Nach einer ersten Testphase in rund 300 Praxen in Hamburg, Franken und Nordrhein-Westfalen soll es am 29. richtig losgehen mit der elektronischen Patientenakte (ePA), denn Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält sie, trotz anderslautender Expertenmeinungen, für sicher. Für den Start sind zumindest die großen Software-Anbieter gerüstet, wie der Ärztenachrichtendienst (Aend) erfragt hat. Jedoch kann es noch eine Zeit dauern, bis alle Praxen und Apotheken mit den ePA-Modulen ausgestattet sind, entsprechende Updates installiert sind und sich die Ärzte und das Praxispersonal mit den neuen Prozessen vertraut gemacht haben. Darauf hatten die Beteiligten hingewiesen.
Die Krankenkassen haben die ePA-Akten für alle Versicherten, die nicht widersprochen haben, bereits Anfang des Jahres angelegt. "Nach erfolgreicher Erprobung wird die ePA für alle ab dem 29. April 2025 bundesweit von Praxen, Krankenhäusern und Apotheken genutzt werden können", heißt es dazu vom Bundesgesundheitsministerium. Wer seine ePA-App, beziehungsweise das Frontend der Versicherten, selbst testen will, benötigt dafür eine GesundheitsID, die mit dem Personalausweis oder der elektronischen Gesundheitskarte erstellt werden kann. Neben der ePA-App ist bei einem Teil der Anbieter auch eine App für die GesundheitsID erforderlich. Über die App können Versicherte beispielsweise auch dem regelmäßigen Einstellen der Abrechnungsdaten durch die Krankenkassen widersprechen.
Gelegentlich gibt es technische Probleme, was an verschiedenen Faktoren liegen kann, etwa aufgrund einer Störung bei den GesundheitsIDs. Zum Teil wird im WhatsApp-Channel der Gematik oder im TI-Störungsportal informiert. Es kann sein, dass mit dem weiteren Rollout der ePA Probleme sichtbarer werden, wie es beispielsweise beim E-Rezept der Fall war. Gerade zu Beginn des weiteren Rollouts werden wahrscheinlich nur wenige Versicherte auf Ärzte treffen, die ihnen Dokumente in die ePA laden können oder selbige bearbeiten. Ebenso wird es erstmal dauern, bis auch in den Apotheken auf die ePA und Daten aus der elektronischen Medikationsliste zugegriffen wird.
Laut dem Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) treten bisher "vereinzelt technische Probleme auf, die zumeist auf die Netzwerkarchitektur und die Systemkonfiguration der Einrichtungen zurückzuführen sind". Ab dem 1. Oktober soll die Nutzung der ePA für Ärzte zwar verpflichtend sein, Sanktionen sind nach aktuellem Stand für Anfang 2026 geplant. "Die stufenweise und zunächst freiwillige Einführung ist der richtige Weg, um den Praxen, die ePA-ready sind, den Einstieg zu ermöglichen", sagt dazu Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
"Viele der Testpraxen können erst seit März mit der ePA arbeiten, also diese einsehen und befüllen. Die Erfahrungswerte mit ihrer Performance und Nutzbarkeit im Praxisalltag sind daher zu gering. Diese Informationen brauchen wir aber, um verlässlich beurteilen zu können, ob die ePA in die Versorgung gebracht werden kann, zumal die Testpraxen immer wieder von technischen Problemen berichten", so Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung noch Anfang April.
Große Hersteller bereit
Die Praxisverwaltungssysteme "Turbomed", "Medistar", "Albis", "M1 Pro" und "Data Vital" der Compugroup Medical (CGM) zum Starttermin einsatzbereit, berichtete der Aend. In den meisten Fällen sei bereits ein Software-Update ausgerollt worden. Auch bei Duria werde das bereits ausgerollte, aber deaktivierte ePA-Modul mit einem Update rechtzeitig reaktiviert. Bei anderen Praxisverwaltungssystemen, etwa T2Med oder Tomedo, ist das ePA-Modul nach Informationen von Aend ebenfalls fest integriert. Der TI-Score der Gematik zeigt aktuell nicht mehr an, wie es um die ePA-Module bestellt ist.
Die Tests liefen bei den Produkten von Medatixx laut Geschäftsführer Jens Naumann "stabil und nutzstiftend". Er empfiehlt, die ePA jetzt aktiv zu testen. Im TI-Score der Gematik sind aktuell keine Informationen mehr zu ePA zu finden (Stand 25. April 2025, 11:49 Uhr). Unklar ist jedoch, ob alle derzeit auf dem Markt verfügbaren Praxisverwaltungssysteme – speziell die weniger verbreiteten Systeme – künftig über die ePA-Module verfügen werden. Vor mehr als einem Jahr hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach davon gesprochen, dass Ärzte für eine funktionierende ePA das PVS wechseln müssen.
Bundeweiter Start verfrüht
"Der bundesweite Start der ePA ist verfrüht, denn die technischen Sicherheitslücken sind nicht glaubhaft und nachprüfbar ausgeräumt. Für PatientInnen ist ein Start zunächst ohne verpflichtende Teilnahme für medizinische Einrichtungen intransparent: Sie können nicht wissen, ob die jeweilige Praxis bereits auf die ePA zugreifen kann", erklärt dazu Manuel Hofmann von der Deutschen Aidshilfe. Mit den automatisch in die ePA geladenen elektronischen Medikationslisten und den Abrechnungsdaten "werden sensible Diagnosen aber potenziell bereits sichtbar", so Hofmann. Unter anderem darüber informiert die Aidshilfe auf ihrer Website.
"Generell werden wir als Deutsche Aidshilfe den Einführungsprozess weiterhin aufmerksam beobachten", so Hofmann. Auch die Kinderärzte hatten im Vorfeld bereits davor gewarnt, dass Informationen in der ePA möglicherweise das Kindeswohl gefährden könnten. Daher wurde für einen besseren Schutz erst kürzlich eine neue Richtlinie veröffentlicht. Die Ärztekammer Niedersachsen hatte sich zudem vor kurzem gegen die Widerspruchslösung bei Kindern ausgesprochen.
(mack)