Glosse: Das Streiflicht

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(SZ) Kürzlich haben der Freisinger Kardinal Reinhard Marx und der Gräfelfinger Showmaster Thomas Gottschalk unabhängig voneinander denselben Witz über das Alter des neuen Papstes gemacht. Der Heilige Vater ist ja, gemessen an seinen Vorgängern, nahezu jung ins Amt getreten und wird dieses Amt, sofern der Himmel es will, die nächsten zwanzig Jahre gestalten können. Gottschalk und Marx, die beide über siebzig, darüber hinaus aber nur mit Mühen miteinander vergleichbar sind, haben unabhängig voneinander gesagt, sie seien nun älter als der gegenwärtige Papst. Das ist an sich nicht so wahnsinnig originell, denn es gibt allein in Deutschland ungefähr 14 Millionen Menschen, die über siebzig Jahre alt sind. Aber unter diesen vielen dürfte es kaum jemanden geben, der sagt, er werde dieses oder jenes drangeben, sobald er älter ist als der Papst. Thomas Gottschalk dagegen hat am vergangenen Wochenende angekündigt, die Fernsehwelt mal wieder für alle Ewigkeit zu verlassen, denn er sei nun eben älter als der Papst und das sei wohl das Signal, sich endgültig zurückzuziehen.

Reinhard Marx wiederum, ein für seine westfälische Vitalität bekannter und gerühmter Kardinal, zog aus dem Befund, älter zu sein als der Papst, eine nahezu gegenteilige Konsequenz. Die Worte des Kardinals: „Da muss ich sagen, es geht weiter, auch in der Zukunft, auch wenn ich tot bin, da braucht man keine Sorge zu haben.“ So kann ein und dieselbe Botschaft zwei unterschiedliche Auslegungen der eigenen Wichtigkeit nach sich ziehen: Der eine ist so beleidigt, dass er ab sofort keine Witze über Frauen und Männer mehr vor der Kamera machen möchte. Der andere glaubt, von nun an die Sache etwas entspannter angehen zu können, weil er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht selbst noch einmal Papst werden muss. Saskia Esken hat sich, soweit bekannt, nicht zur Papstwahl geäußert. Das liegt vermutlich daran, dass Esken jünger ist als der Papst und zudem in den vergangenen Tagen sehr mit ihrer eigenen Wahl respektive Nicht-Wahl beschäftigt war. Sie wird sich nicht mehr zur Parteivorsitzenden wählen lassen, erklärte sie. Stattdessen wolle sie Platz machen für Jüngere. Wenn Ältere Platz machen wollen für Jüngere, sagen sie damit eigentlich vor allem dies: Die Jüngeren wollen, dass ich Platz mache für sie. Sie finden, dass ich zu alt bin für diesen Job, und ich finde ja eigentlich, die Jüngeren sind dafür zu doof.

Einer der numerischen Vorgänger des jungen Papstes, Leo X., war erst 37, als er den Stuhl Petri bestieg. Aber damals, im Jahr 1513, war man in diesem Alter so wie man heute mit 67 ist – noch gut beieinander, aber bereits mit der vor geraumer Zeit gekippten Sanduhr des Lebens ausgestattet. Apropos: Bundeskanzler Friedrich Merz ist knapp zwei Monate jünger als der Papst. Um es mit Marx zu sagen: Es geht weiter. Auch in der Zukunft.

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