Messe Art Brussels: Hier ist der Surrealismus nie aus der Mode gekommen

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Ein Vorhang der Künstlerin Céline Condorelli verschafft dem Publikum der 41. Art Brussels einen großen Auftritt: Während es draußen regnet, betreten die Besucher der Messe am Previewtag von der Bühne am Eingang aus die gut gefüllten Hallen 5 und 6 des Messegebäudes. Viele Gäste sind schon am Vorabend angereist, um sich während der Gallery Night in den Kunsthandlungen in der Stadt umzuschauen.

Besonders gut besucht waren die Räume der in São Paulo gegründeten Galerie Mendes Wood DM, die mit Bendt Eyckermans zum ersten Mal einen belgischen Künstler bei sich in Brüssel ausstellt. Eyckermans’ mehrdeutige figurative Gemälde fügen sich nahtlos in die Architektur des historischen Stadthauses ein. Passend dazu bietet die Galerie an ihrem Messestand ebenfalls eine großformatige Arbeit von Eyckermans für 42.000 Euro an.

 Stand der Galerie Mendes Wood DM auf der Art BrusselsBilderrausch: Stand der Galerie Mendes Wood DM auf der Art BrusselsDavid Plas

Mendes Wood DM ist eine von 99 Galerien, die zum wiederholten Mal an der Messe teilnehmen. Insgesamt ist die Art Brussels mit 165 Galerien aus 35 Ländern im Vergleich zum Vorjahr allerdings um zwölf Aussteller geschrumpft. Das spiegelt sich auch im Programm wider. Gegenüber dem, was zur Jubiläumsausgabe im vergangenen Jahr aufgeboten wurde, hat es an Spannkraft und Experimentierfreude einbüßt. Daran kann auch der neben den bewährten Sektionen neu eingeführte, an die Messehistorie anknüpfende Bereich „’68 Forward“ nichts ändern.

Interessante Entdeckungen an den Ständen

Eine Galerie, die in dieser Sektion dennoch zu überzeugen weiß, ist East aus Luxemburg mit einer Solopräsentation von Wolf Vostell (Preise 10.000 bis 90.000 Euro). Hier sind selten ausgestellte Werke wie „Kafkas Boot“ (1990) zu sehen. Selbst in der auf Experiment angelegten „Discovery“-Sektion finden sich wenige installative Arrangements, die nicht allein auf überdimensionale Größe setzen.

Eine Ausnahme bildet der Stand des Antwerpener Plus-One Projects. Es präsentiert Arbeiten des Amsterdamer Künstlers Daan Couzijn, dessen poetisches Mobiliar Fragen nach der Authentizität aufwirft. Gemeinsam mit Restauratoren entwickelte Couzijn eine Technik, die auf Pigmentverschiebung basiert. Firnis und Schmutz historischer Malerei werden entfernt und die obere Pigmentschicht mittels chemischer Extraktions- sowie Transfertechniken auf eine andere Leinwand übertragen. Geisterhaft hat sich die Aura der alten Werke auf die in antike Objekte integrierten Leinwände eingeschrieben (3200 bis 11.000 Euro).

  Daan Couzijns Möbel-Installation bei Plus-One ProjectsSpiel mit Authentizität: Daan Couzijns Möbel-Installation bei Plus-One ProjectsPlus-One Projects

Ebenfalls in der „Discovery“-Abteilung zeigt die Pariser Prima Galerie fragile Malereien auf Papiertüchern, die hinter Plexiglas wie in einem Schneewittchensarg liegen und je 2600 Euro kosten. Die polnische Künstlerin Helena Minginowicz bannt einander liebkosende Tiere auf ephemeren Konsumgütern und packt verschlungene Hände malerisch in Plastikfolie ein. Ihre zarten Arbeiten bilden das Gegengewicht zu den auf Stahlkon­struktion präsentierten Marmorskulpturen des Italieners Luca Resta.

Klein und fein

Das entspricht einem Trend, dem die gesamte Messe folgt: An vielen Stellen findet sich qualitativ hochwertige Malerei, gerne belgisch und im kleinen Format. Bei der in Gent beheimateten Galerie Barbé etwa lädt der Maler Gideon Kiefer zu einer Wanderung durch seine Erinnerungslandschaften ein. Bühnenartig schweben ehemalige Wohnorte des Malers frei im Bildraum. Mit einem GPS-Code am Bildrand ließen sie sich sogar genau orten. Kiefers surreale Landschaften sind durchsetzt von zarten Konstruktionslinien und weisen teils Bezüge zu Gemälden von Pieter Bruegel dem Älteren auf. Immerzu findet sich bei Kiefer das Große im Kleinen, und ein Feuer im Wald erhält angesichts ökologischer Krisen dringliche Aktualität.

 Wolf Vostell, „Jesus with TV heart“, 1995, bei der Galerie EastBräuchte heute ein Smartphone: Wolf Vostell, „Jesus with TV heart“, 1995, bei der Galerie EastGalerie EAST / VG Bildkunst, Bonn 2025

Noch mehr belgische Malerei findet sich mit Dittmar Viane bei Sofie Van de Velde oder mit Francis Alÿs bei Michel Rein. Doch es glänzt auch Importware: Die Galerie Robert Grunenberg aus Berlin zeigt multiperspektivische Porträts des amerikanischen Malers Brandon Lipchik, die Versatzstücke mit Tintenzeichnungen enthalten. Mit dem Computer erstellt und per Hand auf die Leinwand übertragen, finden sich innerhalb der visuellen Collagen teils absurde Szenen mit popkulturellen und gesellschaftskritischen Verweisen. Fünf der ausgestellten Werke waren bereits am Previewtag verkauft (18.000 bis 40.000 Euro).

Grunenberg gehört zu den wenigen deutschen Galerien auf der Messe, deren Anteil bei unter zehn Prozent liegt. Die meisten von ihnen sind aus Berlin oder Köln angereist. Am Stand von Falko Alexander (Köln) hängen neben Arbeiten von Aaron Scheer digital collagierte Gemälde des Duos Hyperweirdkids, zu dem sich Laura Klünter und Mario Mertgen zusammengetan haben. Kunsthistorische Motive aus Bildarchiven werden von ihnen mit KI ad absurdum geführt und anschließend per Hand zurück ins Materielle übertragen.

 Brandon Lipchik, „The Reader“, 2025, Mischtechnik auf Leinwand, 100 mal 80 ZentimeterBei Robert Grunenberg: Brandon Lipchik, „The Reader“, 2025, Mischtechnik auf Leinwand, 100 mal 80 ZentimeterRobert Grunenberg

Auf der Messe lässt sich nicht nur an diesem Stand ein Revival postsurrealistischer Bildsprache beobachten. Die Kölner Galerie Rehbein stellt dagegen den lokal ansässigen Maler François Jacob aus, der in altmeisterlicher Technik atmosphärisch fast vibrierend wirkende Bilder schafft. Es hat sich bewährt, belgische Künstler in Belgien auszustellen. Doch obwohl das Land eine lebendige Sammlerszene hat, macht sich die gegenwärtige Zurückhaltung auf dem Kunstmarkt auch in Brüssel bemerkbar. Außerdem gilt in Belgien immer noch ein Mehrwertsteuersatz von 21 Prozent auf Kunstwerke. Das können den Händlern auch keine belgischen Pralinen versüßen.

Art Brussels, Brussels Expo, bis 27. April, Eintritt 25 Euro

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