Der Rechtsausschuss im EU-Parlament wird dem Vernehmen nach am 24. Juni darüber entscheiden, ob die italienische linke Abgeordnete Ilaria Salis ihre Immunität verliert. Der Fall sorgte europaweit für Schlagzeilen, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hatte Salis in einer Rede im EU-Parlament vorgeworfen, »friedliche Menschen« in Budapest mit »Eisenstangen« zu jagen.
Hintergrund sind brutale Angriffe einer linken Gruppe 2023 auf Neonazis. Salis, die die Tat bestreitet, wurde noch in Ungarn festgenommen, saß 15 Monate lang deswegen in Budapest in Untersuchungshaft und kam mit der Wahl ins EU-Parlament 2024 frei. Von den mehr als zehn Tatverdächtigen wurde in Deutschland im Dezember 2023 die Deutsche Maja T. von Zielfahndern in Berlin festgenommen und im Juni 2024 nach Ungarn überstellt. Weitere Tatverdächtige sind in Deutschland in Haft.
Es wäre vor diesem Hintergrund also unklar, in welchem Land in der EU Salis bei der Aufhebung der Immunität tatsächlich festgenommen und nach Ungarn überstellt würde.
Einer der Personen, die von der Gruppe verprügelt worden sein soll, trat 2024 in Polen für die rechtsextreme Partei Ruch Narodowy an. Diese ist mit Orbáns Fidesz-Partei im Europaparlament verbündet, beide gehören der »Patrioten«-Fraktion an.
Der SPD-Rechtspolitiker und Juraprofessor René Repasi argumentiert, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Maja T. müsse auf den Fall Salis übertragen werden. »Weil der Immunitätsschutz für den Abgeordneten das ist, was der Auslieferungsschutz für die Staatsangehörigen ist«, so Repasi.
Ob die Konservativen dieser Argumentation folgen, ist unklar. Ungarn hatte auch die Immunitätsaufhebung des ungarischen EVP-Abgeordneten Péter Magyar von der Tisza-Partei beantragt. Die neue konservative Formation gilt in Ungarn als schärfste Konkurrenz für die Fidesz. Die ungarischen Behörden werfen Magyar unter anderem vor, ein Handy gestohlen zu haben.
Ähnlich wie beim Fall der Linken Salis steht die Frage im Raum, ob der Konservative Magyar mit einem rechtsstaatlichen Verfahren in Ungarn rechnen kann. Magyar soll am 24. Juni im EU-Rechtsausschuss angehört werden.
Nach der Entscheidung im Rechtsausschuss muss noch das gesamte Plenum des EU-Parlaments über die Anträge zur Aufhebung der Immunität abstimmen. In der Regel folgt das Plenum dem Rechtsausschuss, was diesmal anders sein könnte. Auch hier wird mit einem knappen Votum und politischen Auseinandersetzungen zu den Fällen Salis und Magyar gerechnet.