Glasfaser bis in die Wohnung – ein FTTH-"Häuserkampf"

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Die Experten auf der Breitbandmesse Anga Com in Köln waren sich einig: Der Ausbau mehrgeschossiger Gebäude mit Glasfaser bis in jede Wohnung (Fiber to the Home, FTTH) ist eine Herkulesaufgabe. Von den 5 bis 6 Millionen Haushalten, die heute über Glasfaser im Internet surfen, befinden sich nur eine Million in Mehrfamilienhäusern. Somit bleiben noch rund 22 Millionen Wohnungen, die auf einen Glasfaseranschluss warten.

Auf dem Glasfasergipfel der Anga Com stellte Bernd Thielk, geschäftsführender Gesellschafter von willy.tel, die entscheidende Frage: Wer soll das bezahlen? Ausgehend davon, dass pro Glasfaseranschluss Kosten in Höhe von 1.000 Euro anfallen, steht eine Summe von 22 Milliarden Euro im Raum. Am Ende kommt der Verbraucher über den Preis seines Internettarifs für diese Kosten auf. "Kann der Kunde das bezahlen, will der Kunde das bezahlen?", fragte Thielk auf der Veranstaltung.

Und das ist längst nicht die einzige Herausforderung, wenn Glasfaser in Häuser, auf die sogenannte Netzebene 4 (NE4) verlegt werden soll. Vor dem Verbraucher steht der Gebäudeeigentümer. "Das ist wie ein Häuserkampf", sagte Thielk, der mit willy.tel seit 20 Jahren Glasfaser in Hamburg verlegt. Hier gäbe es viele Eigentümer mit einzelnen kleinen Häusern. "Mit jedem Einzelnen muss man sich in Verbindung setzen, um Zugang zu bekommen", erklärte Thielk in Köln.

Den Zugang erhalten Netzbetreiber über die Grundstückseigentümererklärung (GEE). Große Wohnungsunternehmen kennen sich mit GEE aus, aber für viele kleine, teils privaten Eigentümer ist sie ein bürokratisches Monster. "Das Einholen der GEE ist schwierig", betonte daher auch Nelson Killius,Sprecher der Geschäftsführung der Münchener Stadtwerketochter M-net. Im urbanen NE4-Ausbau hat M-net inzwischen eine fünfstellige Zahl an Gebäuden mit Glasfaser erschossen. "Das ist okay, aber wir müssen es mindestens nochmal um den Faktor 4 skalieren", erklärte Killius auf der Anga Com.

Wie kann das gelingen. "Die GEE muss entschlackt werden und sollte möglichst wenig juristischen Text enthalten", schlug OXG-CEO Sören Trebst vor. Der wohl wichtigere Aspekt: eine bessere Vermarktung. "Nur den Speed in den Vordergrund zu bringen, halte ich für falsch", sagte Reinhard Sauer, CEO der Deutschen GigaNetz. Das sieht auch Killius so: "Wir sollten nicht über Bandbreite reden, sondern darüber, was man dafür bekommt."

Auf diese Weise könnten sich die Glasfasernetzbetreiber auch von der Konkurrenz durch DSL und TV-Kabelnetze abheben, die in Städten auch Teil des "Häuserkampfes" ist. "Ich mache mir keine Hoffnung, dass diese Haushalte extrem schnell migrieren werden", sagte Trebst. Für ihn liegt ein Hebel darin, gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft kooperative Lösungen für den Glasfaserausbau auf der NE4 zu finden.

Der andere Hebel: ein klarer Fahrplan für die Migration von DSL- auf Glasfasernetze. "Wir nehmen niemanden seinen Internetanschluss weg", betonte Killius. "Wir wollen stattdessen aufrüsten." Er könnte sich vorstellen, ab 2032 DSL-Netze abzuschalten, insofern am gleichen Ort eine hohe Glasfaserpenetration bestünde. Einigkeit herrschte in der Runde darüber, dass ein konkreter Fahrplan für die Kupfer-Glas-Migration den FTTH-Ausbau, auch in Mehrfamilienhäusern, beschleunigen würde. Hier ist allerdings das neue Digitalministerium gefragt, einen solchen Fahrplan zu entwickeln.

(akn)

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