Invasive Tierarten in Deutschland: Flauschig, hungrig, bedrohlich

vor 4 Stunden 1

Nutrias sind war niedlich anzuschauen, aber schlecht für Deiche. Die Ausbreitung der pazifischen Auster im Wattenmeer freut zwar die Fischer, aber nicht die dortigen Vögel. Und in Baden-Württemberg sind Ameisen mancherorts eine Gefahr für die Stromversorgung. Jährlich erobern weltweit Tierarten neue Regionen, oft richten die Neuankömmlinge immense Schäden an, auch in Deutschland. Eine Auswahl:

Ein Graus für Zierhecken

Sein Name klingt süß, doch seine Raupen sind ein Schreck für jeden Gartenfreund. Der Buchsbaumzünsler ist eine Plage. Seit fast zwei Jahrzehnten breitet sich das aus Ostasien stammende Insekt in Deutschland aus, mancherorts wie in der Oberpfalz oder Nordrhein-Westfalen wesentlich stärker als in anderen Gegenden. Die Raupen setzen Buchsbäumen so stark zu, dass die Pflanzen absterben können.

In Mitteleuropa wurde der Kleinschmetterling bereits vor mehr als 15 Jahren entdeckt. Inzwischen hat sich das meist schwarz-weiß gemusterte Tier in vielen europäischen Ländern ausgebreitet, auch in Deutschland, und mit ihm auch seine Raupen. Hierzulande sichtete man Cydalima perspectalis erstmals Mitte der Nullerjahre am Oberrhein in Baden-Württemberg.

Was Sie gegen den Buchsbaumzünsler in Ihrem Garten unternehmen können, lesen Sie hier.  

Quagga-Muscheln im Bodensee

Die Quagga-Muschel hat massives Zerstörungspotenzial. Seit 2016 bevölkert die invasive Art den Bodensee. Die etwa vier Zentimeter langen Muscheln wurden Experten zufolge vor rund zehn Jahren aus dem Schwarzmeerraum durch Boote eingeschleppt, an denen sie sich festgesetzt hatten. Seitdem breiten sie sich nach Angaben der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg rapide aus.

Etwa 4000 Muscheln siedeln sich nach Schätzungen pro Quadratmeter an – das bringt enorme Probleme mit sich. Die Muscheln machen den See laut Forschungsstelle nährstoffärmer, was über die Nahrungskette auf die Fische durchschlägt. Außerdem verstopften die dicht an dicht sitzenden Muscheln Rohre und Wasserleitungen.

Quagga-Muscheln an einem Rohr der Wasserversorgung Bodensee.

Quagga-Muscheln an einem Rohr der Wasserversorgung Bodensee.

Foto: Felix Kästle / dpa

Die Bodensee-Anrainerländer sehen dringenden Handlungsbedarf. Fachleute sollen herausfinden, welche Möglichkeiten es gibt, die Quagga-Muschel aufzuhalten. Dafür hat die Internationale Bodensee-Konferenz (IBK) unter dem Vorsitz Baden-Württembergs eine neue Studie in Auftrag gegeben. »Sie sollen beispielsweise untersuchen, welche Fressfeinde der Quagga-Muschel uns helfen könnten und was man tun kann, um diese Fischarten zu stärken«, sagte der IBK-Vorsitzende Florian Hassler.

Die Hoffnung im Kampf gegen die Quagga-Muschel sind karpfenartige Fische. Sie können die Muscheln knacken, wie es von der Fischereiforschungsstelle heißt. »Aktuell sind zu wenige muschelfressende Fische im See«, sagte Alexander Brinker, Leiter der Forschungsstelle in Langenargen. Warum das so ist, soll Teil der Analyse werden.

Die Ameisen-Superkolonien

Im Sommer 2024 waren sie auf einmal berühmt: Ameisen der Art Tapinoma magnum, in Deutschland auch Große Drüsenameise genannt. Die aus dem Mittelmeerraum eingeschleppte Ameisenart zerstörte in der Stadt Kehl in Baden-Württemberg Wege und Spielplätze, sorgte für Strom- und Internetausfälle.

