Digitalisierung: Lauterbach verteidigt elektronische Patientenakte gegen Kritik

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Zum Start der elektronischen Patientenakte (ePA) am Dienstag spricht der geschäftsführende Gesundheitsminister Karl Lauterbach von einer Zeitenwende in der Digitalisierung des Gesundheitssystems. Er gehe davon aus, dass die allermeisten Ärzte die Akte schon vor dem 1. Oktober, wenn sie verpflichtend wird, nutzen würden. Zudem hätten bislang nur etwa fünf Prozent der Versicherten der Nutzung widersprochen.

Mit der digitalen Akte werde die Behandlung besser, da Befunde und Labordaten vollständig vorliegen würden, so der Minister. Patienten würden mündiger, weil sie sich intensiver mit den eigenen Befunden auseinandersetzen könnten. Auch die Forschung werde verbessert, da das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Medizin zuverlässige und gute Daten brauche, die nun auf eine sichere Art und Weise zur Verfügung gestellt werden könnten.

:Was bringt die elektronische Patientenakte?

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Kritik gibt es von Sozialverbänden

Kritik an der elektronischen Patientenakte kommt von Patientenschützern und Sozialverbänden. Sie werfen dem Bundesgesundheitsminister Irreführung der Öffentlichkeit vor. Anders als bislang vermittelt hätten Versicherte keine Möglichkeit, einzelne Dokumente nur bestimmten Ärzten, Therapeuten oder Apotheken zur Verfügung zu stellen, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Katholischen Nachrichten-Agentur. Lauterbach erklärte hingegen am Montag, man habe Sicherheitsbedenken berücksichtigt.

Er sagte dazu, Patienten könnten einzelne Befunde jederzeit aus der Patientenakte löschen oder gar nicht erst einstellen lassen. Auch könne man etwa einzelne Ärzte von der Nutzung der digitalen Akte ausschließen. Ein einzelner Befund könne nicht gegen den Willen des Patienten von anderen eingesehen werden, betonte der Minister, der voraussichtlich nur noch wenige Tage im Amt sein wird.

Deutschland sei zwar spät dran mit der Digitalisierung, sagte Lauterbach. Dafür sei man aber extrem gründlich und habe den Vorteil, die neuen Möglichkeiten der KI mitdenken zu können. Daher gehe er davon aus, dass Deutschland in wenigen Jahren in Sachen elektronische Patientenakte und medizinische Daten die modernste Infrastruktur in Europa haben werde.Patientenschützer Brysch forderte hingegen die zukünftige Bundesregierung auf, die elektronische Patientenakte so lange zu stoppen, bis es mehr Möglichkeiten für differenzierte Einstellungen gebe.

Die elektronische Patientenakte soll ein Ende der Zettelwirtschaft brungen

Die ePA soll die bisher an verschiedenen Orten wie Praxen und Krankenhäusern abgelegten Patientendaten digital zusammentragen und ein Ende der Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen bringen. Notfalldaten, Laborwerte, Röntgenbilder, Arztbriefe, Befunde und Medikationspläne, aber auch der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft sollen schrittweise elektronisch archiviert und schnell abgerufen werden können. Langfristig sollen Patienten auch ihre durch Fitnesstracker gewonnenen Gesundheitsdaten – Blutzuckerwerte, Blutdruckmessungen – in der ePA einspeichern können. Rund 200 000 Leistungserbringer – Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheker, Pflegeheime und andere Gesundheitseinrichtungen – sollen durch die ePA besser vernetzt werden.

Ziel ist es, wichtige Informationen zur Gesundheit des Patienten ein Leben lang digital zu speichern, damit sich Ärztinnen und Ärzte im Notfall schnell einen Überblick über die Krankengeschichte verschaffen können. Auch sollen unnötige Doppeluntersuchungen und unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen vermieden werden. Mit der Speicherung soll das Gesundheitswesen effektiver, schneller, unbürokratischer und damit auch kostengünstiger gemacht werden.

Der Sozialverband VdK kritisiert eine mangelnde Barrierefreiheit der Technologie. „Aktuell sieht es so aus, dass Menschen mit einer Behinderung vielfach von der Nutzung der ePA ausgeschlossen werden, weil der Zugang zur ePA nicht barrierefrei ist“, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele am Dienstag in Berlin. Dies sei „eine nicht hinnehmbare Benachteiligung“.

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