Die große Bühne der Connect gehört jetzt den Brillen, nicht mehr den Headsets. Meta präsentierte gleich drei neue Modelle der Serien Ray-Ban und Oakley, ein neuronales Armband und eine klar erkennbare Strategie hin zum alltagstauglichen KI-Wearable. Dennoch sendet der Konzern ein klares Zeichen an die VR-Community: VR lebt und die Entwicklung geht weiter – nur eben abseits des Rampenlichts. Werfen wir einen Blick auf die diesjährigen VR- und Mixed-Reality-Ankündigungen.
Das Metaverse geht weiter
Vor ein paar Jahren war das "Metaverse" noch allgegenwärtig. 2025 bekommt es nur noch einen kompakten Block im Mittelfeld der Connect-Keynote spendiert. Dennoch stellte Mark Zuckerberg einige spannende Neuerungen vor. Anstelle neuer Hardware setzt der Facebook-Konzern nun vor allem auf Infrastruktur, Tools, Inhalte und die Pflege der Plattform.
So erhält Metas milliardenschwere Social-VR-Plattform "Worlds" eine neue Grafikengine: Die "Meta Horizon Engine" ersetzt die bisherige Unity-Basis und soll komplexe, grafikintensive Welten schneller laden und realistischer darstellen. Laut Meta-Chef Mark Zuckerberg ist die Engine viermal so schnell beim Rendern und unterstützt jetzt über 100 gleichzeitige Teilnehmende in einem Raum – fünfmal mehr als zuvor.
Für Nutzer bedeutet das, dass sie in Social-Welten wie "Horizon Central" oder "Arena" künftig mit deutlich mehr Menschen gleichzeitig unterwegs sein können, etwa bei einem immersiven Konzert oder einem Live-Event. Der neue "Immersive Home"-Bereich erleichtert zudem den Einstieg in solche Umgebungen, da er einen direkten Sprung zwischen verknüpften Welten ermöglicht. In den neuen Home-Umgebungen können Nutzer Apps an festen Orten anpinnen und beispielsweise ihren Instagram-Feed wie einen interaktiven Bilderrahmen an die Wand heften.
3D-Welten mit KI und fotorealistische Räume
Mit dem ebenfalls neuen "Meta Horizon Studio" sollen 3D-Welten künftig durch einfache Textbefehle entstehen. Das System kombiniert bereits verfügbare KI-Werkzeuge für Meshes, Texturen, Audio und Scripts mit einem neuen Assistenten, der daraus komplette Umgebungen zusammensetzt. So will Meta das Erstellen von VR- und AR-Inhalten künftig so einfach machen wie das Schreiben mit einem Chatbot.
Mit "Hyperscape Capture" kann die Meta Quest 3 künftig Räume scannen und fotorealistisch und begehbar in VR abbilden.
(Bild: Meta)
Für VR-Nutzer dürfte die Präsentation von "Hyperscape Capture" zumindest der visuelle Höhepunkt der diesjährigen Connect gewesen sein. Mit der Meta Quest 3 oder Quest 3S können künftig fotorealistische digitale Zwillinge eines Raumes in wenigen Schritten erstellt und anschließend zusammen mit Freunden in VR betreten werden.
VR-Gaming wird zur Randnotiz – der neue Star heißt Entertainment
Viele VR-Studios kämpfen schon seit Monaten um mehr Sichtbarkeit im unübersichtlichen Horizon Store, der mittlerweile auf Social-VR- und Free-to-Play-Inhalte getrimmt ist. Nun wird ihnen diese auch noch auf der großen Connect-Bühne entzogen. Zwar ist VR-Gaming nicht komplett verschwunden, aber dass Meta aber nicht einmal für den eigenen VR-Blockbuster "Marvel’s Deadpool VR" mehr Zeit einräumt, als die bloße Erwähnung des Namens in Anspruch nimmt, sagt einiges aus.
Neben Deadpool wurden auch "Reach" von nDreams, "Star Wars: Beyond Victory" und "Demeo x Dungeons and Dragons: Battlemarked" in einem Nebensatz erwähnt. Das sind alles spannende Projekte, die jeder VR- und Mixed-Reality-Fan auf dem Zettel haben sollte.
