Hinweise gibt es schon lange. Da sind die Aufnahmen von ukrainischen Drohnen, die asiatische Kämpfer zeigen, da sind Videos von gefangenen Soldaten sowie Briefe, die bei Toten gefunden wurden. Und nicht zuletzt überzeugende Geheimdienstinformationen. Etwa 10.000 Mann soll Nordkoreas Diktator Kim Jong Un im Herbst nach Europa geschickt haben, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen.
Nun hat das russische Militär erstmals ihren Einsatz bestätigt. Der Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte, Walerij Gerassimow, lobte am Samstag bei einem Videoanruf mit Putin die Nordkoreaner. Sie hätten bei Kämpfen in der Region Kursk »ein hohes Maß an Professionalität bewiesen«.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, wiederholte Gerassimows Lob. Sie hob die »Standhaftigkeit und den Heldenmut« der nordkoreanischen Soldaten hervor, die »Schulter an Schulter« mit den russischen Streitkräften gekämpft hätten. »Wir werden unsere Freunde niemals vergessen«, so Sacharowa.
Die Nordkoreaner sollten offenbar helfen, jenes umkämpfte Gebiet in Kursk zurückzuerobern, in das im vergangenen August überraschend ukrainische Verbände eingedrungen waren – die Offensive düpierte den Kreml. Durch eine Blitzoffensive im März konnten russische Truppen das Gebiet weitgehend zurückerobern. Russland erklärte am Samstag, dass Moskaus Truppen den »Sieg« davongetragen hätten. Die Ukraine dementierte dies und sprach von »Propagandatricks«.
Elitetruppen für Putin
Die in Russland eingesetzten nordkoreanischen Soldaten gehören wohl dem 11. Korps an, auch Sturmkorps genannt. Der südkoreanische Geheimdienst schätzt, dass die Truppe bis zu 80.000 Mann umfassen könnte. Sie gilt als straff organisiert, überdurchschnittlich fit und relativ gut ausgebildet.
Sie seien darüber hinaus »politisch zuverlässig«, sagte Andrei Lankov, einer der besten Nordkorea-Kenner, dem SPIEGEL . Zudem seien sie »psychologisch stabiler als reguläre Truppen«. Denn die Männer sind zutiefst indoktriniert, müssen regelmäßig zu ideologischen Schulungen und werden streng von politischen Offizieren überwacht, auch bei ihrem Einsatz gegen die Ukraine.
»Sich zu ergeben, ist für die Soldaten undenkbar«, sagte ein früherer nordkoreanischer Soldat dem SPIEGEL. »Sie wissen, dass ihre Familien als Verräter gebrandmarkt und vom Regime bestraft werden. Ein nordkoreanischer Soldat kämpft bis zum Letzten. Er opfert sich für das Vaterland.«
Mehrere ukrainische Einheiten berichten, dass sich Nordkoreaner eher selbst töteten als sich gefangen nehmen zu lassen. Ein Mann soll vor seinem Tod den Namen Kim Jong Uns gerufen haben, wie ein fanatischer Attentäter. Manche wurden offenbar von ihren eigenen Kameraden erschossen, um eine Gefangennahme zu verhindern.
Probleme an der Front
Allerdings haben die Nordkoreaner wahrscheinlich Verständigungsprobleme mit den Russen. Auch die Kampfmethoden, die die Ukrainer zunächst an der Front beobachten konnten, galten als veraltet. Zugleich scheinen die Nordkoreaner lernfähig: Sie haben sich offenbar an den in der Ukraine vorherrschenden Drohnenkrieg angepasst.

Treffen von Putin und Kim in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang: »Mitstreiter einer Großmacht«
Foto: Kristina Kormilitsyna / Sputnik Kremlin / AP / dpaDie nordkoreanische Führung zielt mit dem Einsatz ihrer Truppen wohl darauf ab, wichtige Erkenntnisse über modernen Drohnenkrieg zu sammeln. Diktator Kim Jong Un lässt in mehreren Fabriken in Nordkorea nun Kampfdrohnen bauen.
Sowohl für ihn als auch für Putin hat der Pakt viele Vorteile. Putin erhält Waffen, Raketen und Söldner. An Kim fließen Zahlungen aus Russland. Allein für die Munition könnte das Regime in Pjöngjang Schätzungen zufolge bis zu 5,5 Milliarden Dollar bekommen. Außerdem erhält es wohl dringend benötigten Treibstoff, Nahrungsmittel und möglicherweise auch Militärtechnologie.
»Kim Jong Un sieht das Bündnis mit Russland als Gelegenheit, eine bedeutende Rolle in der Welt zu spielen«, sagt Rachel Minyoung Lee, Sicherheitsexpertin bei der US-amerikanischen Denkfabrik Stimson Center. »Er ist nun Mitstreiter einer Großmacht.«