Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat dem US-Unternehmen Adastec die Genehmigung für Tests mit einem autonmen Bus erteilt. Zum ersten Mal darf ein Elektrobus für mehr als 20 Fahrgäste nach SAE Level 4 unter realen Verkehrsbedingungen auf öffentlichen Straßen in Deutschland fahren, wie das Unternehmen mitteilte, das sich auf Automatisierungslösungen für Großraumbusse und Nutzfahrzeuge fokussiert hat. Es spricht von einem "wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum vollständig autonomen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)". Das KBA hat die Genehmigung demnach auf Basis einer Verordnung zum Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion in festgelegten Bereichen erteilt.
Die SAE Stufe 4 steht für vollautomatisiertes Fahren. Sie beschreibt den zweithöchsten Automatisierungsgrad: In definierten Szenarien und Umgebungen kann das Fahrzeug Fahraufgaben erledigen, ohne dass der Mensch hinterm Steuer zur Übernahme bereit sein muss. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) spricht hier mittlerweile mehr oder weniger von autonomem Fahren. Selbst Schlafen am Steuer könnte dabei unter besonderen Umständen erlaubt sein, da die Kontrolle auf das System übergehe. In Europa gelten bislang die Level-3-Systeme von BMW und Mercedes-Benz als führend. Dabei dürfen Fahrer unter bestimmten und definierten Bedingungen die Aufmerksamkeit komplett abgeben.
Der Probebetrieb mit der Adastec-Technik erfolgt in der 17.000-Einwohner-Stadt Burgdorf bei Hannover im Rahmen des Projekts Albus. Dabei kommen Elektrobusse des Modells "Autonomous e-ATAK" des türkischen Herstellers Karsan zum Einsatz. Sie sind ab Werk mit Sensorik und der Softwareplattform flowride.ai von Adastec ausgestattet. Die Fahrzeuge nutzen Lidar-, Radar-, Ultraschall- und Infrarotsensoren zur Umfeldwahrnehmung sowie Satellitennavigationssyteme wie GPS oder Galileo zur präzisen Positionsbestimmung.
Komplexe Szenarien – Höchstgeschwindigkeit 40 km/h
Mit Albus durchläuft der entsprechende Bus laut Adastec derzeit eine überwachte Testphase auf einer sieben Kilometer langen Strecke in Burgdorf. Er sei dabei mit einer registrierten Benutzergruppe und unter der Aufsicht der Projektbeteiligten unterwegs. So könne das System, das weltweit bereits 12 Mal im Einsatz ist, unter realen Bedingungen evaluiert werden. Das von Regiobus betriebene Fahrzeug navigiere unter realen Verkehrsbedingungen – einschließlich komplexer Szenarien wie Kreisverkehren, Ampeln, Fußgängerüberwegen und Parkmanövern. Dabei halte es den fahrplanmäßigen Linienverkehr mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 km/h aufrecht.
Zu den Projektpartnern gehören die Region Hannover, der Verkehrsbetrieb Üstra, Steuern Lenken Bauen (SLB), Rupprecht Consult und das Institut für Verkehr und Stadtbauwesen der TU Braunschweig. Die Strecke umfasst 13 Bushaltestellen und führt über zehn Kreuzungen. Flowride.ai soll hier dabei helfen, komplexe urbane Szenarien inklusive seitliches und paralleles Parken zu bewältigen und auch bei hohe Verkehrsdichte mitzuhalten. Das Bundesverkehrsministerium fördert Albus.
Nach dem Sammeln und Auswerten von Daten sowie Rückmeldungen der Fahrgäste zu Fahrkomfort, Zugänglichkeit und Nutzerinteraktion soll der Bus in der zweiten Phase – vorbehaltlich weiterer behördlicher Genehmigungen wie einer noch ausstehenden vollständigen SAE-Level-4-Typengenehmigung – parallel zur Linie 906 verkehren. Im Rahmen der regionalen Strategie ist eine weitere Ausdehnung des Einsatzes mit zusätzlichen Strecken geplant. Die TU-Forscher wollen die Fahrdaten in ihre Verkehrssimulation einbauen. Ziel ist es, allgemeine Erkenntnisse für die regulatorische Integration autonomer Busse in den täglichen Verkehr zu gewinnen.
(wpl)