Naher Osten: Willkommen in der Wohlfühloase

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„To name is to claim“, klingt im Englischen schöner als in der deutschen Übersetzung: Benennen heißt beanspruchen. Von US-Präsident Donald Trump ist ein intimes Verhältnis zu Karten bekannt, das aus seiner Zeit als Immobilienentwickler stammen soll, als er sich über Bebauungspläne beugte und Entwürfe für Hochhäuser. Die Projekte und Pläne ließen sich damals relativ leicht in die Realität umsetzen. In der Politik beugt sich Trump nun wieder über Karten. Die der Wahlkreise, die ihn gewählt hatten oder auch nicht, und die der ganzen Welt, wo er riesige Flächen wie Grönland und Kanada entdeckt, die man doch einfach erwerben könnte.

Einen „Kartierungszwang“ hat das politische Nachrichtenportal Politico bei Trump ausgemacht, benennen heißt beanspruchen. So hat er es bei Grönland und Kanada gemacht. So macht er es, wenn er seine Interessen in Panama oder Gaza durchsetzen will. Den Golf von Mexiko hat er bereits in den von Amerika umbenannt, nun nimmt er sich den Persischen Golf vor. Der ist mit 11 000 Kilometern etwas zu weit weg von Washington, um ihn nach den USA zu benennen. Aber zumindest „Golf von Arabien“ soll er nun heißen, legte Trump fest, bevor er sich an diesem Dienstag zu seiner ersten richtigen Auslandsreise genau dorthin aufmacht.

Erste Station wird Saudi-Arabien sein, danach geht es noch weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Katar. Den „Golf von Arabien“ mag er als eine Art Willkommensgruß mitbringen und als Zeichen, dass er es ist, der die Fäden in der Region in der Hand hält, der die Karten neu zeichnet. So richtig verfangen ist es aber nicht, die Araber nennen das Binnenmeer schon immer so – und politisch viel erwarten sie sich von Trumps Besuch ohnehin nicht.

Seit Trumps erster Amtszeit hat sich der Nahe Osten sehr verändert

Die Visite ist einerseits eine Wiederholung der Reiseplanung seiner ersten Amtszeit, als Trump den Saudis auch den ersten Besuch abstattete. Damals aber flog er weiter nach Israel und Europa, was dieses Mal nicht passiert. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu war zumindest schon zwei Mal in Washington, die Europäer sind nicht mehr so wichtig in Trumps Welt. Die hat sich seit seinem ersten Besuch am Golf verändert. Trump begann damals mit vielen arabischen Ländern die Abraham Accords abzuschließen, ein Abkommen, das die Zusammenarbeit oder zumindest die Bereitschaft zum Dialog zwischen Israel und arabischen Staaten fördern sollte. Marokko, die Emirate und der Sudan normalisierten ihre Beziehungen zu Israel. Die Saudis sollten die Nächsten sein, im Gegenzug stellten die USA Sicherheitsgarantien und Unterstützung bei einem zivilen Nuklearprogramm in Aussicht. Der Terror der Hamas und der brutale Krieg Israels im Gazastreifen änderten alles.

Selbst wenn er wollte, könnte der saudische Kronprinz und De-facto-Herrscher Mohammed bin Salman, oft kurz nur MBS genannt, einen solchen Deal der eigenen Bevölkerung nicht mehr vermitteln. Umfragen zufolge lehnen 98 Prozent der Saudis eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel zu ab – daran kommen selbst autoritäre Herrscher nicht vorbei. Die Saudis haben der US-Regierung deshalb schon im Vorhinein klargemacht, dass sie darüber gar nicht erst reden wollen. Das Weiße Haus hat die Erwartungen ebenfalls heruntergefahren: Die großen Krisen und Kriege werden in den drei Tagen am Golf keine besondere Rolle spielen. Man will so tun, als ob nichts wäre, als ob es keinen Krieg gäbe in Gaza, keine Huthi, die weiter Israel angreifen, keinen Regimewechsel in Syrien und die Chance, die Hisbollah in Libanon zu entmachten.

