Wirtschaftsministerin Reiche räumt grünem Wasserstoff nicht mehr Priorität ein

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Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will den "Auf- und Ausbau einer Infrastruktur für die Erzeugung, die Speicherung, den Import und Transport von Wasserstoff" beschleunigen. Das geht aus einem neuen Referentenentwurf für ein Gesetz zum Hochlauf für das begehrte Gas vom Montag hervor. Im Zentrum soll dabei "die Vereinfachung und Digitalisierung von Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren" stehen, auch um die Klimaziele zu erreichen. Im Vergleich zu einem früheren Anlauf der Ampel-Koalition hat Reiche die Anforderungen an grünen Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird, abgeschwächt.

"Ziel ist es, die Versorgung mit Wasserstoff sicherzustellen", heißt es in Paragraf 1 des Entwurfs des Beschleunigungsgesetzes, den der Newsletter-Dienst Table.Briefings veröffentlicht hat. Dazu soll nur noch "ferner" eine "treibhausgasneutrale, sichere und umweltverträgliche Erzeugung" gewährleistet werden. Der Zusatz, dass diese hauptsächlich "aus erneuerbaren Energien" zu erfolgen habe, fehlt.

Zudem soll das "überragende öffentliche Interesse", das im früheren Entwurf nur für Elektrolyseure vorgesehen war, die von 2029 an mindestens zu 80 Prozent erneuerbaren Strom nutzen, jetzt unabhängig vom verwendeten Strom gelten. Mit einer ähnlichen Formulierung beschloss der Bundestag jüngst ein Gesetz, um beim Ausbau von Telekommunikationsnetzen Dampf zu machen. Weitere Priorität des Reiche-Entwurfs: "Zusätzlich werden Aufsuchung und Förderung von natürlichem Wasserstoff und Helium als wichtige Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft und Industrie erleichtert."

Die Ampel sah grünen Wasserstoff als Eckpfeiler der ökologischen Transformation der Industrie an. Doch dieses ehrgeizige Projekt steht vor großen Hürden. Ein aktueller Rückschlag ist der Rückzug von ArcelorMittal aus den Projekten zur Grünstahlproduktion in Bremen und Eisenhüttenstadt. Der zweitgrößte Stahlkonzern der Welt verzichtete auf Beihilfen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro mit der Begründung, dass die Vorhaben hierzulande aufgrund hoher Energiekosten und unzureichender Förderung nicht wirtschaftlich seien. Ferner hat der Energiekonzern Leag seine Pläne zum Bau eines Elektrolyseurs – einer Schlüsselkomponente für die Produktion von grünem Wasserstoff – in Sachsen abgesagt.

Zusätzlich zu diesen Herausforderungen gibt es eine Kursänderung bei den geplanten Backup-Gaskraftwerken. Anders als ihr Vorgänger Robert Habeck (Grüne) beabsichtigt Reiche, auf eine verbindliche Umrüstung dieser Anlagen auf Wasserstoff zu verzichten.

"Wir werden den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft beschleunigen und pragmatischer ausgestalten", schreiben CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag. "Im Hochlauf müssen wir alle Farben nutzen" – also nicht nur grünen Wasserstoff.

Die Bundesregierung setzte sich zu Zeiten der einstigen Großen Koalition mit ihrer Strategie das Ziel, Deutschland beim Einsatz von Wasserstoff als klimafreundlichen Energieträger global zum Vorreiter zu machen. Laut dem Papier "ist nur grüner Wasserstoff auf Dauer nachhaltig". Im Vordergrund stand 2021 also noch die Elektrolyse, bei der Wasser mithilfe von Strom etwa aus Wind- und Solarkraft in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird.

Die Exekutive ging aber schon damals unter Verweis auf Markterfordernisse davon aus, dass zumindest übergangsweise auch "CO₂-neutraler Wasserstoff" eine Rolle spielen müsse. Dessen Treibhausgasbilanz könnte prinzipiell zwar auf Netto Null hinauslaufen. Schädliche Emissionen müssten dafür aber durch Reduktionsmaßnahmen aus der Atmosphäre entfernt werden. Als Beispiele gelten blauer und türkiser Wasserstoff. Bei ersterem lautet der Anspruch, das bei der Herstellung produzierte CO₂ abzuscheiden und etwa unterirdisch zu speichern. Türkiser Wasserstoff wird über die thermische Spaltung von Methan hergestellt – oft mithilfe von Erdgas.

(mki)

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