Studie: Rechenzentren sorgen für 250 Milliarden Euro zusätzliche Wertschöpfung

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Der wirtschaftlichen Bedeutung von Rechenzentren wird in der Öffentlichkeit oft nicht angemessen Rechnung getragen. Davon sind Wissenschaftler vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln ausgegangen. Im Auftrag der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen, die zum eco-Verband gehört, haben sie daher mithilfe einer Umfrage die Rolle von Datacentern als "Rückgrat" der mit Künstlicher Intelligenz (KI) verknüpften "Revolution" ausgelotet. Besonders interessierte sich das Team für Innovationspotenziale und Übertragungseffekte auf andere Sektoren.

Laut ersten Resultaten der Studie ergibt sich durch Rechenzentrumsnutzung unter Einbezug indirekter "Spillover-Effekte" auf Dritte eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von rund 250 Milliarden Euro für die deutsche Volkswirtschaft. Dies spiegele sich vor allem bei Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit in Deutschland wider: Insgesamt seien 2024 etwa 5,9 Millionen Mitarbeiter in Unternehmen tätig, deren Geschäftsmodell ohne die von Datacentern getragene Cloud nicht möglich wäre. Vor zwei Jahren habe dieser Wert noch bei gut 2,8 Millionen gelegen. Das entspreche einem monatlichen Plus von 126.000 Beschäftigten.

Generell könne die Rolle eines "leistungsfähigen Ökosystems digitaler Infrastrukturen" kaum überschätzt werden, betonten die Forscher. Ein solches sei "nicht nur eine technische Notwendigkeit, sondern auch ein essenzieller Faktor für das Wirtschaftswachstum und die internationale Wettbewerbsfähigkeit". Eine Erhöhung der Investitionen in Rechenzentren und andere digitale Hardware auf das Level von den USA könnte hierzulande etwa 410 Milliarden Euro zusätzliche Wertschöpfung ermöglichen.

Für die Untersuchung befragte das IW Köln im August 499 zufällig ausgewählte Unternehmen in Deutschland und rechnete die Ergebnisse repräsentativ für die deutsche Wirtschaft hoch. Deutschland und Europa weisen laut den Resultaten Nachholbedarf beim Ausbau der Infrastruktur auf. Daher nutzten viele hiesige Firmen Rechenkapazitäten in den USA, was wegen der "strategischen Bedeutung der Datensouveränität" aber bedenklich sei. 45 Prozent der Befragten sei es wichtig, dass die Rechenzentren in Deutschland liegen. Ansiedlungen innerhalb der Bundesrepublik wirkten auch den datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen. Knapp die Hälfte der Unternehmen nennt diese als Grund, warum sie einen Bogen um die Cloud machen.

Ferner müssten geopolitische Herausforderungen ("Deglobalisierung") berücksichtigt werden, geben die Experten zu bedenken. Diese erschwerten es, sich auf internationale Kapazitäten zu verlassen. Microsoft, Google und AWS (Amazon) hätten daher kürzlich Investitionen in Deutschland von insgesamt über 14 Milliarden Euro angekündigt, wovon ein großer Teil in Rechenzentren fließen solle.

Ohne ein leistungsfähiges Ökosystem digitaler Infrastruktur sind neue Techniken nicht anwendbar, erklären die Forscher. Vor allem KI habe hier das Potenzial, das Produktivitätswachstum in der Spitze um rund 1,3 Prozent pro Jahr zu erhöhen. Die Bruttowertschöpfung in Deutschland stiege damit um 330 Milliarden Euro. 34 Prozent der Unternehmen, die Rechenzentren nutzen, verwendeten auch KI. Andererseits treffe dies nur auf 10 Prozent der Firmen zu, die nicht auf Datacenter setzen. Die modellierten Potenziale würden schon heute in der Wirtschaft gehoben: 82 Prozent der Unternehmen registrierten "produktivitätssteigernde Effekte durch KI". Während der Mittelstand hier am Anfang der Kurve stehe, seien Konzerne schon weiter.

Unternehmen und Verwaltungen setzten generative KI für Effizienzsteigerungen ein, heißt es weiter. Die eingesparte Arbeitszeit könne wertschöpfend an anderer Stelle verwendet werden, etwa für Innovationen. Dabei stünden die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle auf Basis großer Datenmengen im Zentrum.

Aktuell nutzen 51 Prozent der Unternehmen Rechenzentren, berichtet das IW Köln. Im Vergleich zu vor zwei Jahren ist dies ein Anstieg um gut 25 Prozent. 69 Prozent aller großen Konzerne mit über 250 Mitarbeiter setzen auf die Cloud und 22 Prozent davon betreiben eigene Hardware im Rechenzentrum eines Drittanbieters. Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind es 47 Prozent beziehungsweise 10 Prozent.

Am häufigsten verwenden Firmen die Cloud für virtuelle Speicher (78 Prozent), Office-Software (68 Prozent), Datenbanken (65 Prozent) und Videokonferenzen (60 Prozent). Zudem sind die Rechnerwolken mit Blick auf Sicherheitssoftware (48 Prozent), virtuelle Rechenleistung (32 Prozent), Prozessautomatisierung (26 Prozent) und KI (18 Prozent) bedeutsam.

Die größere Innovationskraft durch KI wirkt sich auch auf die Wettbewerbsfähigkeit ländlich gelegener Firmen aus, hat die Analyse ergeben. Diese hätten im Durchschnitt eine geringere digitale Reife, nutzten seltener die Cloud und KI. Während 24 Prozent der Unternehmen in Städten generative KI verwendeten, seien es nur 17 Prozent auf dem Lande. Wenn letztere aber die Leistungen von Datacentern in Anspruch nähmen, verwendeten sie mit 35 Prozent KI ähnlich häufig wie Pendants in urbanen Gegenden. Die "ländlich geprägte digitale Avantgarde" könne so über Rechenzentren ihre Distanznachteile zu den Städten kompensieren.

Über 40 Prozent der Rechenzentrumsnutzer sehen durch ihr Cloud-Engagement ferner die Widerstandsfähigkeit ihres Unternehmens gegenüber "externen Schocks" erhöht. Eine hohe Resilienz ist Ausdruck einer Kombination aus höherer Skalierbarkeit, einer stärkeren Kosten- und Energieeffizienz, einer ausgeprägten Innovationsfähigkeit und einer leistungsfähigeren Datensicherheit.

Auf Basis der Ergebnisse fordern die Forscher "Vorfahrt für Rechenzentren": Nötig sei ein Gesinnungswechsel bei Teilen der Entscheidungsträger, damit die benötigten Rechenzentrumskapazitäten in der notwendigen Geschwindigkeit errichtet werden könnten. Dafür bedürfe es "einer neuen Flächen- und Genehmigungspolitik".

Die Studie enthält keine Einschätzungen zum Energiebedarf oder zu den Klimafolgen. KI gilt als wesentlicher Treiber des Stromhungers von Big Tech. Aus einer anderen von eco und Arthur D. Little beauftragten Untersuchung geht hervor, dass Digitalisierungshebel in den Bereichen Industrie, Städten und ländlicher Raum hierzulande bis zum Jahr 2050 CO₂-Einsparungen in Höhe von 163 Megatonnen ermöglichen könnten. Das wäre ein Minus von 30 Prozent.

(olb)

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