Filme der Produktionsfirma "Blumhouse" können künftig in speziell angepassten VR-Umgebungen geschaut werden.
(Bild: Meta / Blumhouse)
Ein Blick in die Gerüchteküche erklärt, warum das so ist: Angeblich plant Meta eine kompakte VR-Brille für passiven Medienkonsum, die noch vor einer möglichen Quest 4 erscheinen und ein breiteres Zielpublikum ansprechen soll. Auf Plattformebene bereitet man sich offenbar bereits darauf vor, denn Entertainment läuft immersiven Spielen derzeit den Rang ab. Mit "Meta Horizon TV" gibt es jetzt einen neuen Entertainment-Hub für VR-Headsets mit Dolby Atmos und bald auch Dolby Vision. Dort sollen Inhalte von Disney+, Universal und Blumhouse – konkret nennt Meta bisher die Filme "M3GAN" und "The Black Phone" – immersiver dargestellt und mit speziellen 3D-Effekten unterfüttert werden.
Neuer Clip von Avatar: Fire and Ash auf Meta Quest
Auch die Partnerschaft mit James Camerons Produktionsfirma Lightstorm Vision wird erweitert. Ab sofort ist für begrenzte Zeit ein exklusiver 3D-Clip aus Avatar: Fire and Ash auf Horizon TV verfügbar. Mit Cameron hat die Quest 3 einen namhaften Fan. Während der Keynote lobte er das Zusammenspiel von Helligkeit, Farbraum und Bildauflösung auf der VR-Brille: "Es ist, als hätte ich mein eigenes Kino zu Hause", sagte der Regisseur. Die Darstellung in der VR-Brille sei seiner Meinung nach teils besser als in herkömmlichen Kinos, die oft mit veralteter Projektionstechnik arbeiten.
Laut James Cameron und Andrew Bosworth, dem CTO von Meta, ist es das Ziel der Partnerschaft, immersive Inhalte auch für Serienformate, Kurzfilme und Live-TV zu etablieren. Dazu stellt Lightstorm Vision anderen Studios eigene 3D-Kameratechnik und Produktionssysteme zur Verfügung. So will Meta den Einstieg in stereoskopisches Erzählen vereinfachen und eine breite Content-Landschaft für Horizon TV schaffen.
Cameron sieht darin nicht nur eine technische Weiterentwicklung, sondern auch eine neue Distributionsform: "Filme in Kinoqualität direkt auf dem Kopf – das ist die Zukunft", sagte der Filmemacher. Meta verspricht sich davon eine stärkere Zuschauerbindung und langfristig auch eine höhere Akzeptanz für immersive Medien.
Strategische Wette
Meta hat sich entschieden. Während VR ein fester Bestandteil der Produktpalette bleibt, ist die strategische Wette nun endgültig klar: Alltagstaugliche Brillen mit KI-Funktionen und neue Interfaces wie das Neural Band formen vorerst die Spitze des Hardware-Line-ups. Dennoch sendet Meta ein starkes Zeichen: Wer auf tiefgehende Immersion, visuelle Präsenz und haptisches Feedback hofft, bekommt weiterhin Inhalte.
Partnerschaften mit starken Marken wie Disney oder Lightstorm Vision ebnen den Weg für spezialisierte Geräte, die auf ein breiteres Zielpublikum ausgelegt sind und sich eher für den Medienkonsum als für immersives Gaming eignen. Quest-Headsets besetzen in Zukunft die Nische des Alleskönners für soziale VR-Erlebnisse, Gaming, Mixed Reality, Medienkonsum und Produktivität. Für VR-Enthusiasten bedeutet das, dass die Quest-Produktlinie (vorerst) bleibt, aber nicht mehr im Mittelpunkt steht.
Josef Erl ist freier Online-Journalist mit Schwerpunkt auf Virtual Reality, Augmented Reality, XR-Technologien und Gaming. Seit Juni 2025 schreibt er regelmäßig für heise online über die neuesten Entwicklungen in immersiven Technologien.
(joe)