus. Einige große Player der Branche haben bereits größere Investitionen in den USA angekündigt, um den Handelsmaßnahmen entgegenzuwirken.

Auch für kleinere Staaten wie Österreich und Schweden könnte der Handelskonflikt große Auswirkungen haben, da sie ebenfalls zahlreiche Produkte in die Vereinigten Staaten exportieren. Österreichs Handelsüberschuss beträgt 13,1 Milliarden Dollar, während der von Schweden bei 9,8 Milliarden Dollar liegt. 

Welche Länder könnten von den US-Zöllen eher weniger betroffen sein?

Weniger abhängig von Exporten in die USA sind etwa Italien und Frankreich. Italiens Handelsüberschuss liegt bei 44 Milliarden Dollar. Bei Frankreich sind es 16,4 Milliarden Dollar, die französischen Behörden geben sogar ein deutlich geringeres Handelsbilanzdefizit an. 

Allerdings könnten auch dort einzelnen Branchen besonders stark betroffen sein. Für Frankreichs Hersteller von Wein und Spirituosen wäre ein 30-prozentiger US-Zollsatz eine "Katastrophe", warnte die Agrar-Gewerkschaft FNSEA. Der italienische Landwirtschaftsverband Coldiretti rechnete vor, der 30-prozentige Zollsatz würde die US-Verbraucher und die italienische Lebensmittelindustrie etwa 2,3 Milliarden Dollar kosten.

Auch der Druck auf die Autobranche zeigte sich bereits: Der italienisch-französische Automobil-Dachkonzern Stellantis, zu dem Marken wie Fiat, Maserati, Citroën und Peugeot gehören, setzte seine Umsatzprognosen wegen der Unsicherheit durch Trumps Zollpolitik aus.

In Frankreich sind überdies die Luftfahrtbranche sowie die Luxusbranche betroffen. Der weltgrößte Luxusmarken-Hersteller LVMH macht etwa ein Viertel seines Umsatzes in den USA. Etwa ein Fünftel der französischen Ausfuhren in die USA entfällt auf die Luftfahrtbranche, insbesondere auf den Konzern Airbus, der auch Werke in Deutschland betreibt.

Wie reagiert die EU auf US-Zölle?

Die EU-Handelsminister beraten sich diesen Montag zu einer Strategie im Zollkonflikt. Bereits am Wochenende hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) weitere Verhandlungsbereitschaft mit den USA gezeigt und zugleich angedeutet, dass die EU erst nach dem 1. August Gegenmaßnahmen ergreifen könne. Es gebe immer noch die Hoffnung auf eine Einigung, sagte von der Leyen. Ein für Montagnacht angekündigtes Paket mit Gegenzöllen war deshalb zunächst ausgesetzt worden. 

Allerdings stehen die Verhandlungen gleich vor mehreren Schwierigkeiten. Einerseits berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die europäischen Verhandler bei den US-Unterhändlern mit unterschiedlichen Positionen konfrontiert seien und niemand wisse, wie Trump entscheiden werde. 

Andererseits gibt es durch die unterschiedliche Schwere der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen auch innerhalb der 27 Mitgliedstaaten widersprüchliche Interessen. Während Deutschland auf ein schnelles Abkommen drängt, um seine Industrie zu schützen, warnt etwa Frankreich davor, einem einseitigen Abkommen zu US-Bedingungen nachzugeben.

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