Eine Katastrophenschützerin übernimmt: Kriegt Nina Warken das Gesundheitswesen in den Griff?

vor 8 Stunden 2

Eine „blitzgescheite Generalistin“ nannte Baden-Württembergs CDU-Chef Manuel Hagel am Montag seine Generalsekretärin Nina Warken. Ein Ausdruck von Wertschätzung und zugleich ein Hinweis darauf, was der 45-Jährigen noch fehlt: die fachliche Expertise für ihr neues Amt.

Am Montag trat Warken auf dem kleinen Parteitag der CDU erstmals als designierte Gesundheitsministerin auf. Vor dem Wochenende hatte damit niemand gerechnet.

Warken ist gelernte Innenpolitikerin

Zur Gesundheitspolitik hatte die Volljuristin aus Tauberbischofsheim bisher keinen Bezug. Im Bundestag kümmerte sich Warken um die Innenpolitik und als Parlamentarische Geschäftsführerin um die Organisation der CDU/CSU-Fraktion. Dabei baute sie zum Fraktionschef und künftigen Kanzler Friedrich Merz ein Vertrauensverhältnis auf.

Warken übernehme eine Aufgabe, „die sicherlich zu den schwierigsten im Lande zählt – mit vielen, vielen unterschiedlichen Interessen“, sagte Merz bei ihrer Vorstellung. Das erfordere vor allem persönliche Stabilität, ein klares politisches Konzept und eine gute Orientierung.

Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz mit den künftigen Ministern der Union.

© IMAGO//Florian Gaertner

Dass Merz sie für das Amt nominiert, kam auch für Warken persönlich überraschend. In den Koalitionsverhandlungen hatte sie noch die Themen Innenpolitik und Migration verhandelt. Nun wird sich Warken „in Windeseile“ in der Gesundheitspolitik zurechtfinden müssen, wie es Hagel formuliert.

Helfen kann ihr dabei Tino Sorge. Der Magdeburger Bundestagsabgeordnete war in der vergangenen Legislaturperiode gesundheitspolitischer Sprecher der Union. Er war lange selbst als Gesundheitsminister im Gespräch und wird nun Warkens Parlamentarischer Staatssekretär.

Harter Kampf um einen Milliardenmarkt

Geht es nach Manuel Hagel, wird Warken zudem „viel Wert auf Expertise und die Meinung von Fachleuten“ legen. Ein Ratschlag mit Tücken. Denn neutrale Fachleute sind im deutschen Gesundheitswesen nur schwer zu finden.

Handelt es sich doch um einen Milliardenmarkt. So werden allein die 94 gesetzlichen Krankenkassen in diesem Jahr 341 Milliarden Euro für die Versorgung ihrer Versicherten ausgeben. Eine kaum überschaubare Zahl von Interessensgruppen versucht, in dem stark regulierten Geschäft einen möglichst großen Teil vom Kuchen abzubekommen.

341

Milliarden Euro werden die gesetzlichen Krankenkassen 2025 für die Versorgung ihrer Patienten ausgeben.

Der Bund gibt dabei nur die Rahmenbedingungen vor. Für welche Behandlungen die Kassen die Kosten übernehmen, entscheidet hauptsächlich die Selbstverwaltung des Gesundheitswesens, in der Vertreter der Krankenkassen, der Kassenärzte und der Krankenhäuser sitzen.

Als gelernter Gesundheitsökonom ist der amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) diesen Interessensvertretern mit einer gewissen Skepsis begegnet. Entsprechend erleichtert hoffen die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner, nach dem Ministerwechsel auf weniger „Misstrauen“. Von Warken versprechen sie sich „echte Bereitschaft zum sachlichen Dialog und mehr Verlässlichkeit im Handeln“.

Gegen weniger Streit mit den Verbänden spricht tatsächlich nichts. Aber Warken darf deshalb nicht vor einschneidenden Reformen zurückschrecken. Denn die Kosten im Gesundheitswesen laufen aus dem Ruder.

Rekordanstieg bei den Beiträgen

Im Schnitt zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die gesetzliche Krankenversicherung bereits jetzt 17,5 Prozent Beitrag. Ein Zuwachs um mehr als einen Prozentpunkt gegenüber dem Vorjahr. 2026 droht nun ein weiterer Anstieg.

Mehr Steuermittel, um das zu verhindern, wird es laut Koalitionsvertrag nicht geben. So wird der Staat wohl auch in dieser Legislaturperiode die Gesundheitskosten von Bürgergeld-Empfängern nicht vollständig übernehmen.

Umso mehr muss Warken Strukturreformen vornehmen. Die von Lauterbach angestoßene Krankenhausreform muss vollendet werden. Außerdem wird Warken die von Lauterbach vorbereitete Reform der Notfallversorge umsetzen müssen.

Schwarz-Rot hat sich außerdem vorgenommen, ein Primärarzt-System einzuführen, bei dem Kassenpatienten in der Regel erst zum Hausarzt und dann nur mit Überweisung zum Facharzt gehen.

Diese Schritte allein werden jedoch nicht reichen, um immer weiter steigende Beiträge zu verhindern. Zwei Expertenkommissionen sollen in den kommenden Jahren deshalb nun Vorschläge für grundlegende Reformen der Kranken- und der Pflegeversicherung vorlegen.

Karl Lauterbach wäre all diese Aufgaben in einer zweiten Amtszeit gerne selber angegangen. Seiner Nachfolgerin wünschte er am Montag viel Glück und Erfolg. „Ich werde am Anfang alles tun, um es ihr leicht zu machen, ins Amt zu finden“, sagte der SPD-Politiker auf Nachfrage vor Journalisten in Berlin.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Externen Inhalt anzeigen

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Lauterbach ist überzeugt, dass die Voraussetzungen für einen Blitzstart gegeben sind: Es lägen auf jeden Fall fertige Gesetze vor, „die einfach nur umgesetzt werden müssen“.

Als Hilfe beim Einstieg könnte sich ein früheres Ehrenamt erweisen. Bis 2023 war Nina Warken in Baden-Württemberg Präsidentin des Technischen Hilfswerks (THW).

„Ihre Erfahrung im Bevölkerungsschutz kann wichtige Impulse für den Gesundheitsschutz setzen“, ist der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen überzeugt. Er hofft, dass Warken deshalb die von ihm seit langem geforderte „Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes“ rasch vorantreibt.

Gesamten Artikel lesen