Lübeck verbindet historischen Charme mit kurzen Wegen in die Natur. Kein Wunder, dass manche bleiben, obwohl sie vielleicht nur zufällig in der Hansestadt gelandet sind – so wie die 24-jährige Hannah Nele Uehlinger. Bei der Bewerbung für ihren Psychologie-Bachelor erhielt sie keinen Platz in Leipzig, ihrem Erstwunsch, und landete so in Lübeck, ihrer eher zufällig gesetzten Zweitwahl. Also zog sie von ihrer Heimatinsel Usedom in Mecklenburg-Vorpommern nach Schleswig-Holstein.
Heute nennt sie die Küstenstadt liebevoll »Usedom mit Update«. Heißt: ein Mittelweg irgendwo zwischen Metropole und Landleben. Für den Master in Klinischer Psychologie und Psychotherapie blieb Uehlinger schließlich ganz bewusst vor Ort.

Holstentor: Wahrzeichen Lübecks
Foto:Iryna Shpulak / Getty Images
Ob altehrwürdige Universitätsstadt oder eher unbekanntes Örtchen: Wer zum Studium an einen neuen Ort zieht, muss sich erst einmal orientieren. In der Reihe »Stadt, Land, Studium« stellen wir Hochschulstädte vor – und lassen Studierende erzählen, wie der Alltag dort abläuft.
Was hat der Campus zu bieten? In welchen Vierteln wohnt es sich am schönsten, was kostet ein WG-Zimmer? Welche Partys sind legendär, und wo verbringt man seine Zeit, wenn man nicht im Hörsaal sitzt?
Campusleben: Standort, Mensa und Café
»Sehr ruhig und grün gelegen befinden sich alle Fakultäten der Universität zu Lübeck an einem Standort südlich der Altstadt. Im angrenzenden Carlebach-Park lässt es sich in den Vorlesungspausen wunderbar entspannen – sei es zum Quatschen auf den Bänken oder bei einer Partie Tischtennis.
Die Mensa ist zwar gelegentlich etwas überfüllt, bietet jedoch ein qualitativ gutes Angebot, auch an veganen Gerichten. Am liebsten esse ich dort die bunten Gnocchi mit Pesto oder das indische Linsen-Dal. Gefühlt gibt es allerdings ständig Mienudeln in allen Varianten. Darüber machen wir schon manchmal Witze. Preislich liegt eine Mahlzeit zwischen etwa 2,55 und sechs Euro.«
Zweitgrößte Stadt (gemessen an Einwohnerzahl) in Schleswig-Holstein
Rund 223.000 Einwohner:innen, etwa 11.000 Studierende
Sehenswürdigkeiten: Holstentor, mittelalterliche Altstadt (Unesco-Welterbe), Buddenbrookhaus
Berühmtheiten: Willy Brandt, Heinrich und Thomas Mann
Wohnen: WG-Preise und Stadtteile
»Die Altstadt bildet als kleine Insel den historischen Stadtkern. Gepflasterte Straßen, alte Backsteingebäude und urige Cafés verleihen dem Viertel seinen Charme. Wenn man durch die Gassen flaniert, landet man nicht selten in einem versteckten Hinterhof. In genau diesem märchenhaften Teil von Lübeck teile ich mir mit meinem Freund eine 58-Quadratmeter-Wohnung für 800 Euro. Zur Uni brauche ich mit dem Fahrrad etwa eine Viertelstunde.
Zum Wohnen ist die Altstadt sehr beliebt, doch viele Studierende leben auch in den Stadtteilen St. Lorenz Nord und Süd in der Nähe des Bahnhofs. Die Mieten sind dort gelegentlich etwas günstiger. Wer es ruhiger mag und kurze Wege bevorzugt, zieht eher an den Stadtrand in Uninähe. Neben der Universität liegen auch die Technische Hochschule und das Universitätsklinikum. Die meisten zahlen für ein WG-Zimmer in Lübeck zwischen 400 und 600 Euro.«

