Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über eine 60 Tage lange Waffenruhe im Gazakrieg sind ins Stocken geraten. Beide Seiten machen sich demnach gegenseitig für den fehlenden Fortschritt verantwortlich. Ziele der Gespräche in der katarischen Hauptstadt Doha sind eine Feuerpause und die Freilassung von zehn lebenden Geiseln aus der Gewalt der Hamas sowie die Übergabe von Leichen mehrerer Verschleppter.
Wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Hamas-Kreisen berichtet, stellt das Ausmaß des israelischen Truppenabzugs aus Gaza während der erhofften Feuerpause einen zentralen Streitpunkt dar. Die israelische Delegation in Doha habe diesbezüglich »neue Landkarten« auf den Tisch gelegt, sagte ein Hamas-Vertreter. Israelischen Medienberichten zufolge besteht die israelische Führung darauf, das Militär in einem weitflächigen Areal im Süden des Gazastreifens zu belassen.
Israels Verteidigungsminister Israel Katz hatte erst zu Wochenbeginn gesagt, dass Israel im südlichen Gazastreifen – auf den Trümmern der Grenzstadt Rafah – eine »humanitäre Stadt« für 600.000 durch den Krieg vertriebene Palästinenser errichten wolle. Kritiker sprechen von einem Internierungslager, mit dem langfristig eine Zwangsdeportation verbunden sein könnte. Israel spricht davon, Palästinensern eine »freiwillige Ausreise« zu ermöglichen.
Für die Hamas ist ein Verbleib israelischer Truppen in einem derart großen Gebiet inakzeptabel. Bei früheren Waffenruhen hatte sich Israels Militär schrittweise aus allen Bevölkerungszentren im abgeriegelten Küstengebieten zurückgezogen. Es verblieb in einer etwa einen Kilometer breiten Pufferzone entlang der Grenzen des Gazastreifens.
Die Hamas verlangte ursprünglich, dass Israel auch bei der neuen Waffenruhe seine Truppen auf diesen Stand zurückzieht. Ein Hamas-Vertreter sagte der dpa, seine Organisation habe in Doha in dieser Frage »Flexibilität« bewiesen. Man habe Bereitschaft zur Akzeptanz eines ausgedehnteren Verbleibs israelischer Streitkräfte in Gaza signalisiert – wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie von Israel gefordert. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben beider Konfliktparteien ist derzeit nicht möglich.

Katars Hauptstadt Doha (2023): Schauplatz der indirekten Verhandlungen
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpaAm späten Samstagabend verdichteten sich Hinweise, dass Israel am Sonntag mit einer veränderten Landkarte zu den Vermittlern in Doha gehen könnte. Dies berichtete der israelische Fernsehsender Channel 12 unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Offiziellen eines anderen Landes. Ob sich damit die Differenzen bei den Verhandlungen überbrücken lassen, war zunächst nicht klar. Als Vermittler fungieren Diplomaten aus Katar, Ägypten und den USA.
Proteste in Tel Aviv und anderen Städten
Israel hatte der Hamas zuvor vorgeworfen, durch ihre »kompromisslose Haltung« die Gespräche in Doha zu »sabotieren«, zitierte die israelische Zeitung »Jediot Achronot« einen israelischen Offiziellen. Die Verhandlungen würden aber weitergeführt. Tausende Menschen demonstrierten unterdessen in Tel Aviv und anderen israelischen Städten für die Freilassung aller Geiseln, die die Hamas im Gazastreifen festhält.
Nach offiziellen israelischen Angaben werden noch 50 aus Israel entführte Menschen im Gazastreifen festgehalten, davon sollen mindestens 20 noch am Leben sein. Die Proteste richteten sich gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, weil diese aus Sicht der Demonstranten den Prozess der Geiselfreilassung in die Länge zieht.
Erst im Laufe der angestrebten 60-tägigen Feuerpause sollen die Seiten über eine dauerhafte Einstellung der Kampfhandlungen und die Freilassung der letzten Geiseln verhandeln. Eine Aussicht auf Freilassung haben diese nur, wenn es dabei zu einer Einigung kommt.
Kritiker werfen Netanyahu vor, ein Kriegsende hinauszuzögern und so sein eigenes politisches Überleben sichern zu wollen. Seine Regierungskoalition schließt rechtsextreme und ultrareligiöse Parteien ein, die eine militärische Besatzung des Gazastreifens fordern, um dort israelische Siedlungen zu errichten.