Wer in Ost- oder Nordfriesland in Namensbüchern blättert, stößt auf wunderbar friesisch klingende Vornamen und Nachnamen: Onno Onnen, Peter Petersen oder Klaas Klaasen: Namenskombinationen, die für Fremde zunächst skurril scheinen mögen, sind tatsächlich ein Stück friesisches Kulturgut. Künftig ist es wieder erlaubt, solche friesischen Vornamen auch als Nachnamen weiterzugeben – möglich macht das eine vom Bundestag beschlossene Änderung beim Namensrecht, die zum 1. Mai in Kraft tritt.
Aus Vorname wird Nachname
Namen wie Onno Onnen gehen auf die sogenannte patronymische Namensgebung zurück, die in diesen Regionen Tradition hat. Patronym bedeutet so viel wie »der Name des Vaters«. Neu sei, dass durch die Gesetzesänderung auch die Vornamen der Mütter als Nachnamen an Töchter und Söhne weitergegeben werden können – also eine matronymische Namensgebung, erklärt Heiko Suhr, Leiter der Landschaftsbibliothek des Regionalverbands Ostfriesische Landschaft im niedersächsischen Aurich.
Suhr ist Experte für friesische Namen. Natürlich müssen Vor- und Nachnamen nicht identisch sein. Er gibt ein anderes Beispiel für das neue Namensrecht: »Ich heiße Heiko mit Vornamen. Das heißt, ich könnte meine Tochter Heiken mit Nachnamen nennen. Oder nach dem Namen meiner Frau, Kirsten, dann Kirstens.« Das Ergebnis sei jeweils ein völlig neuer Nachname.

Eine handschriftliche Sammlung von Ostfriesischen Tauf- und Eigennamen, aufgeschrieben von Johann Diedrich Müller ab 1874
Foto: Sina Schuldt / dpa / picture allianceFriesen sehen hohe Symbolwirkung
Dass diese Namensgebung überhaupt wieder möglich wird, dafür haben sich übergreifend viele friesische Verbände und Einrichtungen eingesetzt. Die friesische Volksgruppe zählt in Deutschland zu den nationalen Minderheiten. In Ostfriesland und in Nordfriesland heißt es, die Reform werde helfen, Tradition und regionale Identität zu bewahren.
Die größte Umgewöhnung werde wohl sein, dass man keinen festen Familiennamen mehr haben müsse. Man könne den friesischen Namen statt eines Nachnamens vergeben, sagt der Direktor des Nordfriisk Instituut in Bredstedt in Schleswig-Holstein, Christoph G. Schmidt. »Das war für uns ein entscheidender Punkt, weil das eine echte Anerkennung ist.«
Dass der Staat anerkenne, dass es in einigen Regionen ältere Traditionen gebe, habe eine sehr hohe Symbolwirkung, sagt Schmidt. Aus Sicht einer Gruppe wie den Friesen könne man kaum hoch genug einschätzen, dass man solche alten Rechtsgewohnheiten wieder anwenden dürfe.
»Dahinter steckt ein tief verwurzeltes Heimatbewusstsein«
Für die meisten Menschen in Deutschland sei es wahrscheinlich utopisch, die eigenen Kinder so zu benennen, sagt Namensexperte Suhr. »Das Wichtige ist, dass man Bekanntheit schafft, dass es diese Namenstradition gibt und dass wir die Möglichkeit haben, es zu tun.« In Ostfriesland habe die Namensgebung eine lange Tradition. »Dahinter steckt ein tief verwurzeltes Heimatbewusstsein«, sagt Suhr. Auf diese Weise sei die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie deutlich gemacht und das Andenken an die Vorfahren in Ehre gehalten worden.
Als Ostfriesland 1744 preußisch wurde, wurde die patronymische Namensgebung durch feste Nachnamen abgelöst. In den 1870er-Jahren ging die Namensgebung schließlich von den Kirchenbüchern auf die neuen Standesämter über und Familiennamen wurden vorgeschrieben. Seit 1950 ist es Ostfriesen zumindest erlaubt, Patronyme wie einen zweiten Vornamen (offiziell Zwischenname) weiterzuführen.
Mit dem neuen Namensrecht ändert sich auch das. Es gelte die vom Europarat garantierte Bekenntnisfreiheit nationaler Minderheiten. »Jede und jeder, die oder der sich als Ostfriese fühlt, kann dieses Gesetz für sich in Anspruch nehmen«, sagt Suhr. »Theoretisch könnte man das auch als Ur-Bayer.«