Es war eine wissenschaftliche Sensation: Im Jahr 2016 gab ein internationales Forschungsteam den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen bekannt – 100 Jahre nachdem Albert Einstein solche Schwingungen der sogenannten Raumzeit vorhergesagt hatte. Aufgefangen worden war das Signal von zwei Observatorien namens Ligo in den USA. Wie sich herausstellte, stammte es von einem dramatischen kosmischen Ereignis: der Verschmelzung zweier schwarzer Löcher.
Seitdem sind Forschende mithilfe von Gravitationswellen auf viele weitere Verschmelzungen schwarzer Löcher gestoßen. Von einem rekordverdächtigen Objekt berichten nun die Mitglieder der sogenannten Ligo-Virgo-Kagra-Kollaboration: Ihnen zufolge deutet ein Signal mit der Bezeichnung GW231123 auf die massereichste Verschmelzung schwarzer Löcher hin, die bisher von Gravitationswellendetektoren registriert worden ist.
Demnach entstand aus der Verschmelzung zweier schwarzer Löcher, die jeweils etwa die 100- bzw. 140-fache Masse unserer Sonne besaßen, ein neues mit mehr als 225 Sonnenmassen. Schwarze Löcher dieser Masse dürfte es gängigen Sternentwicklungsmodellen zufolge eigentlich nicht geben, sagte der an den Untersuchungen beteiligte Forscher Mark Hannam von der Cardiff University: »Es stellt eine echte Herausforderung für unser Verständnis der Entstehung schwarzer Löcher dar.« Womöglich seien schon die beiden schwarzen Löcher durch frühere Verschmelzungen kleinerer Objekte entstanden.
Schwingungen der Raumzeit
Die bisher massereichste bestätigte Verschmelzung habe ein schwarzes Loch mit etwa 140 Sonnenmassen hervorgebracht, erläutern die Forschenden um Hannam. Über ihre neuen Erkenntnisse berichten sie auf zwei wissenschaftlichen Konferenzen, die in dieser Woche in Glasgow stattfinden. Das von ihnen analysierte Signal war bereits am 23. November 2023 registriert worden.

Ligo-Detektor in den USA: Schwingungen der Raumzeit auf der Spur
Foto: dpa / Caltech / MIT / Ligo LaboratorySchwarze Löcher entstehen, wenn große Sterne kollabieren. Dann zieht sich deren Masse zusammen und bildet ein schwarzes Loch, das über eine enorme Gravitationskraft verfügt. Im Jahr 2022 präsentierten Astronomen erstmals ein Bild des schwarzen Lochs in unserer Heimatgalaxie .
Jahrhundertelang erhielten Forschende Hinweise zur Beschaffenheit des Universums hauptsächlich, indem sie mit verschiedenen Teleskopen und Detektoren elektromagnetische Strahlung auffingen, die von Himmelskörpern wie Sternen ausgeht: sichtbares Licht, Infrarotstrahlung, Radiowellen und Gammastrahlung. Doch viele Objekte in den kosmischen Weiten strahlen kaum oder gar nicht.
Nachweisen lassen sich einige solcher Objekte womöglich durch Schwingungen der sogenannten Raumzeit, auch Gravitationswellen genannt. Albert Einstein hatte sie 1916 als Konsequenz aus seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. Sie entstehen, wenn Massen beschleunigt werden. Die dabei erzeugten Vibrationen durchlaufen mit Lichtgeschwindigkeit den Kosmos, wobei sie den Raum quetschen und dehnen – ein Effekt, der auch auf der Erde messbar ist.
Zu Beginn der Nullerjahre nahmen Physiker in den USA zwei Observatorien namens Ligo in Betrieb. Sie bestehen jeweils aus zwei geraden, vier Kilometer langen Röhren, die im rechten Winkel zueinander angeordnet sind. Im Innern dieser »Arme« sausen Laserstrahlen zwischen Spiegeln hin und her. Treffen Gravitationswellen die Arme, verringert oder verlängert sich der Abstand zwischen den Spiegeln minimal. Diese Längenänderungen sind 10.000-mal kleiner als der Durchmesser eines Atomkerns – aber das reicht, um die Laufzeit der Laserstrahlen zwischen den Spiegeln zu verändern, was die Forschenden messen können.
Neues Superobservatorium geplant
Erst 2015 registrierten beide Ligo-Detektoren ein kosmisches Ereignis. Monatelang prüften Forschende anschließend diese Daten, bis sie ein Jahr später sicher waren, dass das Signal von einer Schwingung der Raumzeit stammte, erzeugt durch die Verschmelzung zweier schwarzer Löcher mit der jeweils 30-fachen Masse unserer Sonne in 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Für entscheidende Beiträge zu dem ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen erhielten die US-Physiker Kip Thorne und Rainer Weiss – Mitgründer des Ligo-Projekts – sowie Barry Barish 2017 den Nobelpreis .
Ligo und ein weiteres Gravitationswellen-Observatorium namens Virgo könnten allerdings nur vergleichsweise starke Signale von Ereignissen registrieren, die aus der jüngeren Vergangenheit stammten, sagen Forschende, die ein neues Superobservatorium entwickeln . Mit dem sogenannten Einstein-Teleskop wollen sie auch äußerst schwache Schwingungen aus der Frühzeit des Kosmos einfangen.
Wie Ligo und Virgo soll auch das Einstein-Teleskop winzige Änderungen in der Laufzeit von Laserstrahlen messen, aber mindestens zehnmal genauer als bisher. Gelingen soll dies durch die enormen Ausmaße der Anlage: Geplant sind drei je zehn Kilometer lange Röhren, die ein Dreieck bilden – damit wäre das Einstein-Teleskop mehr als doppelt so groß wie Ligo und Virgo.