Der jüdische Student Lahav Shapira hat mit seiner Klage gegen die Freie Universität Berlin (FU) vor dem Verwaltungsgericht Berlin einen Teilerfolg erzielt. Um feststellen zu können, ob die Hochschule ausreichend Maßnahmen zum Schutz jüdischer Studenten ergriffen hat, wollen die Richter die Verhandlung fortsetzen. Das gab der Vorsitzende Richter Edgar Fischer bekannt. Dies werde voraussichtlich im Oktober geschehen.
Der Student war im Februar 2024 von einem Kommilitonen bei einer zufälligen Begegnung in Berlin-Mitte angegriffen und verletzt worden. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einer antisemitischen Tat aus und verurteilte den Mann im April zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Mehr über den Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira, lesen Sie hier .)
Shapira warf der Hochschule danach vor, sie unternehme nicht genug gegen antisemitische Diskriminierung. Damit verstoße sie gegen das Berliner Hochschulgesetz. Demnach sind Universitäten verpflichtet, Diskriminierungen zu verhindern.
Seine Anwältin Kristin Pietrzyk wertete die Entscheidung der Richter als »großen Erfolg«. »Das Gericht hat deutlich gemacht, dass sich die Uni erklären muss«, sagte sie. Es werde aufschlussreich sein, zu hören, welche Maßnahmen die Hochschule ergriffen habe.
Shapira sagte: »Ich bin froh, dass endlich etwas passiert.« Er wünsche sich, dass die FU nicht weiter »leere Versprechungen« mache, so der 32-Jährige.
Die FU bestreitet, untätig gewesen zu sein. Die Vertreter der Hochschule verwiesen vor Gericht auf ein Konzept für Antidiskriminierung und Diversität, wie es das Gesetz fordert. Zudem gebe es eine »Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung« und eine Antidiskriminierungssatzung. Die Juristen beantragten, die Klage Shapiras abzuweisen: Sie sei zu unkonkret.
Verhandlung im besser geschützten Kriminalgericht
Das Gericht sieht jedoch Klärungsbedarf – insbesondere nachdem Kläger Shapira klargemacht hatte, wie er sich im Studium durch die Stimmung an der Uni beeinträchtigt fühlt. Damit habe er deutlich gemacht, dass er sich auch in seinen Grundrechten verletzt sehe, erklärte Richter Fischer. Wegen der abstrakten Gefährdungssituation im Kontext des Nahostkonflikts fand die Verhandlung im besser geschützten Kriminalgericht Moabit statt.
Der Student, der auch Mitglied der jüdischen Gemeinde ist, führte vor Gericht an, propalästinensische Gruppierungen hätten auf dem FU-Gelände antiisraelische und antisemitische Veranstaltungen abgehalten. Auch am heutigen Dienstag sei auf dem Universitätsgelände eine Veranstaltung studentischer Gruppen geplant, mit dem Titel »Wie wir die Intifada globalisieren«, kritisierte seine Anwältin. »Jüdische Studenten müssen das als Bedrohung wahrnehmen.«
In der FU sei eine Stimmung entstanden, die zur Diskriminierung jüdischer Studenten führe, erklärte Shapira. »Um Seminare zu belegen, muss man sich beleidigen lassen«, so der Lehramtsstudent vor Gericht. Teils sei ihm der Zutritt zu Räumen versperrt worden. Jüdische Studenten seien auf sich gestellt.
Beratungsstelle: Klage hat grundsätzliche Bedeutung
Aus Sicht der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBEG) ist die Klage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Universitäten seien nach den Hochschulgesetzen der Länder verpflichtet, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Maßnahmen zum Schutz zu ergreifen. »Wir hoffen daher, dass von der Klage vor dem Verwaltungsgericht auch ein Zeichen der Ermutigung an Studierende ausgeht«, wie Geschäftsführerin Heike Kleffner am Rande der Verhandlung sagte.
Nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel im Oktober 2023 kommt es in Berlin regelmäßig zu Demonstrationen im Kontext des Nahostkonflikts. Auch an den Universitäten gibt es zahlreiche Protestkundgebungen. Teils kam es zu Besetzungen und Angriffen. Nach Angaben der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) gab es seit dem Terrorangriff deutlich mehr antisemitische Vorfälle an Berliner Hochschulen. Im Jahr 2024 seien 51 Vorfälle dokumentiert worden.