Gewalttat in französischer Moschee Tödlicher Hass, dröhnendes Schweigen
In einer Moschee in Südfrankreich ist ein Mann ermordet worden – wohl aus Islamhass. Die Regierung von Emmanuel Macron braucht auffällig lang, um angemessen zu reagieren. Linke Kritiker werfen ihr Verharmlosung vor
27.04.2025, 20.36 Uhr

Trauermarsch in La Grande-Combe an diesem Sonntag: Gedenken an Aboubakar Cissé
Foto: Miguel Medina / AFPDer Mörder hat seine Tat selbst gefilmt. Mehr noch, er hat sie mit hasserfüllten Worten des Triumphs kommentiert. »Ich hab es getan«, soll der Messerstecher zu seinem sterbenden Opfer gesagt haben, und dann noch: »Dein scheiß Allah!«
Aboubakar Cissé, 22, ein aus Mali stammender Mann, war am Freitagmorgen gerade dabei, in der Moschee des südfranzösischen Städtchens La Grande-Combe zu beten. Da wurde er mit 40 bis 50 Messerstichen getötet, und das vom Mörder gefertigte Video des Grauens gelangte kurzzeitig ins Internet. Seitdem ist der Tatverdächtige Olivier H. auf der Flucht. Die Staatsanwaltschaft bezeichnet ihn als »potenziell extrem gefährlich«. 2000 Menschen in La Grande-Combe ließen sich davon am Sonntag nicht einschüchtern, sie zogen dennoch in einem Trauermarsch durch den Ort.
Ein junger Afrikaner wird in einer Moschee getötet - wohl, weil er Muslim ist. Nun stellen sich Frankreich zwei brennende Fragen.
Linke und Islamverbände beklagen eine gewisse Gleichgültigkeit
Die erste lautet: Wann wird der Täter gefasst?
Die zweite lautet: Ist der Mitte-rechts-Regierung in Paris das Opfer einer mutmaßlich islamophoben, rassistischen Bluttat weniger wert als die Opfer anderer extremistischer Gewalt? Oder warum hat sie so lange so wenig hören lassen zum Mord in der Moschee?
Diese zweite, politische Frage ist maximal heikel für ein Land, das in den vergangenen Jahren viele tödliche Attentate erlitten hat. Oft waren die Täter islamistisch motiviert. Sie attackierten Juden, Christen oder Symbole von Rechtsstaat und Freiheit. Nach der Bluttat von La Grande-Combe aber, finden jedenfalls Frankreichs Linke sowie Islamverbände, herrschte zunächst eine gewisse Gleichgültigkeit. Am Sonntagabend riefen sie in Paris zu einer Kundgebung gegen Islamhass auf.

Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau
Foto: Alex Martin / AFPTatsächlich vergingen fast drei Tage, bis Präsident Emmanuel Macron sich zum Messermord in Südfrankreich äußerte. Er bekunde der Familie des Opfers sowie allen Bürgern muslimischen Glaubens »die Unterstützung der Nation«, schrieb Macron im sozialen Netzwerk X. »Rassismus und Hass aus religiösen Gründen werden in Frankreich nie einen Platz haben.« Macrons Premierminister François Bayrou wiederum hatte am Samstagabend die »islamophobe Schandtat« verurteilt. Der Regierungschef war damit aber kaum früher dran als Jordan Bardella, der Chef des rechtsradikalen Rassemblement National, der von einem »niederträchtigen Attentat« sprach.
Die Kritik an der Regierung zielt nicht zuletzt auf Innenminister Bruno Retailleau, der auch für Religionsgemeinschaften zuständig ist – und immer wieder mit islamkritischen Äußerungen auffällt. Dominique Sopo, Vorsitzender der Antidiskriminierungs-Initiative SOS Racisme, wirft dem Minister »ohrenbetäubendes Schweigen« vor. »Ich frage mich, ob Monsieur Retailleau am Samstag beim Baden war«, ätzt Sopo.
Retailleau war am Samstag nicht beim Baden. Er war mit Macron, auf dessen Amtsnachfolge im Jahr 2027 er schielt, bei der Papst-Beerdigung im Vatikan. Auf das Attentat reagiert hatte er allerdings schon am Freitag: Auf X hatte er die »barbarische Gewalt« verurteilt, die die muslimische Gemeinschaft treffe, und dies auch noch in einer Religionsstätte. Politischen Gegnern wie dem linksradikalen Jean-Luc Mélenchon reichte das nicht. »Islamhass tötet. Alle, die dazu beitragen, sind mitschuld«, sagte Mélenchon. Das galt Retailleau.
Am Sonntagnachmittag gab der Minister dem wachsenden Druck nach. Er fuhr in die Nähe des Tatorts, der etwa 80 Kilometer nördlich der Stadt Montpellier gelegen ist. »Wir stehen alle zusammen, Religion oder Hautfarbe spielen keine Rolle«, sagte Retailleau. Er kündigte ein Großaufgebot an Polizisten und 70 Ermittlern an, um den Mörder zu fassen.
Verdächtiger kündigt neue Taten an
Den Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft zufolge hielten sich das Opfer und der Mörder am Freitagmorgen allein in der Moschee auf. Dank des Videos konnten die Ermittler den Tatverdächtigen schnell identifizieren: Olivier H., 20 Jahre, Franzose, soll nach Informationen der Zeitung »Le Parisien« bisher nie mit der Justiz in Konflikt geraten sein. Er soll arbeitslos sein. Seine Familie stammt aus Bosnien. Er soll selber kein Muslim sein. In einem Video spreche er davon, neue Gewalttaten verüben zu wollen, so die Staatsanwaltschaft. Die Behörde hält Islamhass für das wahrscheinlichste Tatmotiv. Die Pariser Antiterror-Staatsanwaltschaft könnte den Fall in den nächsten Tagen an sich ziehen.
Erschüttert zeigten sich am Wochenende französische Islamverbände. Das Attentat sei Folge einer Banalisierung antimuslimischen Hasses, so der Zentralverband der Muslime in Frankreich CFCM. Er riet Gläubigen davon ab, sich allein in Moscheen aufzuhalten und rief die Regierung in Paris auf, ab sofort den Schutz muslimischer Gotteshäuser in ganz Frankreich zu verstärken.