
Musiker Lazaro: Dank Internet in Südkorea bekannter als in seiner Wahlheimat
Foto: Karolin Klüppel / DER SPIEGELDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
»POV: When Taehung sings your song«, oder anders ausgedrückt: So fühlt es sich an, wenn ein Mitglied einer der weltgrößten Bands deinen Song für einen Clip verwendet und mit seinen Millionen Followern teilt. Genau das ist Anthony Lazaro im Januar 2024 passiert, und so teilte er es mit seinen Fans auf Instagram. Kim Taehyung, besser bekannt unter dem Künstlernamen V und als Mitglied der K-Pop-Band BTS, nutzte Lazaros Lied »Love Letter« in einer Instagram-Story. Lazaros Handy stand daraufhin nicht mehr still.
Die Mitglieder der Boygroup BTS sind Megastars, ihre weltweit agierende Fanbase namens BTS Army ist für ihr Engagement auf TikTok , X und YouTube bekannt. Und einige der treuen Fans landeten über das Songsnippet auf Anthony Lazaros Social-Media-Profilen. Ein Fan schrieb etwa: »Dank Taehyung habe ich von dir erfahren. Und ich mochte deine Lieder sehr«, andere lobten den guten Musikgeschmack des BTS-Mitglieds. Mittlerweile ist der gebürtige Italiener Lazaro, der in Berlin lebt, in Südkorea bekannter als in seiner Wahlheimat.
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Dabei hat Lazaros Musik nichts mit K-Pop zu tun. Er spielt Gitarre und singt. Indie-Folk, Jazz-Pop, Singer-Songwriter oder R&B: Lazaro bedient mehrere Musikrichtungen, seine Lieder lassen sich nicht immer eindeutig einem Genre zuordnen. Oft sind es Liebeslieder. Seine Musik ist atmosphärisch, beruhigend, Café-tauglich. Auf seiner Website beschreibt er sie als »das musikalische Gegengift gegen den Stress des Tages«.
Aber der Bekanntheitsschub durch BTS passt trotzdem perfekt zu Lazaros durchgeplanter Karriere: Der klassische Weg, die Ochsentour durch kleine Clubs, bis irgendwann der Durchbruch kommt, kam für ihn nie infrage. Lazaro analysiert Onlinedienste und Algorithmen, nutzt die Mechanismen sozialer Medien und schreibt Musik für bestimmte Zielgruppen.
Musiker in Eigenregie
2018 hatte Lazaro beschlossen, hauptberuflich Musiker zu werden und seine Karriere im Marketingbereich an den Nagel zu hängen. Bevor er den Schritt wagte, sah er sich das Musikbusiness genau an: »Selbst wenn man mit einem großen Label zusammenarbeitet, ist es schwierig. In den ersten zwei Jahren als Musiker zu überleben, ist wie im Lotto zu gewinnen«, so beschreibt Lazaro bei einem Treffen in Berlin seinen Start. Selbst das sei nicht genug. »Eigentlich muss man dreimal hintereinander im Lotto gewinnen: Zuerst muss dich ein Label unter Vertrag nehmen. Dann musst du zu dem geringen Prozentteil von Künstlern gehören, mit denen sie wirklich zusammenarbeiten, und schließlich musst du dich mit einem zweiten Album beweisen.«

Anthony Lazaro: Der Musiker vertraut vor allem auf sich selbst
Foto: Karolin Klüppel / DER SPIEGELLazaro wollte seinen Erfolg nicht von drei metaphorischen Lottogewinnen abhängig machen. Lieber nahm er die Sache selbst in die Hand – wortwörtlich. Bis heute ist Lazaro nicht dauerhaft bei einem Musiklabel unter Vertrag. »Ich mache alles selbst. Ich arbeite vereinzelt mit Labels zusammen, aber nur zeitlich begrenzt«, sagt Lazaro. »Denn erstens bin ich ein Kontrollfreak, und zweitens mache ich die Dinge gern auf meine eigene Art.« Das bedeutet: Er schreibt seine eigene Musik, organisiert Kooperationen, plant seine Touren und bucht Veranstaltungsorte, bewirbt seine Songs und managt seine Social-Media-Kanäle allein. Dabei hilft ihm sein beruflicher Hintergrund im Marketing.
