Fußgänger im Straßenverkehr: Der Zebrastreifen als Hochrisikozone

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Was nutzt es, wenn man Recht fordernd, Recht habend das Zeitliche segnet? Natürlich gilt, dass Fußgänger auf dem Zebrastreifen Vorrang haben. Natürlich gilt, dass Autofahrer gehalten sind, ihre Geschwindigkeit dem nahen Zebrastreifen anzupassen, sich umsichtig zu orientieren und anzuhalten, wenn sich das Fußgängerverhalten nicht genau bestimmen lässt: Geht die Person jetzt rüber oder bleibt sie an der Bordsteinkante stehen? Natürlich gilt all das.

Aber es gilt auch der Satz des italienischen Kybernetikers Valentin Braitenberg, der in seinem Buch „Gescheit sein (und andere unwissenschaftliche Essays)“ wissen lässt, niemand sei so tot wie derjenige, der im blinden Vertrauen aufs grüne Fußgängerlicht die Straße überquere. Den Satz gilt es in Abwandlung des Ampelsignals auf den Zebrastreifen dergestalt zu übertragen, dass gesundes Misstrauen schon im Allgemeinen des Straßenverkehrs lebenserhaltend wirkt, im Besonderen aber beim Überqueren des Zebrastreifens.

Jeden Blickkontakt vermeidend

Was lässt sich jedoch am Zebrastreifen beobachten? Oft das genaue Gegenteil! Menschen, zumeist ja verkabelt, steuern hochgradig innengeleitet den Zebrastreifen an, jeden Blickkontakt mit einem Außen meidend, um dann ohne jede orientierende Verlangsamung auf den Zebrastreifen zu gleiten, ja mit riskanter Abruptheit sich in ihn hineinfallen zu lassen, als gäbe es verkehrstechnisch gar keine Zäsur zwischen Gehsteig und Zebrastreifen, wodurch letzterer zu einer Hochrisikozone für alle Beteiligten wird.

Natürlich kann man an dieser Stelle wieder reinrufen: Der Autofahrer ist schuld. Ja klar, die Schuld trifft im Zweifel den Autofahrer – aber noch einmal: was hilft’s? Was hilft es dem zebragestreiften Fußgänger, wenn er noch vor Erreichen der anderen Straßenseite von einem Idioten erfasst wird, mit dem nicht vorher Blickkontakt gesucht wurde, gescheit abwartend, generös für den Moment sein Recht entäußernd? Mit Idioten und Idiotinnen ist auf Zebrastreifen immer zu rechnen, ganz wie im wirklichen Leben. Da kann man über die fußläufige Risikobereitschaft nur staunen, mit welcher der Idiotenvorbehalt hier vernachlässigt wird, ein Vorbehalt, den man doch schon Kindern als Präambel der Verkehrserziehung mit auf den Lebensweg gibt: „Der Zebrastreifen gehört dir, aber niemand ist so tot, der darauf blind vertraut. Sei also bitte so gescheit und halt die Augen offen!“

Setzt voraus, dass man den Zebrastreifen nicht als Rechthaberzone missversteht, welche sich als Monade ohne Fenster begehen lässt, im Selbstbild eines „homo clausus“, der mit dem Wechseln der Straßenseite – wo, wenn nicht dort? – sein tägliches Zukurzkommen kompensiert: die selbstbestimmt flackernden Augen starr auf die Streifen der Befreiung gerichtet, dorthin, wo mein Recht gründet, denen werde ich’s zeigen!

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