Trump hatte zu Beginn seiner zweiten Amtszeit zwar dabei geholfen, dass es zu einer Waffenruhe kommt in Gaza, er hat es aber auch zugelassen, dass Netanjahu sie nach sechs Wochen wieder brach. An der bedingungslosen Unterstützung hatte das nichts geändert. In den vergangenen Tagen scheinen die USA allerdings etwas auf Distanz zu gehen zu Israel: Zuletzt haben die Amerikaner separat mit der Hamas die Freilassung des israelischen Soldaten Edan Alexander ausgehandelt, der auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt. Zuvor schon wurde mit den Huthi ein separater Waffenstillstand vereinbart, ebenfalls ohne Beteiligung Israels. Trump lobte die Kämpfer anschließend sogar: „Sie haben enorme Schläge hingenommen. Man kann sagen, dass sie sehr mutig sind. Es war erstaunlich, was sie ertragen haben.“ Solche Sätze hat man auch in der saudischen Hauptstadt Riad gelesen und sich vielleicht gewundert. Denn auch die Saudis haben einen blutigen Krieg in Jemen geführt, von MBS selbst angezettelt.

Auch zu Beginn seiner ersten Amtszeit hatte Donald Trump Saudi-Arabien einen Besuch abgestattet - hier mit Kronprinz Mohammed bin Salman im Mai 2017.
Auch zu Beginn seiner ersten Amtszeit hatte Donald Trump Saudi-Arabien einen Besuch abgestattet - hier mit Kronprinz Mohammed bin Salman im Mai 2017. (Foto: Evan Vucci/AP)

Der Kronprinz ist allerdings ein anderer geworden seit dem letzten Trump-Besuch. Damals war es die Zeit, als er Hunderte Prinzen in einem Luxushotel einsperrte und sogar den libanesischen Ministerpräsidenten als Geisel nahm. Er führte den Krieg gegen die Huthi, und der kritische Journalist Jamal Khashoggi wurde im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet. Der MBS von heute ist pragmatischer, er weiß, dass er nur in einem friedlichen Umfeld seine Vision eines neuen Saudi-Arabiens verwirklichen kann, das sich auf die Zeit ohne Öl vorbereitet. Aber die Zeiten sind schwierig, der Krieg in Gaza scheint kein Ende zu haben. Und auch Trump hat bisher keine Ideen für die Region präsentiert, außer den Persischen Golf umzubenennen und Gaza in eine „Riviera“ mit Luxushotels zu verwandeln, ohne Palästinenser.

Trumps Söhne waren schon mal da – der Geschäfte wegen

Politisch liegt man in vielem weit auseinander, dennoch scheint der Golf für Trump sein „happy place“ zu sein, eine Wohlfühloase. Man empfängt ihn hier mit großem Pomp und hat einen ähnlichen Geschmack, was die Inneneinrichtung angeht, Säulen und goldene Sofas inklusive. Man regiert auf eine ähnliche Art und Weise, mit großen Deals und vielen Nullen. Und nimmt es nicht so genau mit der Trennung zwischen dem, was denn eigentlich Staat ist und was privat. So werden beide Seiten in den kommenden drei Tagen vor allem über Handel reden und Deals mit vielen Nullen abschließen.

Trumps Söhne waren schon ein paar Tage vor dem Vater in der Region unterwegs. Eric bewirbt eine Kryptowährung, und Don Jr. sprach in Doha über die Monetarisierung der „Maga-Marke“. Die Trump-Organisation kündigte gleichzeitig neue Projekte an, darunter ein großes Hotel und einen Turm in Dubai, dazu einen Golfplatz außerhalb von Doha.

Vielleicht konnte die ganze Trump-Reise ja sogar ersteigert werden. So hat es Trump jedenfalls selbst erzählt. Der saudische Kronprinz hatte im Januar angekündigt, 600 Milliarden Dollar in den USA investieren zu wollen. Trump schlug vor, dieses Versprechen auf eine Billion Dollar über vier Jahre „aufzurunden“ und Saudi-Arabien dann zum Ziel seiner ersten Auslandsreise als Präsident zu machen (die Trauerfeier für den Papst war da schließlich nicht zu erwarten). MBS schlug ein. Fließen werden diese astronomischen Summen wohl kaum, die Saudis müssten über vier Jahre ihren gesamten Staatshaushalt überweisen. Und der ist ohnehin im Minus: Der Ölpreis sinkt.

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