Digitale Medien und Dienste spielten dabei von Anfang an eine zentrale Rolle. »Ich habe verschiedene Systeme recherchiert, wie sich mit Musik heutzutage Geld verdienen lässt. Über Spotify bin ich auf eine Syncagentur, also eine Musiklizensierungsagentur, gestoßen. Die verwenden deine Musik und manchmal zahlen sie dir dafür Tantiemen.« Anders als große Musiklabels verwenden sie Lazaros Musik nicht exklusiv, bieten die Songs aber im Fernsehen oder für Werbespots an. Lazaro sagt: »Labels wollen immer nur bilateral mit dir zusammenarbeiten, ich arbeite lieber mit mehreren Partnern gleichzeitig.« Ein Management zu haben, würde für Lazaro bedeuten, ständig darum bitten zu müssen, seine eigene Musik zu verbreiten: »Ich habe mit 16 aufgehört, jemanden um Erlaubnis zu bitten.«
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Die Folgen der Kooperation mit der Syncagentur: Lazaros Lieder wurden in unzähligen Werbespots weltweit verwendet, von Clips für Intimissimi (Italien) über Ryan Reynolds’ Aviation Gin (USA), Starbucks (Korea), Samsung (Korea) bis zu Uniqlo (USA). 2023 wurde Lazaros Song »Strangers in Disguise« im offiziellen Werbespot von Turkish Airlines genutzt.
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Aber auch in Filmen und Serien weltweit wird Lazaros Musik gespielt. Zum Beispiel in der südkoreanischen Fernsehserie »Now, We Are Breaking Up«, der US-Serie »Atlanta Medical« oder der US-Realityserie »Hype House« auf Netflix. Reich wird er damit nicht, aber die breite Streuung hilft ihm, eine globale Fangemeinschaft aufzubauen.
So wie seine Musik reist er auch selbst um die Welt. Erst 2024 fing Lazaro an zu touren, mittlerweile hat er Konzerte unter anderem in Berlin, Amsterdam, Paris, Peking, Shanghai, Tokio und Seoul absolviert, vor jeweils mehreren Hundert Menschen. In China singt er ein bisschen Chinesisch, in Südkorea Koreanisch und in Indien Hindi – um sein Publikum zu überraschen und sich selbst herauszufordern.
Passives Einkommen durch Einschlafmusik
Der größte Teil seines Einkommens stammt von Streamingplattformen wie Spotify, Apple Music und YouTube Music, obwohl die pro abgerufenem Song nur Centbeträge auszahlen. Die Masse gleicht es ein wenig aus. Allein auf Spotify kommt Lazaro auf mehr als 582.000 monatliche Hörerinnen und Hörer.
Zudem erkannte er früh das Potenzial von Einschlaf-Playlists und nahm mit einem Producer schon 2021 mehr als acht Stunden Musik auf, die sich gut zum Entspannen und Einschlafen eignet. »Und weil das so gut funktioniert hat, haben wir anschließend noch Einschlafmusik für Babys aufgenommen«, sagt Lazaro. Bis heute laufen die öffentlichen Playlists bei Spotify und werden tausendfach gestreamt.
Mit der Einschlafmusik generiert er ein passives Einkommen, das sich auf etwa zehn Prozent seiner monatlichen Gesamteinnahmen beläuft. »Es ist buchstäblich schlafendes Geld«, scherzt Lazaro.

Anthony Lazaro geht seine Musikkarriere strategisch an
Foto: Karolin Klüppel / DER SPIEGELAuch beim Streaming verfolgt Lazaro eine globale Strategie. Der südkoreanische Dienst Melon beispielsweise hat der Jazz-Playlist »Jazzify« gleich drei Lieder von Lazaro hinzugefügt. »Das sind mehr als von Norah Jones«, erzählt Lazaro stolz.
