Klagewelle absehbar: 5.000 Euro Schadenersatz wegen Meta Business Tools

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5.000 Euro Schadenersatz soll Meta Platforms einem deutschen Facebook-Nutzer bezahlen. Grund sind die bei zahllosen Webseiten und Apps eingebetteten Meta Business Tools. Diese sammeln personenbezogene Daten, die Meta für Profiling der Nutzer zusammenführt. Damit verstoße Meta massiv gegen europäischen Datenschutz und fahre in der Folge Milliardengewinne mit personalisierter Werbung ein, so das Landgericht Leipzig. Dafür stünden einem durchschnittlichen Facebook-Nutzer 5.000 Euro Schadenersatz zu (Az. 05 O 2351/23).

"Jeder Nutzer ist für Meta zu jeder Zeit individuell erkennbar, sobald er sich auf den Dritt-Webseiten bewegt oder eine App benutzt hat, auch wenn er sich nicht über den Account von Instagram und Facebook angemeldet hat", fasst eine Pressemitteilung des LG Leipzig zusammen. "Die Daten sendet Meta Ireland (die Niederlassung Meta Platforms in der EU, Anmerkung) ausnahmslos weltweit in Drittstaaten, insbesondere in die USA. Dort wertet sie die Daten in für den Nutzer unbekanntem Maß aus."

Die Verarbeitung personenbezogener Daten sei "besonders umfangreich", betreffe "potenziell unbegrenzte Datenmengen" und habe die "nahezu vollständige Überwachung des Online-Verhaltens des Nutzers zur Folge". Das führe laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu dem Gefühl der kontinuierlichen Überwachung des gesamten Privatlebens. Und dafür stünde den Betroffenen europarechtlich immaterieller Schadenersatz zu.

Wahrscheinlich ist die 2023 ergangene EuGH-Entscheidung Az. C-252/21 gemeint, Teil eines Rechtsstreits zwischen dem Datenkonzern und dem deutschen Bundeskartellamt. Im Verfahren C-300/21 ("Österreichische Post") hat der EuGH erkannt, dass die DSGVO einerseits keine Erheblichkeitsschwelle für Schadenersatz festlegt, andererseits ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und dem Schaden gegeben sein muss. Der deutsche Bundesgerichtshof

Während sich andere deutsche Gerichte bislang auf nationales Recht gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen gestützt haben, bezieht sich die 5. Zivilkammer des LG Leipzig ausschließlich auf Artikel 82 der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). So gelangt sie zu einem deutlich höheren Schadenersatzbetrag als bislang in Deutschland üblich: 5.000 Euro. Zum Vergleich: Das Landgericht Stuttgart hat in einem ähnlichen Fall im Februar 300 Euro zugesprochen (Az. 27 O 190-23). Der deutsche Bundesgerichtshof hat für Kontrollverlust über die eigenen Daten durch unzulässiges Scraping von Facebook-Profile 100 Euro als angemessenen Schadenersatz erachtet (Az. VI ZR 10/24); auf dieser Grundlage organisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine gemeinsame Klage deutscher Nutzer gegen Facebook.

Meta Platforms kann und wird voraussichtlich Rechtsmittel gegen das aktuelle Urteil aus Leipzig einlegen, um eine teure Klagewelle zigtausender Deutscher hintanzuhalten. Denn so eine Entwicklung ist durchaus absehbar, weiß auch die 5. Zivilkammer in Leipzig: Ihr Urteil könnte dazu führen, dass viele Facebook-Nutzer Klage erheben, ohne ihren individuellen Schaden explizit darzulegen. Doch gerade durch private Klagen vor Zivilgerichten könne die DSGVO effektiv durchgesetzt werden, jenseits der Arbeit von Datenschutzbehörden.

Der Originaltext der Entscheidung vom 4. Juli liegt noch nicht vor. Die (hinsichtlich juristischer Details mit Vorsicht zu genießende) Pressemitteilung des Gerichts lässt Angriffsmöglichkeiten vermuten. Beispielsweise verweist das Gericht auf die hohen Werbeumsätze Meta Platforms im dreistelligen Milliardenbereich und unterstreicht, dass der finanzielle Wert umfassender Personenprofile auf datenverarbeitenden Märkten enorm hoch ist. Offen bleibt dabei, was diese Fakten mit der Schwere des erlittenen immateriellen Schadens des Klägers zu tun haben.

Den konkreten immateriellen Schaden und den Kausalzusammenhang mit der DSGVO-Verletzung hat das Landgericht übrigens nicht erhoben. Es hat den Kläger nicht befragt, weil es der Auffassung war, dieser könne lediglich über ein "im Allgemeinen eher diffuses Gefühl des Datenverlusts und der Verunsicherung" sprechen. "Das Gericht stellt deshalb für eine Mindestentschädigung von 5.000 Euro auf die allgemeine Betroffenheit des aufmerksamen und verständigen 'Durchschnitts'-Betroffenen im Sinne der DSGVO ab." Ob der Kläger durchschnittlich betroffen ist, blieb unergründet.

Gleichzeitig muss Meta versuchen, das Urteil grundsätzlich und nicht nur der Höhe nach zu bekämpfen. Selbst ein auf ein Zehntel reduzierter Schadenersatz würde zigtausende Deutsche dazu bewegen, sich ihren Schaden ersetzen zu lassen. heise online hat Meta Platforms zu einer Stellungnahme eingeladen.

(ds)

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