Lübecker Altstadtgassen: Märchenhaft verwinkelt
Foto:Angel Villalba / Getty Images
Freizeit: Kultur, Kneipe und Klub
»Der Hochschulsport hat ein umfangreiches Angebot zu fairen Konditionen, darunter auch viele Wassersportarten wie Rudern oder Kajakfahren. Lübeck ist nämlich von Wasser umgeben: Die Wakenitz und die Trave schlängeln sich durch die Stadt, zur Ostsee sind es etwa zwanzig Kilometer. Nach den Vorlesungen eine halbe Stunde Zugfahren von Lübeck aus – und schon ist man am Meer. Kostenlose und öffentlich zugängliche Beachvolleyballfelder, Basketball- und Fußballplätze findet man außerdem an der Falkenwiese.

Maritimes Flair: Von Wasser umgeben
Foto:Privat
Gleich daneben befindet sich das Kaffeehäuschen im Schulgarten. Von April bis Oktober gibt es dort köstliche Torten inmitten prächtiger Blumen. In der Altstadt befindet sich das Café Fräulein Brömse. Im idyllischen Klostergarten unter Walnussbäumen kann man dort zum Beispiel ein Stück Käsezimtschneckentorte auf buntem Omi-Service genießen. Wer es lieber herzhaft mag, wird im vegetarischen Restaurant Erdapfel fündig: Gefüllte Kumpir kosten dort zwischen sechs und neun Euro.
In der Innenstadt liegt die Musikhochschule. Im Sommer finden davor manchmal kostenlose Konzerte statt oder es wird Salsa getanzt. Auch das Lübecker Theater können Studierende gratis besuchen. Den Abend lassen viele in der Clemensstraße ausklingen, dort reiht sich Bar an Bar. In der schmalen Gasse stehen viele draußen, quatschen, trinken und tanzen. Im Blauen Engel bekommt man den besten Mexikaner. Im schickSAAL herrscht mit schummrigem Licht und Sofas ein gemütlicher Vibe. Wer Lust auf Kickern hat, zieht weiter in die Fleischhauerstraße, in die Sternschnuppe oder die Weltwirtschaft. Feiern kann man gut zu Neunziger-Mucke im Klub Hüx oder zu Techno-Beats auf der Walli.«
»In der Ersti-Tüte gab es das Uni-Logo aus Lübecker Marzipan«, erzählt Uehlinger. Das überrascht kaum: Einer Legende nach wurde Marzipan während einer Hungersnot 1407 in Lübeck erfunden. Die Kornspeicher sollen leer gewesen sein, also backte man kurzerhand Brot aus Mandeln. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Süßigkeit ursprünglich aus dem nahen Osten stammt.
Sicher ist: Marzipan wurde zunächst in Apotheken verkauft als angeblich potenzsteigerndes Mittel oder auch gegen Darmbeschwerden. Später wurde es zur Delikatesse für Wohlhabende. Erst im 19. Jahrhundert, als Zucker aus Rüben erschwinglicher wurde, konnte sich auch die breite Bevölkerung den Genuss leisten.
Nach dem Abschluss: Wie geht’s weiter?
»Nach meinem Master habe ich auch die Approbation in der Tasche. Ich könnte mir dann zum Beispiel vorstellen, zur Hälfte in einer Klinik zu arbeiten und die andere Hälfte in der Forschung. Ob hier oder vielleicht Freiburg, weiß ich noch nicht. Meer oder Berge? Diese Frage stelle ich mir.
Sollte ich Lübeck verlassen, würde ich die Stadt sehr vermissen. Mit dem Rad ist man schnell mitten in der Natur – am Ratzeburger See oder in der Holsteinischen Schweiz. Auch die Nähe zum Meer ist unschlagbar: Ich werde nie vergessen, wie ich einmal mit einer Freundin zum Sonnenaufgang zum Strand fuhr, für eine Yoga-Session mit Blick aufs Wasser. Gleichzeitig erreicht man Hamburg mit dem Semesterticket in rund 45 Minuten – perfekt für große Konzerte und Großstadttrubel. Für mich verbindet Lübeck durch die Lage einfach das Beste aus zwei Welten.«