Die Zäsur im Bundesministerium für Bildung und Forschung stand schon fest, bevor über Personalfragen entschieden wurde. Das BMBF in der gewohnten Form wird es nicht mehr geben. Die Bildungsreferate wandern ins Familienministerium, dafür bekommt das neue Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt mehrere Abteilungen aus dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen. Eine Revolution ist das nur im Kleinen. Die Trennung von Wissenschaft und Bildung folgt einem Muster, das in vielen Bundesländern schon Praxis ist, sowie der allgemeinen Tendenz, die Wissenschaft stärker mit der Innovationspolitik zu verschränken. Profitieren kann davon die seit Langem geplante Förderagentur für die Anwendungsforschung, die den lahmenden Wissenschaftstransfer ankurbeln soll. Die bisherigen Planungen litten unter der mangelhaften Finanzausstattung, besonders aber darunter, dass das Wirtschaftsministerium schon über hoch dotierte Förderprogramme verfügt. Die Wissenschaft gerät durch die Neukonzeption noch stärker unter Anwendungsdruck.
Warum die CSU die Leitung des neuen Ministeriums der forschungspolitischen Novizin Dorothee Bär überträgt, bleibt das Geheimnis des Parteivorsitzenden. Die studierte Politikwissenschaftlerin hat Erfahrungen als Bundesbeauftragte für Digitalisierung im Bundeskanzleramt vorzuweisen, wo sie keine allzu tiefen Spuren hinterließ. In Erinnerung bleibt ihre Forderung nach Flugtaxis, was ihrer Eignung für die Leitung eines Raumfahrtministeriums aus CSU-Sicht zumindest nicht abträglich war. Dass die Raumfahrt im Namen eigens ausgewiesen wird, hat wohl in erster Linie mit den himmelstürmenden Ambitionen des bayerischen Ministerpräsidenten zu tun. Allerdings hat Bayern in diesem Forschungsfeld tatsächlich auch etwas vorzuweisen.
Erklärungsbedürftig wirkt die Personalentscheidung umso mehr, als die Digitalisierungspolitik nun doch in die Hände eines neuen Digitalministeriums gelegt wird. Mit dem studierten Physiker (einige Semester), diplomierten Politikwissenschaftler und amtierenden bayerischen Wissenschafts– und Kultusminister Markus Blume hätte ein profilierter Mann für das Forschungsministerium zur Verfügung gestanden. Den Ausschlag gaben vermutlich Proporzüberlegungen und der außergewöhnliche Erststimmenerfolg von Bär bei der Bundestagswahl. Der Ruf der Wissenschaft nach forschungspolitischer Expertise wurde ein weiteres Mal überhört. Das Ministerium war schon in den vergangenen beiden Legislaturen mit aufstrebenden, aber unerfahrenen Politikerinnen besetzt worden, die beide nie ins Amt fanden, und wirkte zuletzt arg zerrupft.
Bildung im Multifunktionsministerium
Der Koalitionsvertrag spart in der Forschung nicht mit ehrgeizigen Zielen. Alles, was Zukunft verheißt, von der Quantentechnologie über die Künstliche Intelligenz bis zur Raumfahrt, soll nach bayerischem Vorbild Teil einer Hightech-Agenda werden. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie Max Planck und Fraunhofer dürfen mit üppigen Aufwüchsen rechnen, wenn man den Finanzierungsvorbehalt einmal weglässt. Die von der Forschungspolitik traditionell benachteiligten Hochschulen müssen darauf hoffen, dass die Hochschulbildung doch im Ministerium bleibt. Andernfalls hätten sie mit einer komplizierten Doppelstruktur zu tun, die die Einheit von Forschung und Lehre noch stärker strapazieren würde, als das heute schon der Fall ist.
Der Verbleib der Hochschulbildung im Ministerium würde wiederum den Plan der neuen Bildungs- und Familienministerin Karin Prien vereiteln, die gesamte Bildungskette von der frühkindlichen bis zur Erwachsenenbildung in einem Ministerium zu vereinen. Mit der schleswig-holsteinischen Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wurde immerhin eine beschlagene und parteipolitisch arrivierte Bildungspolitikerin ausgewählt. Sie muss dafür sorgen, dass die Bildung in dem Multifunktionsministerium für nunmehr Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend nicht untergeht. In der Kultusministerkonferenz ließ Prien mit einem Vorschlag für messbare Ziele in der föderalen Bildungspolitik aufhorchen, etwa was den Zusammenhang von Bildung und Herkunft betrifft. Die Chancengerechtigkeit will sie mit dem Ausbau des Startchancenprogramms und seiner Ausweitung auf Kitas verbessern. Daneben wird sie mit den bekannten Problemen zu kämpfen haben: der hohen Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss und der Rechen- und Leseschwäche vieler Schüler. Dazu steht sie vor der pikanten Aufgabe, ein Ministerium zu leiten, das wegen seines gesellschaftspolitischen Missionsdrangs von der CDU teils unter Ideologieverdacht gestellt wurde, wofür die dem linken Parteiflügel angehörende Politikerin vielleicht nicht die schlechteste Wahl ist.