Seit zwei Tagen schweigt Dunja Hayali. Sie wolle sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurückziehen, hatte die Fernsehmoderatorin erklärt, nachdem im Netz eine rechte Empörungswelle über sie hereingebrochen war. Grund war ihre Anmoderation im „heute journal“ nach der Ermordung des christlich-nationalistischen Aktivisten Charlie Kirk.
Weshalb traf es ausgerechnet Hayali? Und stimmt es, was viele ihrer Kritiker nun behaupten: dass sie selbst für den Hass verantwortlich ist?
Wenige Sätze reichten aus
„Es handelt sich eindeutig um eine Kampagne“, sagt die österreichische Publizistin Ingrid Brodnig, die sich seit Jahren mit Hass und Desinformation im Netz beschäftigt. Allerdings sei diese Kampagne nicht geplant gewesen, sondern – wie inzwischen häufig zu beobachten – „aus dem Moment heraus“ entstanden.
Solche Momente oder Gelegenheiten könnten immer dann entstehen, wenn sich eine Person als Feindbild für eine Gruppe anbiete. „In diesem Fall traf es eine Journalistin, die es gewagt hat, eine kritische Einordnung vorzunehmen, und die dazu auch schon in der Vergangenheit rechtsextreme Gewalt kritisiert hat“, sagt Brodnig.
Dass Hayali eine Frau mit Migrationshintergrund und zudem lesbisch sein, habe die Dynamik der Angriffe noch verstärkt. Hayali sei seit Jahren ein Feindbild der Rechten, und bei vielen Akteuren des Spektrums sei der Wunsch spürbar, sie zu diskreditieren. Brodnig sagt: „Die Kampagne war wohl eine spontane Reaktion, folgt aber einer systematischen Logik: gegen jene Stimmen vorzugehen, die oft menschenfeindliche Aussagen klar einordnen.“
© Gianmaria Gava
Auslöser des Hasses waren wenige Sätze, die Hayali im „heute journal“ sagte. „Wo soll das alles hinführen?“, begann die Moderatorin. „Im Land der Meinungsfreiheit, den USA, scheint es immer weniger möglich zu sein, andere Meinungen auszuhalten oder dagegenzuhalten, ohne dass es eskaliert.“ Dass es nun Gruppen gebe, die seinen Tod feierten, sei mit nichts zu rechtfertigen, auch nicht mit „seinen oftmals abscheulichen, rassistischen, sexistischen und menschenfeindlichen Aussagen.“
Die Angriffe folgten einem Muster, das man in diesem Jahr bereits mehrfach beobachten konnte. Etwa beim Empörungssturm, der im Januar gegen zahlreiche Nichtregierungsorganisationen losgetreten wurde. Oder bei den Attacken gegen die Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf.
Dabei gilt nicht als entscheidend, wer die Kampagne jeweils startete – sondern nur, dass sich verschiedene Akteure dieser rasch anschlossen und diese somit verstärkten. Zu den Teilnehmern zählen rechte Plattformen wie „Nius“ oder „Apollo News“, Politiker der AfD sowie andere Rechtsextreme, rechte Influencer sowie tausende Nutzer sozialer Netzwerke, vor allem der Plattform X.
„Die Stimmung gegen Hayali könnte man ohne X nicht erklären“, sagt Ingrid Brodnig. Auf Elon Musks Plattform sei die aktuelle Kampagne losgetreten und dann in andere Netzwerke weitergetragen worden. Wenn in kurzer Zeit derart viele aggressive Tweets viral gingen, löse dies etwas aus: „Es zeichnete sich früh ab, dass hier eine weitere Hasswelle losrollt.“
Die Akteure sind bekannt
Unter anderem beteiligte sich der Rechtsextreme Martin Sellner, Kopf der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“. Früher hätte Sellner gar nicht posten können, weil er auf Twitter einst gesperrt war, sagt die Expertin.
Auffällig sei zudem, dass Sellner seine Botschaft auf Englisch formulierte. Womöglich auch, um die Empörungswelle nicht auf den deutschsprachigen Raum zu begrenzen, sondern Akteure einzubeziehen, die Hayali bis dahin vermutlich gar nicht kannten.
„Man merkt, dass die extreme Rechte sich unglaublich gestärkt und auch bestätigt fühlt“, sagt Brodnig. Grund hierfür sei einerseits, dass Plattformen wie X Rückschritte machten beim Vorgehen gegen Hasskommentare und Desinformation, andererseits aber auch wegen der allgemein aggressiven Stimmung in den USA und der Trump-Regierung, die von europäischen Ländern unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit fordere, weniger gegen extremistische Äußerungen vorzugehen. Die extreme Rechte sei auch früher nicht zimperlich in der Wahl ihrer Mittel gewesen, doch nun seien „noch einmal Dämme gebrochen.“