In Südkorea hat nach der Staatskrise um Präsident Yoon Suk Yeol die Wahl eines Nachfolgers begonnen. Am Vormittag lag die Wahlbeteiligung etwas höher als vor drei Jahren.
3. Juni 2025, 5:44 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, sue
Rund 44 Millionen Südkoreanerinnen und -koreaner sind seit dem frühen Morgen zur Wahl eines neuen Präsidenten aufgerufen. Die Entscheidung über die Nachfolge des entmachteten und wegen Hochverrats angeklagten Ex-Präsidenten Yoon Suk Yeol gilt als eine Richtungswahl. Sie soll eine monatelange Staatskrise beenden und dürfte auch große Auswirkungen auf die Beziehungen des ostasiatischen Landes zu China, den USA und Europa haben. Als Favorit gilt der linke Politiker Lee Jae Myung.
Bis 11 Uhr Ortszeit (4 Uhr MESZ) lag die Wahlbeteiligung nach Angaben der nationalen Wahlkommission bei 18,3 Prozent und damit um rund zwei Prozentpunkte höher als bei den letzten Wahlen 2022. Die Wahllokale schließen um 20 Uhr Ortszeit. Kurz darauf wird eine erste Hochrechnung erwartet, nach der sich möglicherweise bereits ein Gewinner abzeichnet. Laut Südkoreas amtlicher Nachrichtenagentur Yonhap sollte bis Mitternacht der Wahlsieger feststehen.
Ex-Präsident wegen Hochverrats vor Gericht
Die Wahl ist von besonderer Bedeutung. Anfang Dezember hatte Ex-Präsident Yoon Suk Yeol überraschend das Kriegsrecht ausgerufen. Der ehemalige Staatsanwalt hatte die radikale Maßnahme unter anderem damit begründet, dass die linke Opposition angeblich von kommunistischen und staatsfeindlichen Kräften unterwandert sei. Beweise für diese Anschuldigungen legte er nicht vor.
Auch wenn das Kriegsrecht per Parlamentsabstimmung nach nur wenigen Stunden für ungültig erklärt wurde, fiel Südkorea durch den Vorgang in eine tiefe Staatskrise. Im April wurde Yoon vom Verfassungsgericht des Amtes enthoben und derzeit muss sich nun wegen Hochverrats vor Gericht verantworten.
Linker Kandidat führt in Umfragen
Der 60 Jahre alte Lee Jae Myung führte in letzten Umfragen vor der Wahl mit deutlichem Abstand. Der ehemalige Menschenrechtsanwalt mit einem Hang zum Populismus wurde von den heimischen Medien in der Vergangenheit auch als "südkoreanischer Bernie Sanders" bezeichnet – in Anspielung auf den langjährigen, linksgerichteten US-Senator. Lee Jae Myungs Sinn für soziale Gerechtigkeit wird auch auf eine schwere Jugend zurückgeführt: Er wuchs in Armut auf und musste als Teenager in Fabriken unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen seinen Lebensunterhalt bestreiten. In seinem Wahlprogramm fordert er einen Ausbau der erneuerbaren Energien, eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte und einen außenpolitischen Annäherungskurs Richtung China und Nordkorea.
Sein Kontrahent, der 73-jährige Kim Moon Soo, wuchs wie Lee Jae Myung in Armut auf. Als Student sympathisierte er mit dem Kommunismus und wurde als Aktivist für die Rechte von Arbeitern zeitweise inhaftiert. Mittlerweile vertritt Kim erzkonservative Positionen, fordert einen harten Kurs gegen Nordkorea und hat sich regelmäßig für die Stationierung taktischer US-Nuklearwaffen auf südkoreanischem Boden ausgesprochen. Wirtschaftlich verspricht er eine Deregulierung für Unternehmen, hob jedoch auch den Stellenwert von Sozialleistungen für benachteiligte Gruppen hervor.
Bedrohung der Wirtschaft durch US-Zölle
In Südkorea wird der Präsident in direkter Wahl mit einer einfachen Mehrheit gewählt. Er verfügt über weitreichende Befugnisse: So leitet er nicht nur die Regierung, sondern ist auch Oberbefehlshaber des Militärs. Zudem kann er Präsidialverordnungen erlassen, etwa, um die konkrete Umsetzung einzelner Gesetze zu bestimmen. Anders als in vielen anderen Staaten kann der Präsident in Südkorea sein Amt nur für eine einzige, fünfjährige Legislaturperiode ausüben.
Neben der politischen Krise hatte das Land zuletzt auch wirtschaftliche Probleme. Das Bruttoinlandsprodukt sank im ersten Quartal des Jahres um 0,2 Prozent. Die US-Zollpolitik stellt das exportorientierte Land womöglich vor weitere Schwierigkeiten. Dazu wächst in sämtlichen Kernindustrien des Landes – Halbleiter, Autos, Schiffsbau – die Konkurrenz durch China.