Im Streit um die abgesagte Richterwahl hat sich nun die Betroffene selbst zu Wort gemeldet. Die Berichterstattung über ihre Person und ihre inhaltlichen Positionen sei „in Teilen der Medien unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent“, teilte die Potsdamer Professorin Frauke Brosius-Gersdorf in einer am Dienstag verbreiteten schriftlichen Stellungnahme mit. Zudem sei es diffamierend und realitätsfern, sie als „ultralinks“ oder „linksradikal“ zu bezeichnen. „Ordnet man meine wissenschaftlichen Positionen in der Breite politisch zu, zeigt sich ein Bild der demokratischen Mitte“, heißt es in dem über eine Anwaltskanzlei verbreiteten Schreiben.
Brosius-Gersdorf sollte am vergangenen Freitag auf Vorschlag der SPD zur Verfassungsrichterin gewählt werden, zusammen mit der ebenfalls von der SPD nominierten Ann-Katrin Kaufhold sowie dem Unionskandidaten Günter Spinner. Die CDU/CSU-Fraktion sagte die Wahl in letzter Minute ab, weil in Teilen der Union Vorbehalte gegen Brosius-Gersdorf herrschten - vor allem wegen ihrer Äußerungen zum Schwangerschaftsabbruch.
Bei der Abtreibung gebe es ein verfassungsrechtliches Dilemma
Brosius-Gersdorf hielt dem nun entgegen, die Berichterstattung über ihre Position zum Schwangerschaftsabbruch „entbehrte der Tatsachengrundlage“. Der Hauptvorwurf sei, sie spreche dem ungeborenen Leben die Menschenwürdegarantie ab und trete für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt ein. „Das ist falsch“, schreibt die Professorin. „Dem menschlichen Leben steht ab Nidation das Grundrecht auf Leben zu. Dafür bin ich stets eingetreten.“ Die Aussage, sie sei für eine Legalisierung und eine Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt, „ist unzutreffend und stellt eine Verunglimpfung dar“.
Brosius-Gersdorf erläutert in dem Schreiben noch einmal ihre Position zum Abtreibungsrecht. Sie habe auf ein verfassungsrechtliches Dilemma hingewiesen. Wenn man dem ungeborenen Leben die Garantie der Menschenwürde zuerkenne, dann sei eine Abwägung mit den Grundrechten der Schwangeren nicht möglich, jedenfalls nach der herrschenden juristischen Lehre.
Damit aber wäre ein Schwangerschaftsabbruch unter keinen Umständen zulässig - nicht einmal bei der Gefährdung des Lebens der Schwangeren. Ihr Bestreben sei es, auf diese Inkonsistenzen im bestehenden Recht hinzuweisen und andere Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. „Diese Lösung kann verfassungsrechtlich nur sein, dass entweder die Menschenwürde doch abwägungsfähig ist oder für das ungeborene Leben nicht gilt.“ Damit aber sei das ungeborene Leben keineswegs schutzlos, im Gegenteil. Denn ihm stehe das Grundrecht auf Leben zu, „wofür ich stets eingetreten bin“.
Brosius-Gersdorf wehrt sich zudem gegen Vorwürfe, die ihr wegen ihrer Kritik an einer Karlsruher Entscheidung zum Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinen gemacht wurden. Sie habe sich lediglich damit auseinandergesetzt, dass einerseits ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen nicht zulässig sei, für Rechtsreferendarinnen im Gerichtssaal hingegen doch. Das Neutralitätsgebot des Staates sei mithin in diesen beiden Konstellationen unterschiedlich angewendet worden. „Daraus folgt aber nicht dass ein Kopftuchverbot stets verfassungswidrig wäre.“ Im Einzelfall könne es durch das Mäßigungsgebot für Staatsbedienstete legitimiert sein. „Auch hier wird meine Position unzutreffend wiedergegeben.“
Auch die Kritik an ihren Äußerungen zur Parität bei Bundestagswahlen weist sie zurück. Sie habe sich lediglich mit der Frage auseinandergesetzt, ob Eingriffe in die Grundsätze des Wahlrechts zulässig sind, um die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern voranzubringen.