Inzwischen haben sich die Ameisen längst von den südlichen Wäldern Bayerns bis nach Hamburg ausgebreitet. Mancherorts, so auch in Kehl, bilden sie sogenannte Superkolonien – riesige Verbände von mehreren Millionen hungrigen Tieren, deren schiere Masse ihnen besondere Stärke verleiht. Selbst Ameisenforscher sprechen inzwischen von einer Plage und warnen: In naher Zukunft wird Deutschland die Insekten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr loswerden. 

Ein Exemplar der Tapinoma magnum in der badischen Gemeinde Schutterwald bei Offenburg

Ein Exemplar der Tapinoma magnum in der badischen Gemeinde Schutterwald bei Offenburg

Foto: Uli Deck / picture alliance

Im Kampf gegen die Tapinoma Magnum ergriff Kehl vergangenes Jahr selbst die Initiative und schaffte ein Heißwassersprühgerät an, um die Superkolonien der eingeschleppten Ameise in Eigenregie einzudämmen. Das teilt die Stadt auf ihrer Webseite  mit. Die Kosten für die Ausrüstung: 60.000 Euro. Die Tiere vermehren sich trotzdem. Um besser im Kampf gegen Tapinoma magnum und andere Invasiv-Arten reagieren zu können fordert das Umweltministerium Baden-Württembergs mittlerweile, eine Extraliste sogenannter invasiver gebietsfremder Arten anzulegen. Mit dieser »nationalen Liste« des Bundes könnten Behörden auch vorbeugend handeln. Dabei soll etwa verhindert werden, dass die Ameisen in der Erde von Mittelmeerpflanzen eingeschleppt werden, wie eine Ministeriumssprecherin berichtete. In einer schon bestehenden EU-Liste mit invasiven Arten ist die Tapinoma magnum nicht aufgeführt.

Pelzige Allesfresser

Dem Nabu zufolge gilt er inzwischen als heimische Art, die sich zumeist ohne dramatische Folgen in die Ökosysteme einfüge. Doch auf EU-Ebene ist er noch als invasive Art gelistet: Die Rede ist vom Marderhund. 27.500 Exemplare wurden in der Jagdsaison 2023/2024 hierzulande geschossen.

 der Marderhund

Nicht zu verwechseln mit einem Waschbär: der Marderhund

Foto: alimdi / Arterra / Sven-Erik Arn / picture alliance / imageBROKER

In Deutschland haben die Tiere laut Umweltbundesamt (Uba)  kaum natürliche Feinde. Nur Luchs, Wolf oder Braunbär können ihnen etwas anhaben, lediglich die Welpen seien als Beute für den Uhu geeignet. Entsprechend ungehemmt breiten sich die Tiere aus.

Zu den Krankheiten, die Marderhunde übertragen können, zählt etwa der Fuchsbandwurm. Anders als Waschbären stammen die Tiere nicht aus Nordamerika, sondern aus Ostasien. Sie sind mittlerweile in weiten Teilen Europas verbreitet. Der Mensch hat sie eingeschleppt: Wegen seines Pelzes wurde das Tier im 19. Jahrhundert in Westrussland eingeführt. Aus Pelzfarmen entflohen oder freigelassen, sind viele Tiere nach Westen gewandert.

Gefahr für Honigbienen

Gekommen, um zu bleiben: In Deutschland werden immer mehr Nester der Asiatischen Hornisse gemeldet, nicht mehr nur im Südwesten. Das Tier, das Honigbienen vertilgt, es aber auch auf andere Insekten abgesehen hat, wird mittlerweile auch in Berlin gesichtet.