Seine Musik scheint es dem Streaminganbieter aus Südkorea angetan zu haben: Neben Taylor Swift , Billie Eilish und Ariana Grande ist Lazaros Instagram-Account einer von nur 229 Accounts, denen Melon folgt. Lazaro macht Melon auch dafür verantwortlich, dass seine Musik in Südkorea so populär ist und im Radio und in der Öffentlichkeit gespielt wird. »Als ich in Korea war, haben wir uns vor dem Konzert etwas zu essen geholt, und nach etwa fünf Minuten wurde in dem Laden eins meiner Lieder gespielt«, erzählt Lazaro und schüttelt ungläubig den Kopf. »Einfach verrückt!«
Über den chinesischen Streaminganbieter Netease wiederum hat sich Lazaro ein Publikum in China aufgebaut, hierbei hat er sich Unterstützung von einem lokalen Manager gesucht. Und weil er ursprünglich mit Elektromusik begonnen hatte, hat Lazaro auch ein Alter Ego kreiert. Als »Lazer Owl« veröffentlicht Lazaro Musik, die er dem Genre »Dark Electro Pop« zuordnet. Diese Songs sind vorwiegend in den USA und Russland beliebt.
Lazaro ist ein Workaholic. In den gut sechs Jahren seiner bisherigen Musikkarriere hat er sich eine beeindruckende Diskografie erarbeitet: Zehn Alben, mehrere EPs, Singles und Kooperationen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Viel Output und Angebot erhöhen in der digitalen Musikwelt auch die Chance, dass Lieder von ihm aufgegriffen und bei Streamingdiensten Beachtung finden.
Community-Management als Schlüssel zum Erfolg
Seine Selbstständigkeit bringt Lazaro dazu, dass er fast rund um die Uhr arbeitet. »Ich schlafe kaum«, sagt er. Nach dem Aufstehen kümmere er sich zunächst mindestens eine Stunde lang um seine Social-Media-Accounts, sagt er. Auf Instagram hat Lazaro mehr als 211.000 Abonnenten und auf Facebook sind es 118.000. Zudem nutzt er Plattformen wie die chinesische Alles-App WeChat: »Ich versuche, alle Nachrichten, die ich bekomme, zu beantworten, was manchmal echt verrückt sein kann.« Lob seiner Fans teilt er regelmäßig in seiner Story. Auf der chinesischen Plattform Netease likt er zudem die Kommentare unter seinen Songs.
Er weiß, dass die Community maßgeblich zu seinem Erfolg beigetragen hat. »Mein Motto ist, alles mit offenen Armen zu begrüßen – jede Gelegenheit und alle meine Fans«, sagt Lazaro über sein Erfolgsgeheimnis. Seine Fangemeinde bestehe zu 90 Prozent aus Frauen, mit denen er nach seinen Konzerten Bilder macht, und Verehrerinnen, die ihn mit Geschenken überhäufen. Er ist sich über seinen Status als Frauenschwarm im Klaren, weswegen er nicht über seinen Beziehungsstatus spricht.
Musik auf dem Mond
Beim Treffen mit dem SPIEGEL betont Lazaro, dass er manchmal auch einfach Glück hatte oder ihm Dinge in den Schoß gefallen sind. Dazu gehört, dass seine Musik mit einer Rakete ins All gebracht werden soll. Die Initiative »Lunar Codex« schickt zeitgenössische Werke wie Bücher, Gedichte, Filme und Musik von 30.000 Künstlerinnen und Künstlern aus 157 Ländern auf digitalisierten Speicherkarten zum Mond, als »Flaschenpost an die Zukunft«. Anthony Lazaro ist einer von ihnen. »Gravity« und »Time Traveling« heißen die beiden ausgewählten Songs. Auf die Frage, wie man ausgerechnet auf ihn aufmerksam wurde, zuckt er mit den Schultern und lacht. Er sei von jemandem angerufen und gefragt worden, und er habe »Ja« gesagt.
Lazaro ist vor wenigen Tagen von einer weiteren Tour in China zurückgekommen, die nächsten Auftritte in verschiedenen Teilen der Welt sind bereits geplant. Sein Ziel? »Ich will Fans auf der ganzen Welt haben – und sogar auf dem Mond«, sagt Lazaro und lacht. »Meine zukünftige Zielgruppe: weibliche Aliens«.