E-Government: Verwaltungsdigitalisierung als Basis für Vertrauen in Demokratie

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Die Verwaltungsdigitalisierung kommt nach einer langen Dürre dank Onlinezugangsgesetz 2.0, der DeutschlandID als zentralem Bürgerkonto und der Abschaffung des Schriftformerfordernisses messbar voran. Das goutieren auch langsam die Bürger. Das sind die Kernresultate des E-Government-Monitor 2024, den die von Staat und Wirtschaft getragene Initiative D21 gemeinsam mit der TU München (TUM) am Dienstag veröffentlicht. Angesichts des im vorigen Jahres noch gesunkenen Vertrauens in den Staat und seine Leistungsfähigkeit "ist dies ein motivierendes Zeichen", meinen die Autoren. Gleichzeitig ergebe sich daraus aber auch ein klarer Arbeitsauftrag: "Die digitale Transformation muss schneller und wirkungsorientierter vorangetrieben werden."

Für die repräsentative Studie befragte das Markforschungsinstitut Kantar im Mai 8108 Online-Nutzer in Deutschland sowie je gut 1000 in Österreich und der Schweiz ab 16 Jahren. Derzeit decken hierzulande demnach immer noch 31 Prozent ihren Bedarf an Verwaltungsleistungen komplett analog ab. In Österreich (21 Prozent) und der Schweiz (19 Prozent) sind es deutlich weniger. Die Zufriedenheit mit dem E-Government-Angebot hat sich in Deutschland aber verbessert und erreicht eine Quote von 62 Prozent. Sie liegt trotzdem weiterhin deutlich unter dem Niveau in Österreich und der Schweiz (74 respektive 79 Prozent).

70 Prozent (2023: 63 Prozent) der Bundesbürger finden, dass Verwaltungsangebote genauso bequem und einfach online nutzbar sein sollten wie die der Wirtschaft. Aber nur 19 Prozent halten Ämter und Behörden aktuell für genauso effizient wie Unternehmen. Dass der Staat ihr Leben leichter macht, sagen nur 16 Prozent. 71 Prozent sehen im E-Government einen klaren Vorteil gegenüber der traditionellen Verwaltung, 68 Prozent erwarten ausdrücklich den gezielten Einsatz neuer Techniken zur Steigerung der Effizienz in Ämtern.

Als eines dieser Instrumente gilt Künstliche Intelligenz (KI). 80 Prozent der Bundesbürger glauben, den Begriff erklären zu können oder zumindest ungefähr zu wissen, was er bedeutet. 6 von 10 haben bereits Erfahrungen mit der Nutzung von KI. 31 Prozent kommunizierten schon einmal über einen Chatbot mit einer Behörde. Die Mehrheit der Bevölkerung steht dem Einsatz der Technik in der Verwaltung offen gegenüber – mit steigender Tendenz. 75 Prozent sind dabei für eine Nutzung unter bestimmten Bedingungen, weitere 11 Prozent sind sogar generell damit einverstanden.

Bedenken bestehen vor allem rund um die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen und Verantwortlichkeiten sowie der potenziellen Fehleranfälligkeit. KI sei jedoch kein Allheilmittel fürs digitale Rathaus, betonen die Verfasser. Vielmehr sei sie eines von vielen Werkzeugen, die wie vernetzte Register und eine nutzerfreundliche digitale Identität in den Werkzeugkasten einer wirkungsorientierten und effizienten Verwaltung gehörten.

Nicht durchgängig digital nutzbare Angebote sind hierzulande nach wie vor die größte Hürde für eine E-Government-Nutzung (57 Prozent), die digitale Identifikation folgt mit 52 Prozent an zweiter Stelle. Der Online-Ausweis hat als wichtige Komponente aber einen Sprung nach vorn gemacht: 22 Prozent haben die entsprechende eID-Funktion inzwischen eingesetzt – ein Plus von 8 Prozentpunkten. Das offene Potenzial von E-Government wird der Studie zufolge aber weiter in der digitalen Nutzungslücke messbar: 3 von 10 Bundesbürger wählten bei Bedarf lieber den analogen statt den Online-Weg. Österreich und Schweiz überzeugten mehr Menschen von ihrem digitalen Verwaltungsangebot.

Jede einschlägige Leistung habe charakteristische Herausforderungen wie Probleme bei Auffindbarkeit oder Bekanntheit, Abbruchgründe oder Desinteresse an der Nutzung, heißt es. Um die digitale Nutzungslücke zu schließen, müsse ein Online-Dienst echte Vorteile bieten: Beim Bürgergeld sei ein mobilfähiger, einfacher Prozess essenziell, bei der Kfz-Meldung hapere es derweil bereits bei Bekanntheit und Auffindbarkeit.

Für 46 Prozent ist der schnellere Erhalt von Leistungen im Vergleich zum analogen Verfahren der entscheidende Impuls für den Besuch des digitalen Rathauses. 42 Prozent wollen, dass bereits eingegebene Daten für künftige Anträge verwendet werden, anstatt sie jedes Mal neu ein- geben zu müssen (Once-only-Prinzip).

Es sei "noch Luft nach oben", räumt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein: "Wir müssen unsere digitalen Verwaltungsangebote bekannter machen." Die digitale Verwaltung spare den Bürgern Zeit im Alltag. Viele wollten nicht länger verschiedene Anlaufstellen bedienen müssen, sondern auf eine einheitliche Plattform zugreifen können (47 Prozent). An solchen Stellschrauben müsse die Politik weiterarbeiten.

Beinahe jeder Zweite würde dem Staat mehr vertrauen, wenn dessen Leistungen einfach und schnell digital nutzbar wären, unterstreichen Marc Reinhardt, Präsident der Initiative D21, und der TUM-Wirtschaftsinformatiker Helmut Krcmar. Eine Voraussetzung für erfolgreiches E-Government sei die effiziente Digitalisierung innerhalb der Verwaltung. Und das, was "im Maschinenraum" passiere, müsse auch stärker spürbar werden. "Wer das Gefühl hat, dass der Staat seine Aufgaben nicht erfüllt, vertraut ihm auch weniger. Das ist eine ernst zu nehmende Gefahr für die Demokratie", warnen die Experten. Auch der Wohnort dürfe nicht darüber bestimmen, wie einfach oder schwer die digitale Interaktion mit dem Staat sei.

(olb)

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