Es sind Worte, die aus dem Herzen kommen. „Our roots are connected like trees in this field. A bond to cherish, a promise to keep.“ Junge Menschen aus Deutschland und Israel haben gemeinsam gedichtet: über die verbundenen Wurzeln der beiden Länder und Versprechen, die daraus für die Zukunft erwachsen.
Israels Staatspräsident Izchak Herzog, Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bildungsministerin Karin Prien (CDU) lauschen aufmerksam, als sie das Gedicht vortragen. Herzog ist an diesem Montag zu Gast in Berlin, um das 60-jährige Jubiläum der offiziellen deutsch-israelischen Beziehungen und die unwahrscheinliche Freundschaft dieser beiden Völker nach der Shoah zu feiern.
Herzog, Steinmeier und Prien haben sich deshalb Zeit genommen, um jungen Menschen aus Israel und Deutschland zuzuhören und zuzusehen, die den Abschluss eines Jugendaustausches begehen.
Große Feierstimmung kann sich kaum einstellen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Es ist ein fröhliches, aber auch nachdenkliches Zusammentreffen. Zu ernst sind die Zeiten, als dass das hier keine Rolle spielen würde. Das Gedicht ist entstanden, um an das Schicksal der von der Hamas noch immer verschleppten Geiseln zu erinnern.
© REUTERS/Fabrizio Bensch
„Große Feierstimmung kann sich kaum einstellen“, hat Steinmeier zuvor bei der Pressekonferenz im Garten des Schlosses Bellevue gesagt. Dann spricht er Herzog direkt an: „Dein Land wurde von der Hamas überfallen“. Deutschland leide mit den israelischen Geiseln der Hamas und ihren Familien, betont Steinmeier und verspricht, dass sich die Bundesrepublik weiter für ihre Freilassung einsetzen werde.
Schwierig ist dieses Zusammentreffen aber auch, weil das Verhältnis beider Regierungen von Differenzen geprägt ist. Um kurz vor zehn empfängt Steinmeier Herzog mit einer herzlichen Umarmung und militärischen Ehren im Schloss Bellevue. Es folgt, was Steinmeier später einen sehr offenen Austausch nennt. Bei der Pressekonferenz bezeichnet Steinmeier die guten deutsch-israelischen Beziehungen nach der Shoah zwar als unverhofftes Geschenk. Doch dann kommt der Bundespräsident schnell auf die Gegenwart und den Krieg im Gazastreifen zu sprechen.
Dabei betont Steinmeier bei aller Solidarität mit Israel seine Bitte an Herzog, sich dafür einzusetzen, „dass rasch wieder humanitäre Hilfe nach Gaza kommt“. Steinmeier drängt auf einen Waffenstillstand - damit die Hamas die Geiseln freilässt, und „um eine noch größere humanitäre Katastrophe in Gaza zu verhindern“. Auf Nachfrage verhehlt Steinmeier nicht, dass Israels Kriegsführung in Gaza eine Belastung für die Freundschaft beider Länder ist.
„Ein anderes Deutschland“
Herzog hingegen spannt im Garten des Bellevue den großen Bogen, indem er von seinem Vater erzählt. Der erlebte als hochrangiger Diplomat die ersten Annäherungsversuche zwischen Kanzler Konrad Adenauer und Israels Ministerpräsident David Ben-Gurion mit.
Später war Chaim Herzog der erste israelische Staatspräsident, der 1987 Deutschland besuchte. In der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Bergen-Belsen sagte er: „Kein Verzeihen habe ich mit mir gebracht - und kein Vergessen. Nur die Toten haben das Recht zu verzeihen, und den Lebenden ist nicht erlaubt, zu vergessen.“
Sein Vater, sagt Herzog, habe 1987 den Eindruck gewonnen, „dass es ein anderes Deutschland gibt“, das sich aufrichtig mit seiner Vergangenheit auseinandersetze. Für die deutsch-israelischen Beziehungen war es ein Meilenstein.
Auf die von Steinmeier angesprochene Belastung dieser Freundschaft geht Izchak Herzog nicht ein. Warum Israel seit mehr als zwei Monaten keine Hilfslieferungen in den Gazastreifen lässt – dazu äußert sich Herzog nur auf Nachfrage. Es sei eine Verzerrung, dass Israel keine Lebensmittel und Hilfsgüter nach Gaza lassen wolle. Nur könne man deren Verteilung nicht der Mafia-Organisation Hamas überlassen. Es werde jedoch intensiv an einem neuen Mechanismus gearbeitet, um die Hilfe direkt an die Menschen zu verteilen.
Über Israels Militäreinsatz in Gaza werden die beiden Staatsoberhäupter sicherlich auch am Dienstag und Mittwoch bei Steinmeiers Gegenbesuch in Israel diskutieren. Dann steht auch ein Besuch des Kibbuz Beeri auf dem Programm, das derzeit nach der Zerstörung durch die Hamas mit deutscher Hilfe wiederaufgebaut wird.