Von Dobrindt bis Prien: Merz’ Ministerriege ist ein Angebot ans Volk

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Krise, Kriege, Nullwachstum und ein Wortbruch bei der Schuldenbremse – selten hat sich ein künftiger Bundeskanzler derart vorbelastet seinem Amt genähert wie in diesen Tagen Friedrich Merz.

Der Druck auf ihn ist riesig, die Erwartungen an ihn ebenso. Mancher sieht Deutschland im Falle des Scheiterns der künftigen Regierung auf dem Weg in den Autoritarismus oder noch Schlimmeres. 

Nun hat Merz personelle Weichenstellungen getroffen, als Parteichef die Minister der CDU benannt. Die CSU hat es gleichfalls getan. Kann diese schwarze Riege von Ministerinnen und Ministern Merz aus der Defensive nach vorn bringen?

Merz hat Frauen und Männer nominiert, die politisch, geografisch, kulturell und habituell die Bandbreite der CDU abdecken, ohne sich allen Proporz-Anforderungen zu unterwerfen. Deshalb ist das Jammern etwa in Niedersachsen laut. Dass andererseits einige CDU-Politiker offenbar nicht Minister unter Merz werden wollten, lässt einen nachdenklich werden.  

Die Entscheidung für den Außenpolitiker Johann Wadephul für die Spitze des Auswärtigen Amtes ist ein Signal angemessener Ernsthaftigkeit. Wadephul ist ein Profi und er wird den künftigen Kanzler nicht zu blockieren versuchen, wenn der so viel Außenpolitik machen wird wie wohl kein Kanzler vor ihm.

Der designierte Innenminister Alexander Dobrindt wird die Erwartung der Bürger an innere Sicherheit als Bürgerrecht und einer klugen, realistischen Steuerung der Migration erfüllen müssen.

Dobrindt ist unter den nominierten Ministern der mit Abstand ausgebuffteste Profi, Stratege und Taktiker, und dies mit einer intellektuellen Durchdringung, die er hinter dem verbal groben Keil zuweilen verbirgt. Ob er, wie in den Koalitionsverhandlungen,, weiter das Scharnier zur SPD bilden wird, bleibt abzuwarten. Er muss nun seine neue Rolle ausfüllen.

Was für ein spätes Glück für Deutschland!

Karin Prien aus Schleswig-Holstein als künftige Bildungs- und Familienministerin steht für den liberalen, sozialen und, ja, immer noch, schwarz-grün geneigten Flügel der Union. 80 Jahre nach dem Ende der Shoah wird eine in Amsterdam geborene Deutsche erste jüdische Bundesministerin. Was für ein spätes Glück für Deutschland!

Mit den beiden bisherigen Managern – Katherina Reiche als Wirtschaftsministerin und Karsten Wildberger als Digitalisierungsminister – erhält die Wirtschaft eine Relevanz, die ihr in der Ampel-Regierung fehlte. Die Personalien klingen ein wenig nach einem Neuanlauf für „Digital First, Bedenken Second“. Gut so!

Die Nominierung der baden-württembergischen Innenpolitikerin Nina Warken als Gesundheitsministerin zeigt, dass Merz eben doch nicht alle Regional-Proporz-Erwägungen über Bord geworfen hat. Expertise dürfte hier kaum den Ausschlag gegeben haben.

Weimer ist ein Risiko für Merz

Mit dem Verlagsunternehmer Wolfram Weimer als Kultur-Staatsminister will Merz jenes wirtschaftsliberal-konservative Profil schärfen, das Teile der Union in der Ära Merkel so jäh vermisst haben. Die Entscheidung für Weimer kommt einer mittleren konservativen Eruption für die Kulturszene gleich.

Sie kann Merz noch teuer zu stehen kommen. Weimer wird auf erbitterten Widerstand der Kulturszene und gar im Bildungsbürgertum stoßen, die er vielleicht durch großzügiges Geldausgeben besänftigen kann. Wie Merz hat Weimer noch nie regiert. In Weimers Unberechenbarkeit liegt ein Risiko für den Kanzler in spe.

Union tanzt nicht nach der Pfeife der SPD

Der wird es ohnehin nicht leicht haben. Die AfD sitzt CDU, CSU und SPD im Nacken. Die bisher bekannte Ministerriege aber ist ein breites Angebot an die Volksparteien und ans Volk. Nebenbei sind die schwarzen Minister-Kandidaten ein Signal, dass die künftige Regierung eben nicht nur nach der Pfeife der 16-Prozent-SPD tanzen wird.

Diese SPD wird am Mittwoch klären, ob sie regieren will oder nicht. Sollten ihre Mitglieder, wider Erwarten, mit Nein votieren, ist diese Regierungsbildung Geschichte. Bei einem Ja muss Lars Klingbeil endlich über die Minister der SPD entscheiden.

Mit den von der Union nominierten Ressortchefs hat Merz angesichts der extremen Anforderungen an sich eine vergleichsweise einfache Aufgabe gelöst. Er hat zwar kein Meisterstück geformt, aber ein solides Team. Das ist, immerhin, ein Anfang.

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