Eine Asiatische Hornisse sitzt auf ihrem Nest

Eine Asiatische Hornisse sitzt auf ihrem Nest

Foto: Boris Roessler / picture alliance

Dass die Asiatische Hornisse je wieder aus Deutschland verschwindet, gilt als quasi ausgeschlossen. »Der Drops ist gelutscht«, sagte Benjamin Waldmann, Referent für invasive Arten beim baden-württembergischen Umweltministerium, bereits vergangenes Jahr. »Wir können nur noch auf Begrenzung setzen.« Die betroffenen Bundesländer setzen auf Meldeportale, wo Sichtungen und auch Nester der Tiere angezeigt werden können.

Welche Schäden diese Hornisse jenseits des befürchteten Insektenartenverlustes anrichten könnte, ist dabei unklar. Der Deutsche Imkerverband warnte 2024 vor potenziellen Gefahren nicht nur für die Imkerei, sondern auch für die Landwirtschaft. Er verwies dabei auf eine Studie zu Schäden im Obst- und Weinbau in Galizien und Portugal.

Auch in Frankreich sind die Hornissen ein Problem. Dort sollen sie kürzlich die Bienen eines Stocks so aufgeschreckt haben, dass diese wiederum 24 Menschen attackierten und drei von ihnen in einen kritischen gesundheitlichen Zustand versetzten.

Pazifische Austern im Wattenmeer

Einst im Pazifik beheimatet, breitet sich die Felsenauster unkontrolliert in der Nordsee aus. Naturschützer betrachten die Expansion der invasiven Art mit Sorge. Denn nicht nur heimische Vogelarten, sondern auch Zugvögel nutzen das Wattenmeer als Speisekammer. Für sie stellt die pazifische Felsenauster eine wachsende Bedrohung dar – zum einen, weil die harte Schale für sie nicht zu knacken ist. Zudem bekommt die heimische Miesmuschel in der Konkurrenz mit den Felsenaustern weniger Nahrung und setzt daher weniger Fleisch an. Für Fischer sind die Austernbänke dagegen eine Goldgrube. Eine »Arte Re:«-Reportage von SPIEGEL TV aus dem Wattenmeer finden Sie hier:

Gefahr für Deiche und Schilfgebiete

Sumpfbiber, auch bekannt als Nutria, sind hierzulande mittlerweile weitverbreitet. Die Nagetiere stammen ursprünglich aus Südamerika, wurden unter anderem zur Pelzzucht nach Deutschland gebracht.

Nutrias sind eine aus Südamerika stammende Nagetierart

Nutrias sind eine aus Südamerika stammende Nagetierart

Foto: Matthias Balk / picture alliance

Nutrias erschaffen Erdbauten an Ufern und fressen dort die Vegetation, Feldfrüchte oder auch Muscheln. In Nordrhein-Westfalen haben sie Röhrichtvorkommen, also Schilfgebiete, so geschädigt, dass ganze Lebensräume – unter anderem für geschützte Arten wie die Trauerseeschwalbe – verschwunden sind. In Norddeutschland wiederum graben Nutrias in Deichen, die deshalb instabil werden. Und gefährden so Menschenleben.

Im Gegensatz zum Bibern sind Nutrias in Deutschland nicht streng geschützt. Da sie als invasive Art gelten, dürfen sie in vielen Bundesländern bejagt werden.

Feind mit Maske

Weniger bekannt ist, dass neben dem Nutria auch der Waschbär  zu den invasiven Arten zählt. Seit vor 90 Jahren zwei Waschbärpaare in Nordhessen und später weitere Tiere freigesetzt wurden, haben sich die Tiere bundesweit enorm ausgebreitet. Geschätzt zwei Millionen Exemplare gibt es inzwischen. Die anpassungsfähigen Allesfresser sind eine Gefahr unter anderem für seltene Amphibien und Reptilien, plündern Vogelnester und breiten sich auch in menschlichen Siedlungsräumen aus. Rund 239.000 Waschbären wurden in der Jagdsaison 2023/2024 hierzulande geschossen.

Warum der Waschbär zur Plage geworden ist, können Sie in diesem Video verfolgen:

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