Wolfram Weimer soll Kulturstaatsminister werden: Sorgen um die „Fortdauer des eigenen Bluts“?

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Nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“, die sich auf Stimmen aus dem CDU-Präsidium beruft, ist der Zeitschriftenmanager und ehemalige Wirtschaftsjournalist Wolfram Weimer von Friedrich Merz für das Amt des Kulturstaatsministers ausersehen. Das überrascht. Weimer ein Interesse an irgendeiner Kunst oder Geist zu unterstellen, wäre spekulativ.

Der deutsche Idealismus hat einen relativistischen Wahrheitsbegriff?

In seinem Manifest des Konservatismus von 2018 beklagt er sich über die „amoralische Renaissance“ – er meint die Epoche von Sandro Botticelli, Albrecht Dürer, Tizian und Shakespeare - , diagnostiziert eine gegenwärtige Wiederkehr der Religion, verlegt den Ursprung des Dezimalsystems ins antike Rom, bezichtigt den deutschen Idealismus eines relativistischen Wahrheitsbegriffs, macht sich demographische Sorgen um die „Fortdauer des eigenen Bluts“ und die „biologische Selbstaufgabe“ Europas, trauert der Kolonialepoche mit der bedauernden Formulierung nach, Europa habe „keine Expansionskraft“ mehr, und behauptet, unsere Mythen, Metaphern und Architektur (siehe oben unter „Renaissance“) rekurrierten „immer auf die jüdisch-christliche Religion“, was immer das für eine Religion sein soll. Wir kennen nur Judentum und Christentum sowie sehr viele antike Mythen.

Weimer meint, Novalis habe seine Idee Europas im Kontrast zum islamisch geprägten Orient entwickelt; dass es im Kontrast zur protestantisch geprägten neuzeitlichen Welt geschah, weiß er offenbar nicht. Vielleicht, weil dazu nichts bei Oswald Spengler steht, den er gern als jüngsten Stand der welthistorischen Forschung zitiert. Formulierungen wie „Europa hasst seine Geschichte“, die Familie sei keine „soziologische Konstruktion“ (er meint: keine soziale), „Der Rechtsstaats-Patriotismus von Rolf (!) Sternberger“ wirke konstruiert, Ernst-Wolfgang Böckenförde habe behauptet, die Demokratie benötige „Wertgrundlagen“ (Böckenförde verachtete den Begriff der Werte), und sein eigenes Manifest strebe ein „Manufactum des Guten“ an, wollen wir nicht weiter kommentieren.

Wir fürchten uns nur jetzt schon etwas davor, was er im Amt alles zum Besten geben würde. Das konservative Manifest haben wir gelesen, weil vermutet wird, sein Konservatismus habe für ihn gesprochen. Sollte das zutreffen, wäre es nicht nur ein Indiz für den erbarmungswürdigen Zustand dessen, was unter diesem Titel feilgeboten wird. Gehört es denn nicht zum konservativen Tugendkanon, sich in eigener Sache ein wenig Mühe zu geben? Es könnte Konservative darüber hinaus irritieren, wenn die Quote für konservative Positionen im Kabinett ausgerechnet auf diesem Posten, also primär symbolisch erfüllt würde.

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